Grosser Club, grosse FragenDie schwierige Selbstfindung von GC
Sky Sun war als Präsident praktisch unsichtbar – sein Rücktritt sorgt trotzdem für verstärkte Diskussionen, wie es mit dem aus China finanzierten Club weitergehen soll.
Er ist nicht Peter Pan. Auch nicht Kill Bill. Er ist Bill Pan und nach Sky Sun der Nächste aus dem riesigen Fosun-Konzern mit einem eingängigen Namen, der sich nach Niederhasli verirrt hat.
Als Sun am vergangenen Sonntag Vizepräsident András Gurovits über seinen Rückzug als Präsident der Grasshoppers unterrichtete, sass Pan an seiner Seite. Pan ist Suns Vorgesetzter bei Fosun, wo er im Verwaltungsrat sitzt und zuständig für den Sport ist. Drei Wochen soll er nun hier bleiben. Er tut das mit dem Auftrag, eine Bestandsaufnahme zu machen und dann nach China zu melden, was für einen reibungslosen Übergang zu einem Nachfolger von Sky nötig ist. So sagt das Gurovits.
Am Donnerstagabend traf sich Gurovits mit Sun zu einem «Farewell-Dinner» in einem chinesischen Lokal. Am Freitag kommt er schon wieder mit Pan zusammen. Im dreiköpfigen GC-Verwaltungsrat ist er der Vertreter des alten GC und nun der erste Ansprechpartner Pans.
Seit Fosun, genau genommen die Champion Union HK Holdings Limited mit Jenny Wang als Pro-Forma-Präsidentin, vor bald drei Jahren für 8 Millionen Franken 90 Prozent der Aktien übernommen hat, wird GC zunehmend ohne grosse Emotionen begleitet, eher gleichgültig. Die letzten drei Heimspiele im Letzigrund lockten insgesamt 15’300 Zuschauer an, dabei hiessen die Gegner YB und zweimal Basel.
Vielleicht schafft es Gurovits, der Anwalt von der Bahnhofstrasse, Pan davon zu überzeugen, was GC wieder braucht: mehr Gefühle, mehr Nahbarkeit. Dass Fosun den Verein vor dem Untergang und freiwilligen Rückzug aus dem Profifussball bewahrt hat und dass es seither die Rechnungen pünktlich begleicht, das ist das eine. Das andere ist, dass mit ihm Identität und Identifikation verloren gegangen sind. GC wird nicht mehr als Zürcher Club wahrgenommen, sondern als fremdbestimmtes Gebilde. Das Akzeptanzproblem ist offensichtlich.
Was ist die Wahrheit?
Für mehr Emotionen und mehr Nähe braucht es nicht nur Suns Gerede davon, bis 2025 national wieder zur Spitze zu gehören. Es braucht auch den Nachweis des Willens, auf Schweizer Gesichter zu setzen. Newcastle United ist dafür ein gutes Beispiel. Der Club gehört zwar zu 80 Prozent einem saudischen Staatsfonds, aber es sind Engländer, die ihn führen. Und diese Engländer haben eine Strategie, wie sie bei GC nicht ersichtlich ist.
Womit ein Problem erst zu beheben wäre: Wer könnten diese Gesichter überhaupt sein? Mit Ilja Kaenzig gäbe es durchaus einen Kandidaten, weil er seine Karriere als Funktionär einst auf dem Hardturm begann, als es den noch gab. Nur ist er heute als Geschäftsführer sehr zufrieden in Bochum.
Sky Sun war während seiner Präsidentschaft regelmässig monatelang abwesend, daheim in Shanghai. Wenn Bernt Haas als Sportchef sagt, er habe immer seine Zeitfenster für Gespräche mit Sun gehabt, tönt das nett. Aber das hat dem Club nicht weitergeholfen. Dass Sun nun familiäre Gründe für seinen Rückzug anführt, tönt auch nett. Die Wahrheit muss es nicht sein. Vielleicht besteht auch die Möglichkeit, dass Fosun berechtigte Zweifel an der Eignung Suns für das Amt bekommen hat. Oder dass er Transfers machte, ohne den Mutterkonzern zu informieren. Genau wird das bei GC keiner je erfahren.
Gurovits verlässt sich auf die Version Suns, dass er sich mehr um seinen dreijährigen Sohn kümmern wolle. Er macht das, wie er sich immer auch auf die Auskünfte Suns verlassen hat, was das Engagement von Fosun in Zürich betrifft. Für fünf Jahre hat sich der Konzern verpflichtet, mit einer Option für weitere fünf Jahre.
Was will Fosun eigentlich mit GC, ausser Löcher von 11 Millionen Franken zu decken wie nach der letzten Saison?
«Wollt ihr verkaufen?», fragte Gurovits wiederholt. «Nein», antwortete Sun ebenso oft im Namen von Fosun. Die Frage steht nun einmal mehr im Raum: Was will Fosun eigentlich mit GC, ausser Löcher von 11 Millionen Franken zu decken wie allein nach der letzten Saison? Und was will es angesichts von 90 Milliarden Dollar an Verbindlichkeiten, die es trotz erheblicher Vermögenswerte abtragen muss?
Auf dem Papier konnte die Idee des Einstiegs aus Sicht der Chinesen noch sinnvoll sein. Sie besassen schon die Wolverhampton Wanderers und zudem 49 Prozent an der Agentur Gestifute von Jorge Mendes, der prominente Spieler im grossen Stil vermittelt. Die Idee war: Die Wolves leihen Spieler nach Zürich aus, um sie hier entweder auszubilden oder wieder aufzupäppeln. Andererseits kauft GC Spieler viel kostengünstiger ein, als das für die Wolves aus der Premier League möglich wäre, und gibt sie ihnen dann weiter.
Gibt es überhaupt Käufer?
Das war das Papier. Die Realität ist eine andere. Toti Gomes ist der Einzige, der via GC den Sprung zurück nach Wolverhampton geschafft hat. Da ist er allerdings seit einem Jahr nicht mehr als ein Kurzarbeiter. Und wer sonst aus den englischen Midlands nach Niederhasli gefunden hat, der hat sehr selten sportlich einen Gewinn für GC dargestellt.
Hayao Kawabe ist eine dieser Ausnahmen. Im Sommer läuft der Vertrag aus, mit dem der Japaner von Wolverhampton an GC ausgeliehen ist. Es ist nun gut möglich, dass er im Sommer nach England zurückkehrt und dann gleich mit Gewinn weiterverkauft wird. «Wieso nicht für drei, vier Millionen nach Spanien?», sagt Trainer Giorgio Contini.
Wollt ihr verkaufen, hat Gurovits also wissen wollen. Die andere Frage ist dabei auch immer: Wer soll den Club übernehmen und ihn auf dem Weg zur Selbstfindung begleiten?
2020 gab es keinen Konkurrenten zu Fosun, den die alten Besitzer Stephan Anliker und Peter Stüber ernsthaft in Betracht gezogen hätten. Schon gar keinen aus dem alten Zürcher Geldadel. In der Zwischenzeit sollen sich vier Interessenten gemeldet haben. Es soll auch eine Gruppe jüngerer Zürcher Unternehmer geben, die ein Herz für GC haben und sich irgendwann ein Engagement vorstellen können.
Wer weiss schon, wie ernsthaft das alles ist. Viel wird geredet, im Fussball grundsätzlich und bei GC in diesen Tagen der Ungewissheit erst recht. Das gilt auch, wenn es um die Zukunft von Contini geht. Sein Vertrag ist auf sechs Monate hinaus kündbar, die finanzielle Belastung für den Club ist also überschaubar, wenn er sich von ihm trennen sollte.
Contini soll gesagt haben, er wäre sofort weg, wenn er ein Angebot hätte. Er soll sich via Berater bei Lugano ins Gespräch gebracht haben. Er soll dies und das getan haben. Er hört sich diese Spekulationen an und sagt: «Ich habe mit keinem anderen Verein Kontakt gehabt und mich immer zu 100 Prozent zu GC bekannt.»
Nach einem schönen Start in diese Saison mit 12 Punkten aus 7 Spielen hat GC aus den nächsten 13 Spielen nur 12 Punkte gewonnen. Zuerst lief einiges für die Mannschaft, danach weniger. Das Tabellenende ist nahe (wie es in dieser speziellen Liga aber auch ein Platz im Europacup ist). Contini tut sich nicht leicht, die Mannschaft so zu entwickeln, dass Fortschritte wirklich erkennbar wären. Wer mit ihm redet, der spürt, dass ihn die Situation nervt.
Was passiert mit Contini?
Nach den Verlängerungen mit Amir Abrashi und Tsiy Ndenge haben noch 14 Spieler wie Kawabe, André Moreira oder Petar Pusic einen Vertrag, der im Sommer ausläuft. Das ist sehr viel und erschwert die Planung massiv. Contini hat mit Sportchef Haas eine Auslegeordnung gemacht, wie es mit den einzelnen Spielern weitergehen soll. Was in China davon gehalten wird, ist so offen wie die Zukunft von Contini.
In diesem Winter wünschte er sich einen neuen Mittelstürmer, um den langfristigen Ausfall von Francis Momoh kompensieren zu können. Er hatte seine Ideen, wie er schon länger seine Ideen hat, mit welchen Spielern er die Mannschaft stabilisieren könnte. Am Ende bekommt er die Wünsche nicht erfüllt, «am Ende sagt irgendwer Nein», erklärt er. Er muss es hinnehmen. Und tut das, ohne Strahlen im Gesicht.
Sonntag ist Derby-Tag in Zürich, GC gegen den FCZ. «Wir sind klarer Favorit», sagt Contini und versteht das als Scherz. «Wir müssen über uns hinauswachsen», sagt er auch. Das meint er nun ernst.
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