«Die Tourismusbranche ist leider immer noch unterbewertet in Rapperswil»
Am Donnerstag findet das vierte Tourismus Forum statt. Im Interview sprach der ehemalige Tourismus-Präsident Urs Hämmerle über touristische Perspektiven und Schweizer Gastfreundlichkeit.

Sie sind als Tourismus-Präsident zurückgetreten und haben ihr Hotel, den Speer, verkauft. Was verbindet sie immer noch mit dem Tourismus? Urs Hämmerle: Ich nehme den Tourismus mittlerweile nur noch als Gast wahr. Im Hotel Speer bin ich bei kleinen Problemen gelegentlich noch Ansprechpartner. Und wenn Stammgäste da sind, schaue ich gerne einmal auf einen Kaffee vorbei.
Nach drei Generationen und fast 95 Jahren Hotellerie haben sie Ende letzten Jahres das Hotel aus der Familie gegeben. Was überwiegt nun: Erleichterung oder Wehmut?Es überwiegt vor allem die Genugtuung, ein Lebenswerk in guten Händen zu wissen um weiterhin im Markt bestehen zu können. Wir hatten uns drei Jahre Zeit gegeben, um einen passenden Interessenten zu finden. Mit der Sorell-Gruppe fanden wir aber bereits letztes Jahr einen Schweizer Investor als Wunschkandidaten. Ich wollte nie ein Sesselkleber werden und die Frage hätte sich ohnehin irgendwann gestellt. So konnte ich das Unternehmen ohne Zwang abgeben.
Dann verfolgen Sie auch das Tourismus Forum nur noch passiv?Meine Aufgaben bei Zürichsee Tourismus habe ich abgegeben. Als Mitglied einer Arbeitsgruppe war ich aber letztes Jahr noch bei den Vorbereitungen für das Forum beteiligt. Bei der Themenwahl und der Suche nach interessanten Referenten, sowie bei der Objektwahl für die Veranstaltung war ich involviert. Ausserdem tausche ich mich nach wie vor gelegentlich mit meinem Nachfolger Simon Elsener aus.
Warum braucht es ein Tourismus Forum in Rapperswil?Die Tourismusbranche ist leider immer noch unterbewertet in Rapperswil. Das Tourismus Forum soll als Impulsgeber fungieren. Wir versuchen ein wenig, die Nase im Wind zu haben, und wollen aufzeigen, was den Tourismus aktuell bewegt. Die bestehenden Trends müssen den Menschen näher gebracht werden. Und Rapperswil und seine Tourismus Organisation sollten in dieser Hinsicht eine treibende Kraft für die gesamte Vernetzung der Zürichsee-Region sein.
Was ist mit kleineren Ortschaften. Kann gute Vernetzung einen schlechten Standort wettmachen?Nicht, wenn die Basis fehlt. Das heisst für uns, dass wir den Marketing-Schwerpunkt auf den Bereich Familien und Natur richten. Die Region rund um den Zürichsee ist sozusagen die blau-grüne Lunge von Zürich, und in diesem Bereich haben wir relativ viel zu bieten - sowohl für Einheimische als auch für Touristen. Was bisher noch fehlt, sind die richtigen Hotelangebote.
Birgt die verstärkte Vernetzung nicht auch die Gefahr der Beliebigkeit des Angebots?Das sehe ich nicht so. Wir bieten lediglich mehr Tourismusanbietern die Möglichkeit an, die Marke Zürich zu nutzen. Eine Aufgabe des Forums ist es ausserdem, ganz bewusst Qualität vor Quantität zu stellen - wie wir es in Rapperswil beim Blues n'Jazz Festival gemacht haben. Solange man keinen falschen Ehrgeiz entwickelt und authentisch bleibt, sehe ich da keine Gefahr.
Bringt die Marke Zürich mehr Touristen nach Rapperswil?Ja, durchaus. Wir haben auch mehr internationale Journalisten hier, die durch Zürich gefördert werden. Und im Gegenzug wird auch das Angebot der Stadt Zürich erweitert und interessanter gemacht.
Inwiefern können Redner wie der Kulturunternehmer Martin Heller als Impulsgeber für die Region dienen?Die Redner bieten Beispiele, wie man ein kulturelles Angebot richtig an den Mann oder die Frau bringt. Diese Ansätze sind nicht an eine bestimmte Region gebunden, aber auch hier ist Authentizität besonders wichtig. Manchmal geht es lediglich darum, den Besuchern des Forums den richtigen Schlüssel zu präsentieren, um eine Idee zu realisieren.
Der diesjährige Fokus liegt auf der Vermittlung von Kultur und Kunst. Reicht das kulturelle Angebot in Rapperswil denn aus?Ich denke schon. Aber die Kultur kann nicht für sich alleine stehen, sondern muss die Menschen ansprechen. Gerade die zeitgenössische, lokale Kultur besitzt nicht den gleichen Stellenwert wie sogenannte elitäre Kunst und zieht keine Massen an. Folglich muss man dem Besucher zusätzlich etwas bieten. Das Kunstzeughaus, das bewusst als Veranstaltungsort ausgewählt wurde, ist mit 6000 Besuchern und Subventionen von 600000 Franken noch nicht dort angelangt, wo es gerne hin möchte.
Das Forum findet nun zum vierten Mal statt. Welche Impulse konnte es der Region bislang geben?In diesem Zusammenhang erinnere ich mich besonders an den Beitrag von Michel Péclard am ersten Forum von 2014. Er hat das Augenmerk besonders darauf gerichtet, wie wichtig Innovation und Authentizität in der Gastronomie sind: Fisch vom Fischer, Brot vom Bäcker. Ich behaupte, das war ein Aha-Erlebnis für viele Gastronomen und Hoteliers. Und Kultur und Gastronomie liessen sich auch noch gut verbinden. Warum nicht beispielsweise ein Pop-up-Restaurant für eine gewisse Zeit im Kunstzeughaus aufmachen, um den Betrieb zu steigern und die Kundschaft zu erweitern?
Dennoch befindet sich die Hotellerie in Rapperswil in einer Krise. Warum ist es so schwierig, für traditionelle Häuser zu bestehen?Die Hotellerie befindet sich im Umbruch. Gerade an der Peripherie wünschen sich die Leute eine andere Art von Hotellerie, sprich Appartements, Mehrfachnutzungen. Wir haben aber gezeigt, dass man auch mit einem traditionellen Hotel Erfolg haben kann. Dass ein Hotel Schwanen an einer derart zentralen Lage einfach seine Tür schliesst, empfinde ich als Kapitulation vor der Aufgabe - Privatbesitz hin oder her. Als Hotelier in Rapperswil trägt man auch eine gewisse Verantwortung an die Stadt und die exponierte Lage dieses so schönen Hauses und sollte sich dessen bewusst sein.
Wie viel Innovation verträgt denn ein Traditionsunternehmen überhaupt?Alle zehn bis fünfzehn Jahre etwas Neues. So haben wir es im Hotel Speer auch gehalten. Nach dem Totalumbau 1995, haben wir zuletzt 2006 alle Hotelzimmer komplett erneuert. Das gleiche sollte auch in der Restauration gelten, alle zehn bis zwölf Jahre eine Erneuerung.
Nach 45 Jahren Hotellerie: Was hat sich verändert im Tourismus?Der Gast ist in allen Bereichen sensibler geworden. Es hat auch eine Rückbesinnung auf die eigene Region stattgefunden. Der Gast muss nicht mehr unbedingt überall hin. Es gibt so viele Perlen in der Schweiz zu entdecken.
Ist der Tourist auch bereit für Qualität einen höheren Preis zu bezahlen?Wir sind nun mal ein Hochpreisland. Eine Rezeptionistin in der Schweiz verdient vier Mal mehr als in Österreich, das lässt sich nicht ändern. Aber wer wirklich Qualität wünscht - und die Schweiz bietet Qualität- der sieht das auch. Der Gast hat ein gutes Gespür und merkt, ob etwas von Herzen kommt. Die Schweiz hat eine lange Tradition als Gastgeberland - Unfreundlichkeit kann man sich nicht erlauben.
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