Analyse zu Russlands AngriffskriegDer Westen erhöht gezielt den Druck auf Putin
Russische Banken verlieren den Zugang zum Zahlungsdienstleister Swift und den Zugriff auf Devisenguthaben im Westen.
Hat Wladimir Putin bald kein Geld mehr, um seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu finanzieren? Der Westen erhöht jedenfalls mit seinen Sanktionen den Druck auf Moskau. Die USA, Kanada, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Deutschland und die EU-Kommission haben gemeinsam beschlossen, russische Banken vom internationalen Zahlungsdienstleister Swift auszuschliessen.
Swift ist so etwas wie die Whatsapp-Gruppe der 11’000 angeschlossenen Banken in 200 Ländern. Ohne Zugang sind grenzüberschreitende Überweisungen im Internetzeitalter kaum möglich. Jeder kennt den Swift- oder BIC-Code, der garantiert, dass eine Zahlung den richtigen Adressaten erreicht. Doch darüber hinaus interessiert sich in normalen Zeiten niemand für die Schaltzentrale des Zahlungsverkehrs mit ihrem Sitz in La Hulpe, einer Brüsseler Vorortsgemeinde. Swift versteckt sich dort diskret, gesichert hinter hohen Zäunen und Mauern mit vielen Kameras.
«Wirtschaftliche Atombombe»
Deutschland, aber auch Italien und Zypern haben sich lange gewehrt, diese sogenannte «wirtschaftliche Atombombe» zu zünden, wie der Ausschluss aus Swift auch genannt wird. Im Extremfall könnten nämlich die USA und Importeure in Europa die Rechnungen für Öl und Gas aus Russland nicht mehr begleichen. Moskau würde dann wohl die Lieferungen einstellen. Auch könnten russische Unternehmen ihre Kredite gegenüber westlichen Schuldnern nicht mehr bedienen. Der Totalausschluss hätte Europa am Ende wohl mindestens so sehr geschadet wie Russland.
Ein Grund wohl, weshalb die USA und ihre westlichen Partner jetzt nur bestimmte Schlüsselbanken von Swift ausschliessen. Ein chirurgischer Eingriff also. Details sind noch nicht alle bekannt. Aber dem Vernehmen nach ist zum Beispiel die Gazprombank nicht betroffen. Auch eine zweite Sanktionsverschärfung ist wie ein gezielter Würgegriff, um den Druck auf Wladimir Putin zu erhöhen: Russland hat zwar dank sprudelnden Einnahmen aus dem Rohstoffexport und einem sparsamen Haushalt Devisenreserven in der Rekordhöhe von über 600 Milliarden US-Dollar angehäuft. Ein guter Teil dieser Reserven «lagert» aber bei der Europäischen Zentralbank und der US-Notenbank.
Vielleicht kommt es zum Bankenrun
Russland importiert fast alles, was im Land konsumiert wird. Um diese Importe zu finanzieren, brauchen Unternehmen und Banken Devisen. Die russische Zentralbank ruft diese in normalen Zeiten in Frankfurt oder in Washington ab. In Zukunft sollen die EZB und die US-Notenbank Anfragen ablehnen und darauf verweisen, dass die Guthaben eingefroren sind.
Die Sanktion könnte in Russland zu einem sogenannten Bankenrun führen, dazu also, dass Unternehmen und Privatpersonen möglichst rasch versuchen, ihre Devisenguthaben abzuheben. Dies zu einem Zeitpunkt, in dem Wladimir Putin mehr Geldmittel braucht, um seinen Krieg zu finanzieren und Folgen der Sanktionen abzufedern.
Ob das Kalkül aufgeht und Wladimir Putin den Rückzug antritt, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Ähnlichen Strafmassnahmen war in der Vergangenheit zum Beispiel der Iran ausgesetzt, ohne dass das Regime in Teheran vom Atomprogramm gelassen hätte. Klar ist allerdings, dass der Schritt der USA und der EU den Druck auf die Schweiz als wichtigen Finanzplatz erhöht, bei den Sanktionen gegen Russland nachzuziehen.
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