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Streiks in der ganzen Schweiz
Die Klimajugend ist zurück

An den Klimastreiks am Freitag sollen wieder Aktivistinnen und Aktivisten in den Schuhen stehen. Schuhdemonstration am 24. April anlässlich des internationalen Klimastreiks auf dem Sechseläutenplatz in Zürich.
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Es war während der letzten Herbstsession, als von der Zuschauertribüne des Nationalratssaals ein Transparent entrollt wurde und Zuschauerinnen und Zuschauer zu singen begannen. «The Final Countdown» und als Zugabe das italienische Partisanenlied «Bella Ciao». Dann schritt der Bundessicherheitsdienst ein. Er rollte das Transparent ein und wies die Sänger weg. Es waren Klimaaktivisten. Sie wollten darauf aufmerksam machen, dass die Emissionen bereits per Ende 2020 reduziert werden müssen, wenn die Klimaerwärmung nicht stärker als 1,5 Grad steigen soll.

Mit solchen Aktionen muss das Parlament auch während der kommenden Session rechnen, die am Montag beginnt. Die Aktivistinnen und Aktivisten der Gruppierung Klimastreik planen in Bern eine «Aktionswoche» – und zwar genau während der dritten Sessionswoche des Parlaments. Damit es greifbar ist, wie der Zürcher Klimaaktivist Andri Gigerl sagt. «Wir wollen in Bern stören, damit sich etwas ändert.»

Trainingscamps für Aktivisten

Das letzte Mal hörte eine breitere Öffentlichkeit am 15. Mai von den Klimaaktivisten. An diesem Tag war ein nationaler Klimastreik geplant, der breit mobilisieren und möglichst gross werden sollte. Stattdessen führten Aktivisten Pandemie-bedingt Mikrodemos durch – Grüppchen von höchstens fünf Personen demonstrierten an verschiedenen Orten für das Klima, mit Schildern und Abstand. Aber selbst sie wurden von der Polizei weggewiesen. Es galt das Versammlungsverbot.

Wenn sich die Aktivistinnen und Aktivisten nun zurückmelden, müssen sich die Ratsmitglieder auf ungemütlichere Aktionen gefasst machen als auf Gesangsdarbietungen – nun sprechen die Aktivisten von «zivilem Ungehorsam». Sie planen nicht mehr nur Demos und Schulstreiks, sie trainieren ihre Mitstreiter auch in Camps für Aktionen. Sie sollen weiterhin gewaltfrei sein, aber nicht mehr zwingend regelkonform. Damit zielten sie vor allem auf Menschen mit Macht, wie Andri Gigerl sagt. Auf Wirtschaftsführer und Politikerinnen und Politiker, weniger auf die Zivilbevölkerung.

«Wir haben nun zwei Jahre lang gestreikt und demonstriert, viel gebracht hat es aber noch nicht.»

Lena Bühler, Berner Aktivistin

Welcher Art die Aktionen sein werden, wollen sie nicht verraten. Andere Aktivisten blockierten schon den Rheinhafen in Birsfelden oder spielten in einer Bankfiliale Tennis. Im Camp lernen die Teilnehmenden, wie sie sich am besten ausrüsten, worauf sie während der Aktion achten müssen – und welches ihre Rechte sind.

«Wir haben nun zwei Jahre lang gestreikt und demonstriert, viel gebracht hat es aber noch nicht», sagt Lena Bühler, Berner Aktivistin und Gymnasiastin. Ihrer Ansicht nach sind bloss symbolische Zeichen gesetzt worden, etwa, dass der Bundesrat das Klimaziel netto null bis 2050 in die Verfassung schreiben will. Tatsächlich würden aber nach wie vor zu viele Treibhausgase in die Luft emittiert. «Es braucht viel Zeit, bis wirklich etwas passiert, aber die haben wir nicht», sagt sie. Aus diesem Grund wollen die Aktivisten nun den Druck erhöhen und zu schärferen Massnahmen greifen.

Sie arbeiten nun auch enger mit anderen Klimaorganisationen zusammen, mit Greenpeace, Extinction Rebellion oder Collective Climate Justice. Anders gesagt: Sie professionalisieren sich. «Sie haben viel mehr Erfahrungen mit Aktionen als wir. Durch den Austausch haben wir ein viel grösseres Potenzial», hofft Lena Bühler.

Benutzt und im Stich gelassen

Innerhalb der Bewegung gehen die Meinungen darüber auseinander, ob sie weiterhin auf die etablierten Parteien setzen oder ihre Ziele ohne sie erreichen wollen und ihre Bewegung nur noch von unten, mit lokalen Klimagruppen, stärken wollen. «Wir fühlen uns von den Parteien benutzt und im Stich gelassen», sagt Andri Gigerl. Die grünen Parteien hätten massiv von der Klimabewegung profitiert und bei Parlamentswahlen viele Sitze gewonnen. Nun aber scheuten sich Grüne und SP-Vertreter, ihre Forderungen in die Parlamente zu tragen. Sie waren ihnen zu radikal.

Die Aktivisten wollten etwa die Arbeitszeit generell kürzen oder Hausbesitzer verpflichten, eine Solaranlage auf ihr Dach zu montieren, wo dies sinnvoll ist. Auch beim CO2-Gesetz hätten sich die Parlamentsmitglieder zu schnell zufrieden gegeben. So wollen die Aktivisten mit ihren Aktionen während der Session vor allem linke Parlamentsmitglieder in die Pflicht nehmen.

Am Freitag führen die Aktivisten nun in 17 Städten und Gemeinden Demonstrationen durch, und zwar nicht nur wie bis anhin in den grösseren Städten wie Bern, Basel, Zürich, Genf, Lausanne, Luzern, Biel, Freiburg, Neuenburg oder St. Gallen, sondern auch in kleinen Städten, in Davos, Delsberg, Interlaken, Olten, Schaffhausen oder Uster. In Altdorf findet gar zum ersten Mal überhaupt eine Klimademo statt.