Rassismusprotest zur HymneDiese US-Hammerwerferin bringt die Konservativen zum Schäumen
Gwen Berry, eben für die Olympischen Spiele in Tokio qualifiziert, protestierte bei der Siegerehrung gegen die amerikanische Hymne. Das führt zu einer Schlacht im Netz.
Von der Hammerwerferin, die jetzt bei der amerikanischen Olympiaqualifikation in Oregon einen US-Rekord aufgestellt hat und damit zugleich zur Top 2 der Welt wurde, hört man nicht viel. Umso mehr dafür von der Drittplatzierten: Gwendolyn Berry.
Die 32-jährige Afroamerikanerin aus Missouri, selbst eine Starathletin, tat, was sie seit Jahren konsequent tut: Bei der Siegerehrung protestierte sie, noch auf dem Treppchen und mit dem obligaten Blumenstrauss in der Hand, gegen den Rassismus in den USA. Als die Nationalhymne, «The Star-Spangled Banner», erklang, wandte sie sich ostentativ ab und legte sich ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift «Activist Athlete» auf den Kopf.
Klar löste die Aktion auf den Social Media einen Sturm aus; hierzulande springt ein Roger Köppel schon im Quadrat, wenn Natispieler unsere Hymne nicht mitmurmeln. Und sie triggerte alle, die von republikanisch grundierter Aufregung profitieren: also jene wutbürgernden Medien- und Politfiguren, die sich derzeit über die «Critical Race Theory» ereifern.
Diese schüre Hass auf die eigene Nation, Berry sei ein Paradebeispiel dafür, man müsse die Athletin aus dem olympischen Team werfen, sofort. Vic DeGrammont, republikanischer Parlamentskandidat aus Florida, stieg dafür ebenso medienwirksam auf die Barrikaden wie der Ex-Gouverneur aus Wisconsin oder der stramm rechte Journalist David Steinberg.
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Berry kennt das schon. Als sie sich 2019 bei den Pan-American-Spielen in Lima die Goldmedaille erwarf, reckte sie am Ende von «The Star-Spangled Banner» die Faust gegen die Ungerechtigkeit in den USA. Prompt sprach ihr olympisches Komitee eine Rüge aus und versetzte Berry in den «Bewährungsstatus». Doch dann wurde George Floyd ermordet, die «Black Lives Matter»-Proteste erfassten die Nation, und im Sommer 2020 entschuldigte sich das Komitee öffentlich für seine Reaktion.
Gemeinsam mit anderen Sportlern erreichte Berry Grundsätzliches: Im März 2021 verkündete das Komitee, dass an den amerikanischen Qualifikationsausscheidungen künftig Protest möglich ist, etwa zu knien oder die Faust zu erheben, wenn die Hymne gespielt wird. Das Komitee stehe ein für «racial and social justice» für alle.
Trotzdem steht die Hammerwerferin im Kreuzfeuer der Kritik. In diversen Interviews hielt sie dagegen: Man habe ihr wohl eine Falle gestellt; die Hymne sei ursprünglich für einen anderen Zeitpunkt geplant gewesen. Und entscheidender: Es gebe so viele Dinge, die grösser seien als der Sport. «Als Athleten können – und sollten – wir unsere Stimme nutzen, um das Bewusstsein dafür zu wecken.»
Sport sei Zerstreuung und Entertainment. Der wichtige Teil daran sei, dass «ich meine Community repräsentieren kann, meine Leute und jene, die durch brutale Polizeigewalt ums Leben kamen, durch strukturellen Rassismus. Das ist der Grund, dass ich heute hier bin.»
Später erklärte sie, besonders die dritte Strophe der Hymne von 1814 – die verächtlich von Sklaven spricht, wenn auch in anderem Kontext – verletze schwarze Amerikaner. Aber: «Ich habe nie gesagt, dass ich das Land hasse. Nie.» Allerdings respektiere sie ihre Leute zu sehr, um etwas anzuerkennen, das respektlos mit ihnen umgehe. Wie Gwen Berry ihre Botschaft in Tokio rüberbringen will – dort sind wie bei der EM explizite politische Äusserungen verboten –, überlegt sie noch.
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