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Bürgermeisterin von Graz
Drei Viertel ihres Lohnes verschenkt sie

Elke Kahr gibt 2021 an einer Pressekonferenz die Koalition ihrer Kommunisten mit den Grünen und Sozialdemokraten bekannt.
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Ihr Sieg war seine Niederlage: Nach 18 Jahren wurde Siegfried Nagl von der Österreichischen Volkspartei abgewählt, den sie in Graz den «Beton-Sigi» nannten, weil er so viel bauen liess, aber nicht günstige Wohnungen, sondern Anlageobjekte im Dienst von Investoren. Dann aber hatte die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler genug, auch Bürgerliche sorgten sich um Grünflächen und das historische Stadtzentrum in der Steiermark.

Unter anderem um dieses exzessive Bauen zu bremsen, wählten vor anderthalb Jahren ein Drittel der Wählenden die 61-Jährige Elke Kahr zur Bürgermeisterin der Stadt, in der knapp 300’000 Einwohnerinnen und Einwohner leben. Ihre Wahl sei für manche Politiker ein Schock gewesen, sagt sie im Gespräch mit der Berliner «Tageszeitung»: «Ich bin eine Frau, Kommunistin und komme aus dem Arbeitermilieu, das war ein Dreierpack, das manche schwer verkrafteten.» Jeder Fünfte in Graz ist armutsgefährdet. Die Kommunisten haben sich mit den Sozialdemokraten und Grünen zu einer Koalition zusammengetan.

Sie verschenkt 6000 Euro – monatlich

Um den Kontakt zu den Leuten aufrechtzuerhalten, hat Kahr meistens zwei Nachmittage pro Woche Sprechstunde und dazu noch am Samstag. Da kämen Leute zu ihr, die Hilfe brauchten, sagt sie. So lerne man ihre Sorgen und Wünsche kennen. Manchmal hilft sie auch mit Geld. Als Bürgermeisterin von Graz bekommt sie 8000 Euro Lohn, 6000 davon gibt sie an Bürgerinnen und Bürger weiter. «Auch eine Partei lebt von ihren handelnden Personen», sagt sie in Interviews. «Und die müssen ein Vorbild sein.»

Elke Kahr wuchs in einer Arbeitersiedlung in einer armen Wohnung auf, nachdem sie als Dreijährige adoptiert worden war. Daraus erklärt sie ihre politische Haltung. Da sie nicht viel vom Phrasendreschen halte, trage sie ihre Weltanschauung «nicht wie eine Monstranz vor mich her». Ebenso wenig hält sie von theoretischen Debatten, «wenn sie keinerlei praktische Auswirkungen haben».

Elke Kahr findet den Angriffskrieg gegen die Ukraine fürchterlich, nennt es aber auch eine Tragödie, «dass die Sanktionen diesen Krieg nicht beenden».

Nun haben Teile der KPÖ ihr Verhältnis zu Russland nie geklärt, und obwohl Elke Kahr den Angriffskrieg gegen die Ukraine fürchterlich findet, nennt sie es aber im Gespräch mit dem «Standard» auch eine Tragödie, «dass die Sanktionen diesen Krieg nicht beenden». Das reicht der rechten Partei Neues Österreich nicht, die Kahr zwar als Pazifistin lobt, sie aber dennoch als Handlangerin des Putin-Regimes einschätzt, weil sie die Sanktionen nicht mittragen möchte.  

Daheim geht es leichter. Die Bürgermeisterin hat zwei für sie entscheidende Dossiers übernommen, nämlich das Wohnungs- und das Sozialamt. Ihre KPÖ sei in Graz die Wohnungspartei und habe viele Gemeinde­wohnungen errichtet und Grundstücke gekauft, wo eine Genossenschaft jeweils ein Haus errichtet und die Stadt Zugang hat. Jeder Wohnungssuchende, der zu wenig Geld hat, bekommt vom Wohnungsamt 1000 Euro, die er erst beim Wegzügeln zurückzahlen muss. Die Miete dürfe nicht mehr als ein Drittel des Einkommens ausmachen – das gebe es nur in ihrer Stadt. Diese böte zudem einen Mieternotruf an. Das sei alles nötig, weil viele Leute in Graz mit 1500 Euro auskommen müssten.

Warum sie keine Sozialdemokratin ist

Als Vorbild nennt Elke Kahr die belgische Partei der Arbeit, drittstärkste Partei im Land und die am schnellsten wachsende linke Kraft in Europa. Dass sie sich in ihrer österreichischen Heimat für die Kommunisten und nicht für die Sozialdemokratie entschieden hat, erklärt sie mit den Privilegien, welche viele Leute in dieser Partei genossen haben. Auch sei die SPÖ auf Bundesebene zu viele Kompromisse mit der ÖVP eingegangen, das habe «den ganzen Rattenfängern wie Jörg Haider und Heinz-Christian Strache» Auftrieb gegeben.

Sollte sie selber einmal abgewählt werden, sagt sie noch, würde sie keine Depression bekommen, wenn sie nicht mehr Politikerin wäre. Im tiefsten Herzen sei sie eine Basisaktivistin. Und das scheint in Graz gut anzukommen.