Krisenbewältigung in der EUDeutschland hilft – aber nicht mit Corona-Bonds
Die deutsche Regierung lehnt gemeinsame Schulden der EU weiter ab. Das Mittel verstosse gegen Verträge und Verfassung.
Norden gegen Süden – gemeinschaftlich verantwortete Anleihen spalten Europa auch in der Corona-Krise. Während vor allem Italien und Spanien zur Finanzierung der Wirtschaftskrise dringend Corona-Bonds fordern, lehnen die Niederlande, Österreich, Finnland und die baltischen Staaten dies kategorisch ab.
Entscheidend in dem Kräftemessen ist vor allem Deutschland, das politisch und wirtschaftlich mächtigste Mitglied der EU. Angeführt von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD), wendet sich die deutsche Regierung entschlossen gegen eine Vergemeinschaftung von Schulden – auch wenn diese als Corona-Bonds zeitlich befristet und auf die Bewältigung der aktuellen Pandemie konzentriert daherkämen.
Alte Grabenkämpfe
Ihr Argument ist dasselbe wie in der Schuldenkrise vor zehn Jahren: Die Euro-Verträge schliessen eine Schulden- und Transferunion explizit aus. Kontrolle und Haftung dürften nicht auseinanderfallen. Habe ein Land auf die Schulden eines anderen keinen Einfluss, könne es dafür auch nicht haftbar gemacht werden. Das deutsche Verfassungsgericht hat bereits früher festgestellt, dass Euro-Bonds gegen die Verfassung verstiessen, weil sie den Bundestag um einen Teil seiner Budgethoheit brächten.
Kritiker argwöhnen zudem, dass aus den befristeten Anleihen bald ständige Einrichtungen entstünden – wie es bei solchen Vehikeln noch immer der Fall gewesen sei. Man tue im Süden jetzt so, als ob finanzielle Solidarität einzig mittels Corona-Bonds möglich sei. Tatsächlich gehe es darum, mit moralischem Druck einer alten Lieblingsidee zum Durchbruch zu verhelfen, um die Wirtschaftspolitik der EU auf Dauer neu auszurichten.
Helfen will man – aber wie?
Auch in Deutschland ist über die Parteien hinweg unbestritten, dass der reiche Norden dem überschuldeten Süden jetzt zur Seite stehen muss, möglicherweise mit neuen gemeinsamen Finanzierungsinstrumenten innerhalb des EU-Budgets. Alte Grabenkämpfe stünden einer Lösung eher im Weg, glauben Merkel und Scholz. Am Ende sei es nicht wichtig, wie die Arznei heisse. Sondern dass sie wirke.
Während die Regierung geschlossen auftritt, entzweit das Thema die restlichen Parteien. Linke, Grüne und Teile der Sozialdemokraten halten Corona-Bonds oder -Fonds für das «Gebot der Stunde». Viele prominente Politiker und Intellektuelle, von Joschka Fischer, Sigmar Gabriel und Daniel Cohn-Bendit bis zu Jürgen Habermas und Eva Menasse, glauben, es gehe bei der Solidaritätsfrage für die EU jetzt um «Leben oder Tod». Gemeinsame Schulden seien das entscheidende Symbol.
Keine Munition für AfD
Wie schon in der Schuldenkrise lehnen CDU, CSU und FDP dies ebenso leidenschaftlich ab. Die Christdemokraten hatten sich damals über die Hilfe für überschuldete Länder wie Griechenland schwer zerstritten und sind davon immer noch traumatisiert. Auch will die Union der schwächelnden AfD keinesfalls neue Munition liefern. Die Partei hatte sich 2013 bekanntlich im Kampf gegen die angeblich zu grosszügige Euro-Politik von CDU und CSU gegründet – nicht gegen Einwanderung und Islam.
Innerlich gespalten ist die SPD: Während die Regierungsmitglieder um Vizekanzler Scholz und Aussenminister Heiko Maas Corona-Bonds ablehnen und andere solidarische Finanzierungsmöglichkeiten bevorzugen, hat der linke Parteichef Norbert Walter-Borjans diese öffentlich begrüsst.
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