Joe Bidens SteuerplanDie Rechnung für Vermögende könnte heftig werden
Vermögende Amerikaner verstecken 20 Prozent ihres Einkommens vor dem Fiskus. Nun will Präsident Biden die Steuerbehörde stärken.

Die besten Chancen im Steuerpaket der Regierung Biden hat nicht die höhere Belastung der Einkommen, sondern eine Investition in die Steuerbehörde IRS. Sie war in den letzten Jahren gezielt geschwächt worden. Audits der vermögenden Amerikaner wurden vernachlässigt, und das dürfte den Staat rund 750 Milliarden Dollar Steuereinnahmen gekostet haben.
Die Chancen, dass das Steuerpaket von 1,8 Billionen Dollar den Kongress unbeschadet übersteht, sind praktisch null. Somit wird Biden Abstriche an seinem ehrgeizigen «Amerikanische-Familien-Plan» machen müssen. (Lesen Sie hier die Analyse zu Bidens ersten 100 Tagen.)
Obwohl eine Mehrheit der Amerikaner höhere Steuern für die Reichen unterstützt, wird es schwerfallen, eine Mehrheit im Kongress zu finden. Es sind nicht nur die Republikaner, die das Steuerpaket zurückweisen. Auch demokratische Parlamentarier sperren sich, weil sie fürchten, einflussreiche Topverdiener in ihren Wahlkreisen zu verärgern und zu verlieren.
Biden braucht einen Kompromiss
Die Rechnung für die Vermögenden würde tatsächlich heftig ausfallen. Zunächst drohen ihnen ein höherer Maximalsteuersatz und eine auf 39,6 Prozent verdoppelte Belastung von Kursgewinnen an der Börse. Dazu kommen aber noch hohe Einkommenssteuern in 13 vorwiegend demokratischen Bundesstaaten. Die Gesamtbelastung würde so auf über 50 Prozent steigen, am höchsten in Kalifornien auf über 56 Prozent.
Treffen würde das insbesondere Hedgefonds- und Private-Equity-Manager, exakt jene Geldgeber, auf die die Demokratische Partei seit je angewiesen ist. Somit ist für demokratische Strategen klar, dass Biden einen «intra-demokratischen Kompromiss» erzielen muss, wenn er eine Chance haben will, im Kongress eine akzeptable Lösung zu finden.
In diesem Kontext sehen die Chancen für den Vorschlag am besten aus, die Steuerbehörde IRS mit 80 Milliarden Dollar aufzurüsten. Der konservative demokratische Senator Joe Manchin spielt dabei eine zentrale Rolle, hat er es doch in der Hand, mit seiner Stimme im 50 zu 50 geteilten Senat das Programm zu Fall zu bringen.
Er erklärte sich bereit, die 80 Milliarden Dollar für die IRS zu bewilligen, vorausgesetzt, dass die Steuererhöhungen erst später diskutiert würden. Dahinter dürfte die Idee stecken, mit einer massiv verstärkten Durchsetzung der Steuervorschriften sowie mehr Audits der Reichen mehr Geld zu generieren als mit Steuererhöhungen.
Vermögensverwalter überschwemmt
Tatsächlich rechnet Biden damit, mit der aufgerüsteten IRS in zehn Jahren 700 Milliarden Dollar an bisher entgangenen Einnahmen sichern zu können. Damit könnten 40 Prozent seines Sozialprogramms finanziert werden. Nach Angaben der Budgetkommission des Kongresses musste die finanziell kurzgehaltene Steuerbehörde seit 2010 ein Fünftel des Personals abbauen und konnte ein Drittel weniger vermutete Steuerflüchtlinge verfolgen. Die Zahl der Audits sank sogar um 46 Prozent, wovon Reiche am meisten profitiert haben.
«Die Leute realisieren erst jetzt, da der Fiskus zugreifen will, wie viel Geld sie gemacht haben.»
Dennoch geht unter den reichen Amerikanern die Sorge wegen höherer Steuern bereits seit einem Jahr um. Es habe begonnen, als Bernie Sanders die besten Chancen zu haben schien, die Nomination als Präsidentschaftskandidat zu gewinnen, sagt Mike Kosnitzky. Co-Chef der Vermögensberatung der über 150 Jahre alten Anwaltskanzlei Pillsbury. «Seither wurden wir mit besorgten Anrufen überschwemmt.» Viele hätten während der Corona-Krise massive Börsengewinne gemacht und gehörten nun plötzlich zu den Topverdienern, auf die Bidens Steuerpläne abzielen.
«Die Leute realisieren erst jetzt, da der Fiskus zugreifen will, wie viel Geld sie gemacht haben», sagt Vermögensschätzer Michael Salvatore. Er redet von einer panikartigen Reaktion, und auch Steueranwalt Joseph Marion in Rhode Island berichtet von «einer unglaublichen Panik. Weil sie so schnell reich wurden, haben sie nicht über die Steuerfolgen nachgedacht.»
Wahlversprechen eingelöst
Drei Ausweichstrategien werden diskutiert: Verkauf der Aktien mit den höchsten Gewinnen, bevor der verdoppelte Steuersatz greift. Einfrieren der Gewinne in Stiftungen, die von den Erben steuergünstig aufgelöst werden können. Und Investitionen in steuerbefreite «Opportunity Zone Funds», die mit Immobilien von Leuten mit tiefen Einkommen spekulieren.
Mit dem Steuerpaket löst Biden ein Wahlversprechen ein, wonach Kapitalgewinne nicht länger gegenüber Arbeitseinkommen privilegiert werden sollen. Der Plan, Investitionsgewinne stärker zu belasten, zielt auf das Kernproblem, dass die reichsten Amerikaner in den letzten Jahren noch reicher geworden sind und sich die Kluft zu allen anderen Einkommen vergrössert hat. Das reichste Prozent kontrolliert über 50 Prozent der Aktien, und die nächsten 9 Prozent über ein Drittel. Demgegenüber ist der Anteil für die restlichen 90 Prozent seit 20 Jahren stetig auf noch gut 10 Prozent gesunken. (Lesen Sie hier die Analyse zu Bidens Amtsantritt.)
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