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Q&A zum Missbrauchsskandal
Droht Prinz Andrew nun ein Prozess in New York?

Prinz Andrew verliert im Missbrauchsskandal Rückhalt vom Palast. (11. April 2021)
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Immer wieder hat Virginia Giuffre ihre schweren Vorwürfe gegen Prinz Andrew wiederholt: Er soll vor mehr als 20 Jahren Sex mit der damals Minderjährigen gehabt haben – sie wurde dabei eigenen Angaben zufolge von dem berüchtigten US-Multimillionär Jeffrey Epstein dazu gezwungen. Auch wenn Andrew die Vorwürfe kategorisch abstreitet, ging der Palast nun auf Distanz zu ihm – ein Prozess wird wahrscheinlicher. Wie es im Missbrauchsskandal weitergehen könnte.

Wie wahrscheinlich ist ein Prozess in den USA im Moment?

«Ich halte einen Prozess für sehr wahrscheinlich, fast für sicher», sagt Rechtsexperte und Anwalt Neama Rahmani, ein ehemaliger US-Bundesanwalt. Meistens würden zivile Klagen aussergerichtlich geklärt – dieser Fall aber liegt Rahmanis Meinung nach anders. Viele Opfer wollten nicht öffentlich aussagen, Giuffre dagegen sei sehr offen mit ihren Anschuldigungen umgegangen. Zudem sei ein Prozess ihre beste Möglichkeit, eine grosse Summe Schadenersatz zu bekommen.

In der Nacht zum Freitag begrüsste Guiffre selbst auf Twitter die Entscheidung eines New Yorker Gerichts, das zuvor Einwände von Prinz Andrews Anwälten abgeschmettert hatte. «Ich bin froh, dass ich die Chance haben werde, die Wahrheit weiter offenzulegen», schrieb sie. Ihr Ziel sei es immer gewesen, zu zeigen, dass auch die Reichen und Mächtigen nicht über dem Gesetz stünden.

Die profilierte Anwältin Sarah Krissoff sieht die Möglichkeit eines zivilen Verfahrens dagegen deutlich skeptischer. Sie merkt an, dass Prinz Andrew ein grosses Interesse an einer aussergerichtlichen Einigung haben sollte, um peinliche detaillierte Schilderungen vor Gericht zu vermeiden. Deshalb könne er Giuffre womöglich einen guten Deal vorschlagen.

Wann könnte ein mögliches Gerichtsverfahren starten?

Bei einer Anhörung im November hatte Richter Lewis Kaplan den Herbst 2022 als mögliches Datum für ein Hauptverfahren genannt.

Mit welchem Richterspruch könnte Prinz Andrew rechnen?

Da es sich um eine Zivilklage handelt, kann es für Andrew neben einem weiteren Imageschaden nur um finanzielle Konsequenzen gehen. Jegliche geldwerten Besitztümer des Royals in den USA sowie Konten könnten für diesen Zweck dann ins Visier der Justiz geraten – sofern Virginia Giuffre Recht bekommt. Haftstrafen oder Ähnliches sind aber nur in einem Strafprozess möglich.

Das Foto, das Anfang 2001 in London aufgenommen worden sein soll, zeigt Prinz Andrew mit Virginia Giuffre und Ghislaine Maxwell.

Kann er das überhaupt bezahlen?

Die Queen wird Andrew mit keinem Penny unterstützen. Er werde sich als «privater Bürger» verteidigen, hiess es knapp vom Palast. Frisches Geld will der Prinz der «Sun» zufolge aus dem Verkauf seines Chalets in der Schweiz schöpfen, der ihm mindestens 15 Millionen Pfund einbringen könnte.

Ist Prinz Andrew jetzt nicht mehr Teil der Royal Family?

Andrew musste all seine militärischen Dienstgrade und royale Schirmherrschaften an die Queen zurückgeben. Auch seinen Titel «His Royal Highness» wird er nicht mehr tragen. Sein Platz in der Thronfolge bleibt ihm noch – auf Rang Neun allerdings kaum mit realistischen Chancen. Viel weiter hätte die Queen nicht gehen können, um sich und die Krone von dem Skandal zu distanzieren.

Bei offiziellen Anlässen schmückten oft viele Orden seine Uniform, nun muss Prinz Andrew, Sohn von Queen Elizabeth II., seine militärischen Titel abgeben. (7. September 2019)

Warum entscheidet Queen Elizabeth II. gerade jetzt so?

Seit ein Prozess gegen Andrew in greifbare Nähe gerückt ist, hat der öffentliche Druck deutlich zugenommen. Mehr als 150 Militärveteranen forderten die Queen auf, Andrew alle militärischen Rollen zu entziehen – was sie als Oberbefehlshaberin der Streitkräfte binnen Stunden tat. Die «Times» wertet das als Signal, dass die Monarchin endgültig die Geduld verloren hat. In der Vergangenheit wurde Andrew noch oft als Lieblingskind der Queen bezeichnet.

Kommt so etwas häufiger vor?

Nein. Dass das Königshaus ein hochrangiges Mitglied der eigenen Familie so demontiert, ist aussergewöhnlich. Dennoch ist es nicht allzu lange her, dass ein anderes Mitglied seine militärischen Dienstgrade zurückgeben musste: Auch Prinz Harry wurde dieses Schicksal zuteil, als er sich mit Ehefrau Herzogin Meghan von den Aufgaben als Royal zurückzog und nach Kalifornien auswanderte.

Welche Optionen hat Andrew nun?

Theoretisch könnte der 61-Jährige mit dem Gericht zusammenarbeiten und versuchen, seine Unschuld zu beweisen. Experte Rahmani sieht das aber als sehr unwahrscheinlich: Erstens sei Prinz Andrew nicht verpflichtet, in die Vereinigten Staaten zu reisen und könnte auch zu keiner Kooperation gezwungen werden. Zweitens berge jede Zusammenarbeit das Risiko, sich angreifbar für eine Strafanklage zu machen.

Es gibt also keine Möglichkeit, dass US-Behörden eine Auslieferung des Prinzen ersuchen könnten?

Zumindest nicht in Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Zivilverfahren.

Kann Andrew zu einer Aussage unter Eid gezwungen werden?

Auch das ist Rahmani zufolge nicht möglich. Der Duke of York könne zwar vom Richter zu einer Aussage aufgefordert werden. Doch wenn dieser nicht folge, bleibe dem Gericht höchstens übrig, der Jury die Anweisung zu erteilen, davon auszugehen, dass Prinz Andrew seine Aussage geschadet hätte.

Gibt es auch noch die Möglichkeit eines Strafprozesses?

Anwältin Krissoff gibt zu bedenken, dass die rechtlichen Hürden für eine Strafanklage auf US-Bundesebene sehr hoch seien. Kollege Rahmani spricht demgegenüber davon, dass dies «sicherlich eine Möglichkeit» sei. Ermittler hatten nach der Festnahme Jeffrey Epsteins das Gespräch zu Andrew als Zeugen gesucht, dies fand aber nie statt. Ob Staatsanwälte gezielt gegen ihn ermitteln oder ob es gar eine nicht-veröffentlichte Anklage gibt, ist unklar. «Ich gehe davon aus, dass die US-Staatsanwaltschaft, wenn es genügend glaubwürdige Beweise gibt, jeden anklagen wird, der an dem sexuellen Missbrauch mit Epstein beteiligt war – ob es nun Prinz Andrew oder jemand Anderes ist», sagt Rahmani.

SDA/aru