Trauerfeier für Samuel PatyEin Angriff auf das Herz der französischen Gesellschaft
Frankreich hat Abschied genommen von dem von einem Islamisten ermordeten Lehrer. Präsident Macron beschwor in seiner Rede die Entschlossenheit der Grande Nation, «die Freiheit zu verteidigen».
Als der Sarg von Samuel Paty in den Innenhof getragen wurde, begannen Hunderte vor der Pariser Universität Sorbonne zu applaudieren. Sie hatten gewartet, um dem Mann, dessen brutale Ermordung Frankreich seit Tagen erschüttert, Respekt zu zollen. Im Innenhof begann die nationale Gedenkveranstaltung, die der Élyséepalast gemeinsam mit Patys Familie organisiert hatte. Bevor Präsident Emmanuel Macron ans Rednerpult tritt, liest eine Frau ein Gedicht vor, das Gauvain Sers für Paty geschrieben hat. «Man gewöhnt sich wohl an die Tränen der Nation», beginnt es. Und endet: «Aber an den Unschuldigen, den man tötet, daran gewöhne ich mich nicht.»
«Ich werde heute Abend nicht über die Terroristen sprechen», sagte Macron, «sie haben es nicht verdient.» Er erzählte, dass Patys Wohnung einer Bibliothek glich: «Er mochte Bücher, mit denen er seinen Schülern ebenso wie seinen Nächsten den Geschmack der Freiheit vermitteln konnte.» Macron hob hervor, dass «jeder von uns» einen Lehrer kenne, der «nicht nur gelehrt», sondern «einen Weg geöffnet» habe. Paty sei getötet worden, «weil er die Republik verkörperte». Weil «die Islamisten unsere Zukunft wollen und weil sie wissen, dass sie diese niemals bekommen werden», solange es «stille Helden» wie Paty gebe. Frankreich werde weiter «die Freiheit verteidigen» und «niemals von den Zeichnungen, den Karikaturen ablassen».
«Jeder von uns» kennt einen Lehrer, der nicht nur gelehrt, sondern einen Weg geöffnet hat.»
Im Rahmen der Zeremonie wurde Paty mit der höchsten Ehrung Frankreichs ausgezeichnet, dem Orden der Ehrenlegion. Paty wurde 47 Jahre alt und hinterlässt einen fünf Jahre alten Sohn. Er war ermordet worden, nachdem im Internet eine Hetzkampagne gegen ihn gestartet worden war. Ein 18-jähriger Islamist enthauptete ihn und begründete dies in einer Bekennernachricht damit, dass Paty im Unterricht Mohammed-Karikaturen aus «Charlie Hebdo» gezeigt hatte. Paty wollte seinen Schülern den Wert von Meinungsfreiheit vermitteln.
Seit Anfang September in Paris der «Charlie Hebdo»-Prozess begonnen hatte, verzeichnete Frankreich eine Zunahme der terroristischen Bedrohung. Die Satirezeitschrift hatte zu Prozessbeginn die Mohammed-Karikaturen erneut veröffentlicht, unter dem Titel «Das dafür?», um daran zu erinnern, dass zehn Redaktionsmitglieder von Islamisten ermordet worden waren.
Fatale Logik der Eskalation
Im Verlauf des Prozesses wurde das Leben der aktuellen Chefin der Zeitschrift massiv bedroht, die Polizei musste sie aus ihrer Privatwohnung ausquartieren. Am 25. September versuchte ein Mann, der als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aus Pakistan nach Frankreich gekommen war, mit einem Metzgerbeil zwei Menschen zu töten, die er fälschlicherweise für Mitarbeiter von «Charlie Hebdo» hielt. Er begründete die Tat mit seiner muslimischen Religion: Die Karikaturen hätten ihn «wütend» gemacht. Seine Opfer überlebten schwer verletzt. Mit Patys Ermordung vollendeten die Terroristen ihre Eskalationslogik: Es muss eine immer noch extremere Schwelle der Gewalt überschritten werden, um sich Aufmerksamkeit zu sichern. Dass Frankreich diese Tat nicht mehr loslässt, liegt an ihrer extremen Grausamkeit. Und daran, dass ein Angriff auf die Schulen als Angriff auf das Herz der Gesellschaft empfunden wird.
Der Anti-Terror-Staatsanwalt Jean-François Ricard erklärte am Mittwoch, dass drei Freunde des Täters als dessen mutmassliche Unterstützer einem Richter übergeben worden seien. Einer hatte ihn am Vorabend des Angriffs beim Kauf des Messers begleitet, das zum Mordinstrument wurde. Dem Begleiter sei bewusst gewesen, dass der Täter radikal-islamistische Überzeugungen entwickelt hatte. Ein anderer fuhr den Täter mit dem Auto zur 90 Kilometer entfernten Schule Patys.
Auch gegen zwei Schüler wird ermittelt, 14 und 15 Jahre alt, die dem Täter halfen, Paty zu finden. Da er Paty nicht persönlich kannte, bot er Schülern 300 Euro an, wenn sie ihm den Lehrer zeigen. Er sagte, er sei wegen der Karikaturen gekommen und wolle Paty «demütigen und schlagen», so die Staatsanwaltschaft.
Ermittlungen belasten auch den Vater des Mädchens, der in Videobotschaften aufgerufen hatte, Paty «zu stoppen». Die 13-Jährige war Patys Schülerin, aber nicht im Unterricht, als die Karikaturen gezeigt wurden. Der Vater verbreitete laut Staatsanwalt Falschnachrichten, die Paty zur Zielscheibe von Islamisten machten. Das Innenministerium wertet die vom Vater losgetretene Internetkampagne als «Fatwa». Laut Staatsanwalt sei der Täter «direkt von den Nachrichten inspiriert» worden. Als dieser die Hetzvideos gesehen hatten suchte er mit dem Smartphone den Standort von Patys Schule. Es wurden Nachrichten gefunden, die er und der Vater des Mädchens zwischen dem 9. und 13. Oktober ausgetauscht hatten. Der Vater gibt an, den Tod Patys zu bedauern, hält es aber weiter für falsch, dass dieser die Karikaturen zeigte.
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