Kultfilm «The Shining»Die Geheimnisse des Horror-Hotels
Filmemacher und Autor Lee Unkrich ist seit früher Jugend besessen von Stanley Kubricks Film mit Jack Nicholson. Jetzt verrät er Wissenswertes und Kurioses über den Streifen.
Filmemacher Lee Unkrich, der zum oscargekrönten Kernteam von Pixar («Toy Story») gehört, hat eine Obsession: den Horrorfilm «The Shining» (1980) von Stanley Kubrick. Der Film liess ihn selber zum Regisseur werden – aber auch zum Sammler aller Bilder und Skripte, Skizzen und Notizen, Erinnerungen und Zeugenaussagen rund um das Meisterwerk.
Die Story eines verhinderten Schriftstellers (Jack Nicholson), der sich mit Frau und Sohn als einsamer Winterwächter eines Luxus-Grandhotels in den zugeschneiten Bergen Colorados verdingt und von den Geistern des Hauses in einen mörderischen Wahnsinn getrieben wird, lässt so manchen Zuschauer nicht mehr los. Unkrich aber hat über Jahre seine Recherchen auf einer Website publiziert.
Daraus ist nun eine dieser limitierten und für Normalsterbliche unbezahlbaren Monsterboxen entstanden, wie sie der Kölner Taschen-Verlag als Erstes immer den reichsten Sammlern zum Kauf anbietet. Etwas später folgte dann eine Edition für jedermann.
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Erster Eindruck: Lee Unkrich und sein vor Vollendung des Mammutunternehmens verstorbener Co-Autor J. W. Rinzler sind beinharte Positivisten – mythisches Geraune um den Film, Zahlenmystik und Verschwörungserzählungen, all das lehnen sie ab. Oder anders gesagt, sie stellen dem lieber herrlich detailliertes, detektivisch aufbereitetes Studienmaterial entgegen.
Etwa was die Legende betrifft, Stanley Kubrick habe von der berühmten Treppenszene mit Jack Nicholson, Shelley Duvall und einem Baseball-Schläger die unmenschliche Zahl von 127 Takes für ein einziges Set-up drehen lassen, die jetzt auch im «Guinnessbuch der Rekorde» steht. Ein beinharter Positivist glaubt da erst mal gar nichts, sondern gräbt die vergilbten Drehprotokolle im «Kubrick Archive» in London aus. Fazit: Es stimmt nicht. Nicht mehr als 15 Takes sind für ein einzelnes Treppen-Set-up verzeichnet, jemand hat einfach Unsinn kolportiert.
Oder die Frage, ob die durchaus fragile Shelley Duvall, die in der zweiten Hälfte des Films wachsende Panik bis unmittelbare Todesangst spielen muss, von Kubrick im Sinn einer überzeugenden Performance zu hart angegangen wurde – Stichwort emotionaler Missbrauch. Unkrich liess nicht locker, bis er die längst aus dem Filmgeschäft entschwundene Duvall aufgespürt und selbst befragt hatte. Er kann nun Entwarnung geben. Duvall erinnerte sich durchaus an erschöpfende Dreharbeiten, aber ihr Regisseur blieb liebenswert, und auf das Ergebnis ist sie bis heute stolz. Kubrick gab sich nach aussen hin wohl gern tougher, als er war, auch im Behind-the-Scenes-Material, das damals seine Tochter Vivian drehte.
Und: Er war oft unentschieden, probierte herum. Kubrick verwarf etwa das Ende von Stephen Kings Romanvorlage, nur um dann selbst viele Varianten auszuhecken, die alle wieder gestrichen wurden, bis die Idee mit dem Schneelabyrinth aufkam, die dann schliesslich zündete. Der Weg zur Meisterschaft, zeigt sich hier einmal mehr, führt über Nie-zufrieden-Sein und Endlos-Herumprobieren. In Kubricks Fall scheint das ein äusserst rationaler Prozess gewesen zu sein, der dennoch sämtliche Geduldsfäden strapazierte.
Ein Bild für die Splattergötter
Neben solcher Analyse, die sich noch die kleinste an den Drehbuch-Rand gekritzelte Notiz einverleibt, präsentiert Unkrich seine Sammlerschätze: etwa bisher nie gesehene Fotos der übel zugerichteten weiblichen Wasserleiche aus Hotelzimmer 237, die in Jack Nicholsons Horrorvision im Film plötzlich lebendig wird. Ein Bild für die Splattergötter, wie Nicholson und die auf Verwesung geschminkte Darstellerin Billie Gibson in einer Drehpause auf dem Bett des Schreckenszimmers liegen und rauchen.
Da endet die Besessenheit allerdings noch lange nicht. Mit dem Taschen-Verlag hat Unkrich auch das schwere, ledergebundene «Scrapbook» rekonstruiert, das im fertigen Film kaum vorkommt, aber doch sorgfältigst mit erfundenen und künstlich vergilbten Meldungen über Unglücke und Todesfälle aus dem «Overlook»-Hotel bestückt wurde, damit Nicholson darin blättern kann.
Und wem auch das noch nicht reicht: Unkrich gibt seiner Box sogar ein komplettes Faksimile von Jack Nicholsons gespenstischem Papierstapel aus dem Film bei, für den eine bedauernswerte Hilfskraft ungefähr zehntausend Mal den Satz «All work and no play makes Jack a dull boy» in die Schreibmaschine hacken musste – bis 114 Seiten voll waren. Kennen Sie jemanden, der schreibt, das aber besser lassen sollte? Dann schenken sie ihm eine Kopie dieses Stapels zum nächstbesten Anlass – und Sie haben einen «writer’s block» für immer in sein Hirn gepflanzt.
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