Mamablog: Ambivalente VorweihnachtstageDiese glänzende und anstrengende Weihnachtszeit
Unsere Autorin macht sich Gedanken zu diesen speziellen Tagen so kurz vor Weihnachten – und wünscht sich fortan mehr «Und» als «Aber» in ihrem Leben.
Noch vier kleine Päckli hängen an unserem Adventskalender. Heute eins für die Tochter, morgen eins für den Sohn und an Heiligabend gibts für beide eine jener Überraschungen, die das Gotti der Tochter das ganze Jahr über für sie zusammenträgt. Jedes Jahr bin ich berührt von ihrer liebevollen Mühe und dem Zauber, den ihr Kalender in unsere Stube bringt. Und für die Hilfe, die er mir an jenen dunklen Morgen bietet, an denen mein müdes Ich zwei noch müdere Kinder aus dem Bett zu jagen hat.
Im Dezember aber geht das ratzfatz. Ich brauche bloss halbwach «Adventskalender» zu krächzen und schon springt die Brut aus dem Bett, als hätten sie zwanzig Stunden Schlummerland hinter sich.
Eine Art Vorweihnachts-Burnout
Bereits im November freue ich mich auf diese glänzende Zeit und ihre bei uns geliebten Rituale, die einen so frappanten Kontrast zum grauen Niemandsland des Novembers bilden. Um dann zwei Wochen später nach Luft zu schnappen, weil genau dieser Glanz so viele Extras von mir einfordert: Geschenke basteln, Märlitram, Pfadiweihnacht, Weihnachtssingen, Guetzli backen, Adventsfenster, Samichlaus, Tannenbaum schneiden, Geschenke organisieren. Ganz zu schweigen vom Büro, wo zu dieser Zeit der Bär tanzt und zum Weihnachtsessen lädt.
Auch dieses Jahr legte sich kurz nach dem zweiten Advent eine Art Vorweihnachts-Burnout über mich, obwohl das Finale noch in weiter Ferne lag: Heiligabend, wo die Welt zur Schneekugel wird, gefüllt mit Erwartungen, Bildern, Aschenbrödel und zappligen Kindern, die es nicht erwarten können, dass die Kerzen am Baum an- und das Papier um die Geschenke weggehen.
Da seufzte ich vor mich hin: «Ja, ich mag diese Zeit. Aber ich finde sie auch echt anstrengend!»
Jedes Jahr schwanke ich hin und her zwischen «So eine schöne Zeit!» und «Bin ich froh, wenn der ganze Klimbim endlich vorbei ist!». Und als ich auf einem einsamen Waldspaziergang regelrecht erleichtert war, dass die Bäume einfach nur Bäume sind und nicht wie die halbe Stadt unter Lichterschock stehen und statt putziger Engel ungeschmückte Vögel zwitschern, seufzte ich vor mich hin: «Ja, ich mag diese Zeit. Aber ich finde sie auch echt anstrengend!»
Doch etwas störte mich an diesem Satz. Und zwar das Wort «Aber». Ich versuchte den Satz anders zu denken und ersetzte das störende Wort mit «Und»: «Ja, ich mag diese Zeit UND ich finde sie auch echt anstrengend.»
Weniger «Aber», mehr «Und», bitte!
Da fiel mir wie Schuppen von den Augen, welche Macht das Wort «Aber» hat, weil es den ersten Teil eines Satzes immer schmälert. Doch ein «Und» gibt beiden Teilen ihre Berechtigung, lässt zwei Gefühlslagen nebeneinander existieren. Wie oft rede ich mit den Kindern im «Aber». «Super, wie ihr bastelt. Aber jetzt räumt dann mal auf!» Ob vielleicht zuverlässiger aufgeräumt wird, wenn ich das «Aber» durch ein «Und» ersetze? Weil ich dann das eine nicht gegen das andere ausspiele, sondern beidem seine ehrlich gemeinte Wichtigkeit verleihe? Womöglich.
Sicher ist, dass die Frage, ob ich die Adventszeit nun mag oder nicht, seit diesen Gedanken für mich an Bedeutung verloren hat. Denn mit dem UND schliesst das eine das andere nicht mehr aus.
Denn ja – diese Zeit ist zauberhaft. UND manchmal auch voller Unruhe, zu viel Programm und Material. An Weihnachten gibt es glänzende Kinderaugen, feierliche Abende, schönes Zusammensein. UND es gibt genauso einsame Menschen, angebrannte Weihnachtsgänse, Kinder im Heim, Leute, die auf der Strasse leben. Es gibt erschöpfte Eltern, Familienzusammenkünfte, an denen sich nach dem dritten Eierpunsch ein unterschwelliger Konflikt über das Lametta legt. All das gibt es. Ohne «Aber». Sondern mit einem grossen UND zu all den märchenhaften Momenten, die einem diese Tage – gerade mit Kindern – ebenfalls bescheren.
Darum steht hinter meinem letzten Adventstörli der Wunsch, mehr im UND und weniger im ABER zu denken. Um dem Leben in seiner widersprüchlichen Vielfalt gerechter zu werden. Gerade mit Familie, wo die Befindlichkeit im Stundentakt ändern kann, dürfen wir alle auf ein befreiendes UND setzen, statt diese Feiertage in eine zwar schöne, aber auch beengende Schneekugel zu pressen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ganz schönen Festtage.
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