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Die Statthalter sind am Anschlag

Delikte im Strassenverkehr gehören zum täglichen Brot der Statthalterämter. Sie sind überlastet.

Gerichtliche verfügte Park- und Fahrverbote missachten, Stoppsignale ignorieren und zu schnell fahren: Solche Delikte gehören ebenso wie Drogenmissbrauch, Schwarzfahren oder unerlaubte Geldspiele zur Kategorie der Übertretungen. Für sie sind im Kanton Zürich ausschliesslich die Statthalterämter zuständig. Die Staatsanwaltschaften hingegen kümmern sich um die schlimmeren Delikts-Kategorien der Vergehen und Verbrechen.

Bussen sind die Regel

Am Anfang der Arbeitskette steht jeweils die Polizei. Wird jemand bei einer Übertretung erwischt, erstellt sie einen Rapport zuhanden des Statthalteramtes. Zwölf solche Ämter gibt es im Kanton Zürich. «95 Prozent aller Fälle enden mit einer Busse», sagt Marcel Tanner. Er ist Vorsitzender der Statthalterkonferenz und selber Statthalter in Uster. Das Massengeschäft seien die Verkehrsdelikte. Sie machten rund 70 Prozent aller Fälle aus.

Die Arbeitslast der Statthalterämter ist in den letzten fünf Jahren um 30 Prozent auf 69 212 Fälle (2017) pro Jahr gestiegen. Dies zeigen Zahlen der Direktion für Justiz und Inneres. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zu den wichtigsten gehört das Bevölkerungswachstum, das logischerweise zu einer Zunahme der Delikte führt. Aber auch die Polzeikorps selber sorgen dafür, dass den Statthalterämtern die Arbeit nicht ausgeht: Sie sind personell meist besser dotiert als früher und arbeiten effizienter. Rapporte schreiben sie nicht mehr von Hand, sondern mit Tablets, so dass die Meldungen rasch zu den Statthalterämtern gelangen.

Effizentere Polizei

Mehr Polizisten, die effizienter arbeiten: Aus sicherheitspolitischer Sicht ist das erwünscht. Das Problem ist aber, dass bei den Statthalterämtern ein Engpass entsteht. Obwohl auch dort in den letzten fünf Jahren ein paar zusätzliche Stellen geschaffen worden sind, steigt der Pendenzenberg. Die Folge: «Die Bussen bleiben länger liegen», sagt Tanner. Das findet er keine gute Entwicklung, weil das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat leidet. Seiner Meinung nach sollte möglichst wenig Zeit verstreichen zwischen einem Delikt und der Strafe. Der schlimmste Fall für den Staat ist die Verjährung der Busse. Das ist bei Übertretungen in der Regel nach drei Jahren der Fall. «Solches kommt bis jetzt zum Glück erst selten vor», weiss Tanner.

Statthalterämter mit Gewinn

Dem Engpass bei den Statthalterämtern wäre am einfachsten mit zusätzlichem Personal beizukommen. Umso mehr, als zusätzliche Stellen in diesem speziellen Fall dem Staat nicht höhere Kosten verursachen, sondern mehr Einnahmen verschaffen. Die Bussen finanzieren die Stellen. Deshalb ist es den Statthalterämtern möglich, in die Staatskasse jedes Jahr rund 10 Millionen Franken Gewinn abzuliefern. Doch so einfach ist es nicht, Personal anzustellen. Seit 2016 versuchen die Statthalter, von SP-Regierungsrätin Jacqueline Fehr mehr Stellen zu erhalten. Fehr beantragte im letzten Budget 300 000 Franken für ein paar zusätzliche Teilzeitstellen auf den zwölf Ämtern. Doch die bürgerlichen Parteien verweigerten das Geld in der Budgetdebatte. Ums Sparen konnte es ihnen nicht gehen, da die Stellen finanziert gewesen wären. Antragsteller Philipp Kutter (CVP), Vertreter der Finanzkommission und Gemeindepräsident von Wädenswil, argumentierte, es sei störend, wenn sich der Staat mit Bussen finanziere.

Bei der Polizei ansetzen

Das Nein der Bürgerlichen kann Statthalter Tanner, selber Mitglied der SVP, nicht nachvollziehen: «Wenn der Kantonsrat weniger Bussen will, muss er anderswo ansetzen. Konsequenterweise müsste er die Polizisten dazu anhalten, bei Übertretungen und anderen Delikten einfach wegzuschauen.» Nur so gelangten weniger Rapporte zu den Statthalterämtern.

Um diese nicht in der Geschäftslast ertrinken zu lassen, hat Regierungsrätin Fehr provisorische Stellen in homöopathischer Dosierung bewilligt, befristet bis Ende 2018. Das Amt Hinwil erhielt gemäss einer Liste der Justizdirektion eine 80 Prozent-Stelle für einen juristischen Adjunkten und eine teilzeitliche Verwaltungssekretärin (30 Prozent). Für das Statthalteramt Uster gab es total 1,5 Stellen – für einen juristischen Mitarbeiter und eine Verwaltungsangestellte. Das Statthalteramt Horgen bekam ein 20 Prozent-Pensum für einen juristischen Mitarbeiter. Fürs Statthaleramt Zürich schauten ebenfalls 20 Stellenprozente heraus.

Diese vier Anträge bewilligte Fehr bereits im Juli 2017 und verlängerte sie später bis Ende 2018. Im Februar gab Fehr ausserdem Grünlicht für das Statthalteramt Bülach, und zwar für einen zusätzlichen juristischen Sekretär (100 Prozent). Dielsdorf erhielt einen 40 Prozent-Adjunkten. Auch diese Stellen sind bis Ende 2018 befristet. Fehrs Direktion weist ausdrücklich darauf hin, dass auch diese provisorischen Stellen keine Kosten verursachen, sondern Mehrerträge generieren.

Alle Ämter unter Druck

«Dank diesen Zugeständnissen könnten die Statthalterämter wieder einigermassen normal arbeiten», sagt Tanner. Nach wie vor seien aber alle zwölf Ämter personell unter Druck – die einen mehr, die anderen weniger. Es zeichne sich bereits ab, dass es Ende Jahr wieder zu einem Notstand komme. «Der Stellenetat muss aufgestockt werden; wir sind deswegen mit Justizdirektorin Fehr im Gespräch», sagt Tanner. Die Frage ist, ob Ende Jahr die bürgerlich dominierte Finanzkommission mit sich reden lässt: CVP-Fraktionschef Kutter sagt: «Wenn die Statthalterämter glaubhaft darlegen können, dass die Geschäftslast gestiegen und mit effizientem Arbeiten nicht zu bewältigen ist, kann man sicher mit uns reden.» Die Begründung letztes Jahr habe nicht überzeugt.

Zitrone ausgepresst

Zu den bürgerlichen Vertretern im Kantonsrat, die gegen den letztjährigen Kürzungsantrag stimmten, gehört Armin Steinmann (SVP). Er ist Statthalter in Horgen. Auch er versteht seine bürgerlichen Kollegen nicht. «Der Rechtsstaat muss funktionieren. Es ist nicht im Sinne der Bürger, wenn Bussen wegen Personalmangels lange herumliegen.» Steinmann findet, innerhalb dreier Monate sollten die Fälle erledigt werden können. Momentan gehe das nur knapp. «Die Zitrone ist ausgepresst, wir arbeiten schon lange effizient.» Letztes Jahr hätten die Fallzahlen in Horgen einen Rekordstand erreicht. Gehe es weiter so, gebe es 2018 erneut einen Rekord. «Dagegen können wir nichts machen, wir sind fremdgesteuert.»

Qualität in Gefahr

Eine ähnliche Diagnose stellt Fridolin Kreienbühl, Statthalter in Hinwil und Mitglied der CVP. «Wir wollen unsere Arbeit korrekt und in guter Qualität erledigen», sagt er. Die massiv gestiegene Geschäftslast mache das immer schwieriger.