Der Kampf ums Weisse HausDie denkwürdigsten TV-Duelle der US-Geschichte
Nixons Schweiss, Fords Aussetzer, Reagans Witz, Trumps Angriff: Der öffentliche Schlagabtausch der Kandidaten sorgt immer wieder für erinnerungswürdige Momente. Ein Blick zurück.
Nichts hat die amerikanische Präsidentschaftswahl so verändert wie der TV-Showdown. Alle vier Jahre versammelt sich die Nation vor dem Fernseher und schaut, wie sich die Kandidaten der beiden grossen Parteien präsentieren. Der Schlagabtausch in den US-Wohnzimmern ist Teil eines Wahlkampfs, der stark von Elementen des Sports geprägt ist: einer Vorliebe für Zweikämpfe und Statistiken. Über die Aussagekraft lässt sich auch rund um das Duell Biden vs Trump streiten (Wir tickern in der Nacht auf Mittwoch live ab 3.00 Uhr). Doch in der Vergangenheit haben die TV-Debatten den Wahlausgang mehr als einmal entscheidend beeinflusst.
Kennedys Glanz, Nixons Schweiss
Seit dem ersten TV-Zweikampf zwischen John F. Kennedy und Richard Nixon 1960 besteht ein Mythos: Der Eindruck, den die Kandidaten hinterlassen, ist wichtiger als die Aussagen. Während Nixon am Ende der Debatte bei den Radiohörern vorn liegt, küren die 66 Millionen TV-Zuschauer mehrheitlich Kennedy zum Sieger. Der zuvor eher unbekannte Demokrat wirkt im Fernsehen erholt, jugendlich charmant und sieht blendend aus. Ein kränklicher Nixon bestreitet die Debatte dagegen unrasiert und schwitzt im Scheinwerferlicht des Studios heftig. Schminke hält er für unmännlich, sein grauer Anzug scheint mit dem Hintergrund zu verschmelzen.
Kennedy wird zum 35. US-Präsidenten gewählt – und zum ersten «Fernsehpräsidenten». Nixon schreibt später in seinem Buch «Sechs Krisen» über die Erfahrung: «Ich hätte mich daran erinnern müssen, dass ein Bild mehr wert ist als tausend Worte.»
Ford redet sich ums Präsidentenamt
Nach 16 Jahren ohne weitere TV-Debatte zeigt Gerald Ford, dass auch ein inhaltlicher Patzer einen Präsidenten das Amt kosten kann. Dabei punktet er gegen Jimmy Carter in der ersten TV-Debatte zur Innenpolitik. Der Vorsprung seines demokratischen Herausforderers schmilzt. In der zweiten Debatte zur Aussenpolitik macht sich Ford vor einem Millionen-Publikum lächerlich. Er sagt den Satz, der die Wahl mitentscheidet: «Es gibt keine sowjetische Vorherrschaft in Osteuropa, und es wird sie unter einer Regierung Ford nie geben.» Und das im Kalten Krieg.
Moderator Max Frankel ist sichtlich schockiert, Fords demokratischer Herausforderer Jimmy Carter kann sein Glück kaum fassen. Zumal der Präsident selbst auf Nachfrage hin auf der falschen Aussage beharrt. Trotz des Fauxpas kann Ford bis zuletzt hoffen. Am Ende fehlen ihm zwei Prozentpunkte zur Wiederwahl.
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Der alte Mann und der Jugend-Witz
Mit Spontaneität, Witz und Charisma kann man in TV-Duellen jederzeit punkten. Seine langjährige Erfahrung als Schauspieler verhilft dem Republikaner Ronald Reagan 1980 nicht nur zum TV-Sieg gegen den wegen der Geiselkrise im Iran angeschlagenen Jimmy Carter, sondern sichert ihm vier Jahre später auch die Wiederwahl. Reagan weiss, dass die Presse vor dem Duell mit Walter Mondale vor allem eine Frage beschäftigt: Ist er als 73-Jähriger zu alt für eine zweite Amtszeit? (Zum Vergleich: Donald Trump ist 74, Joe Biden 77 Jahre alt.)
Aussenseiter Mondale schlägt sich wacker in der ersten Debatte gegen den erschreckend matt wirkenden Reagan. Doch der Präsident kontert im zweiten TV-Duell: «Ich werde das Alter in meiner Kampagne nicht thematisieren», sagt Reagan. «Und ich werde nicht die Jugend und Unerfahrenheit meines Kontrahenten für politische Zwecke ausnutzen.» Selbst Mondale muss nach dieser Aussage lachen. Später sagt der Demokrat dem Fernsehsender PBS: «Nach diesem Duell wusste ich, meine Kampagne ist vorbei – und das war sie auch.»
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Die tödliche Frage
Manchmal entscheiden auch Fragesteller die Wahl indirekt mit. Der Republikaner George Bush geht 1988 mit leichtem Vorsprung ins zweite TV-Duell mit Michael Dukakis. Dort wendet sich Bernard Shaw von CNN an den Demokraten und erklärten Gegner der Todesstrafe. Seine Frage ist fies: «Wenn ihre Frau Kitty Dukakis vergewaltigt und ermordet würde, wären Sie für die Todesstrafe für den Mörder?» Das TV-Publikum erwartet nun ein bisschen Drama und Herzschmerz. Dukakis soll der TV-Nation seine Gefühle als Ehemann zeigen.
Stattdessen doziert der Gouverneur von Massachusetts darüber, warum er gegen die Todesstrafe ist. Den Ruf des gefühlskalten Politikers wird er danach nicht mehr los. Ob zu Unrecht, oder nicht. Er verliert die Wahl. Später wird er im Buch «Tension City» von Jim Lehrer sagen: Das Thema Todesstrafe sei in seiner politischen Karriere tausendmal aufgekommen. «Leider habe ich so geantwortet, als ob ich zum tausendsten Mal danach gefragt worden wäre.»
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Die Uhr des Anstosses
1992 treten gleich drei Kandidaten zum TV-Duell an. Neben dem unpopulären Amtsinhaber George Bush sind das der exzentrische Milliardär Ross Perot und Bill Clinton. Bush willigt nur widerwillig in das TV-Duell ein. Sein Auftritt kostet ihn weitere Sympathien. Die Fernsehkamera fängt ihn ein, als er auf die Uhr schaut. Es wirkt, als hoffe der Republikaner inständig auf ein baldiges Ende der Show – was er im Nachhinein bestätigt.
Clinton hingegen kann mit seinem Auftritt punkten. Nachdem seine Kontrahenten bei einer Frage aus dem Publikum nicht überzeugen, stellt sich der spätere Präsident an den Rand der Bühne und antwortet der Fragestellerin direkt. Das festigt Clintons Ruf als Politiker mit Einfühlungsvermögen. Zur Wahl verhilft ihm auch Ross Perot. Der Texaner holt rund 19 Prozent der Stimmen – so viele wie kaum ein Unabhängiger vor ihm. «Bei jedem Anlass, an dem Perot dabei war – speziell in den TV-Debatten – war Bush nicht auf der Höhe», sagt dessen frühere Top-Strategin Mary Matalin.
Die Seufzer des Alleswissers
Es ist einer der engsten Wahlausgänge der US-Geschichte und die Legende will es, dass ein Seufzer eine Rolle spielt. Al Gore und George Bush junior schenken sich 2000 in der TV-Debatte nichts. Beide sind gut vorbereitet, Bush hat bereits ein halbes Jahr vor dem TV-Duell mit den Proben begonnen. Gore gilt als intellektuell überlegen. Er verärgert aber viele Zuschauer mit seinem Mienenspiel, das dank dem Einsatz von Split-Screens am TV bestens zu sehen ist. Während Bush spricht, schüttelt er wiederholt den Kopf, verdreht die Augen und seufzt, als sei er über alle Massen genervt.
Kostet ihn diese Überheblichkeit am Ende die Wahl? Zwei von drei Polls sehen ihn unmittelbar nach dem Ende der Debatte als Sieger. Danach legt Bush innert einer Woche entscheidend zu. «Die Leute scheinen Professor Alleswisser überdrüssig zu sein», schreibt das «Time» -Magazin über Gore. Am Ende holt er 500’000 Wählerstimmen mehr als Bush – und wird doch nicht Präsident. Sein Gegner gewinnt die nötigen Elektorenstimmen.
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Sex, Lügen, Schmutzwäsche
Mehr Dreck hat wohl niemand vor einer Fernseh-Debatte aufgewühlt. Wahlkampfmanager Steve Bannon organisiert vor Donald Trumps zweitem Duell 2016 mit Hillary Clinton eine Pressekonferenz mit mehreren Frauen auf, die angeblich von ihrem Gatten Bill sexuell belästigt wurden. Clinton steckt die Demütigung weg und geht aus allen drei TV-Duellen als Siegerin hervor. Doch Trump gelingt es immer wieder, den Fokus auf Felder zu lenken, in denen die Demokratin nicht gut aussieht. Er schmeisst dabei so sehr mit Schmutz, dass diese Zeitung bereits nach dem zweiten TV-Duell titelt: «Tiefer geht es nicht mehr».
Die Welt fragt sich, hat dieser Mann den richtigen Charakter für das Weisse Haus? Die meisten Experten kommen zu einem klaren Schluss: Nein! Sie gehen von einem deutlichen Wahlsieg Clintons aus – und irren sich gewaltig. Trumps Beispiel zeigt, was von einer Harvard-Studie aus dem Jahr 2019 gestützt wird : Die Aussagekraft von TV-Debatten ist nicht so hoch, wie gern behauptet wird.
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Podium: Donald Trump ist der umstrittenste Politiker der Gegenwart. Im November stellt er sich der Wiederwahl. Wie sind seine Chancen? Wie ist seine Bilanz? Wird ihn Joe Biden schlagen? Und vor allem: Was bedeutet es für die USA und die Welt, wenn Trump vier weitere Jahre regiert? Darüber debattieren Elisabeth Bronfen, Anglistikprofessorin an der Universität Zürich, Christof Münger, Ressortleiter International beim «Tages-Anzeiger», Markus Somm, Publizist. Sonntag, 18. Oktober 2020, Kaufleuten, Pelikanplatz, Zürich. Türöffnung 19 Uhr, Beginn 20 Uhr. Ermässigter Eintritt mit Carte Blanche.
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