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Vorwürfe gegen Hans Ziegler
Der tiefe Fall des «Sanierers der Nation»

Hatten Unternehmen Probleme, riefen sie gern nach Hans Ziegler. Was der Helfer mit den heiklen Erkenntnissen aus den Unternehmen machte, realisierten sie erst viel später.
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Er wirkte fleissig, aber unauffällig – der klassische Typ Buchhalter, der es dank Beharrlichkeit nach oben geschafft hat. In der Öffentlichkeit erwarb er sich den Übernamen «Sanierer der Nation». Seine Sammlung an bedeutenden Verwaltungsratsmandaten war nicht weniger beachtlich. Auf Hans Zieglers Beraterfähigkeiten zählten insbesondere Unternehmen in leichter bis grösserer Schieflage. Zieglers Portefeuille reichte unter anderem von der kollabierten Winterthurer Erb-Gruppe über Interdiscount, die Kleiderkette Charles Vögele und Swisslog bis zu dem Industriekonzern Oerlikon und dem Stahlunternehmen Schmolz + Bickenbach.

Das Bild, das sich die Öffentlichkeit von ihm machte, war wohl falsch, wie sich jetzt zeigt. Heute stellt sich der mittlerweile knapp 69-jährige Ziegler vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona den Richtern. Die Vorwürfe sind happig: Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Verletzung von Geschäftsgeheimnissen, wirtschaftlichen Nachrichtendienst, das Ausnützen vertraulicher Tatsachen – besser bekannt als Insidervergehen – und schliesslich Bestechung Privater vor. Das alles geschah im Zeitraum von Dezember 2013 bis November 2016. Privatklägerin in diesem Verfahren ist der Industriekonzern OC Oerlikon mit Hauptsitz in Pfäffikon SZ. Vorerst gilt natürlich die Unschuldsvermutung.

Die Anklageschrift der Bundesanwaltschaft ist 208 Seiten dick und gibt detailliert wieder, womit sich Profiverwaltungsrat Hans Ziegler an den zahlreichen Sitzungen bei den beiden börsenkotierten Firmen Oerlikon und Schmolz + Bickenbach beschäftigte. Und vor allem, was er mit den höchst vertraulichen Informationen, die ihm in schriftlicher oder mündlicher Form bei den Meetings präsentiert wurden, anschliessend tat.

Hier kommt der zweite Angeklagte in diesem Verfahren ins Spiel. Bei ihm handelt es sich um ein Kadermitglied der international tätigen Finanzberatungsfirma Lazard. Der Mann, ein Schweizer, hatte mitgeholfen, Hans Ziegler in ein Beratergremium für den Schweizer Lazard-Ableger zu hieven. Die Entschädigung für diese Tätigkeit als sogenannter Senior Advisor hing unter anderem davon ab, welche nützlichen Inputs er lieferte.

Für die Beraterfirma war er nützlich

Die Anklageschrift listet vierzehn Fälle auf, bei denen Ziegler «Geschäftsgeheimnisse» von Oerlikon pflichtwidrig und unbefugt an den Lazard-Kadermann weitergab. Per Telefon, per Mail, per Stick. Das Passwort bei den oftmals verschlüsselten Daten stand gern in der Betreffzeile.

So kam Lazard beispielsweise zu wertvollen Informationen über den geplanten Verkauf einer Oerlikon-Filiale an den schwedischen Konzern Atlas Copco. Die Informationen aus der Schweiz flossen an andere Ländergesellschaften von Lazard, so im Fall von Atlas Copco an jene in Schweden. Beraterin von Atlas Copco im Deal mit dem Schweizer Konzern war die schwedische Lazard.

Die Bundesanwaltschaft sieht darin wirtschaftlichen Nachrichtendienst, weil Ziegler wusste oder in Kauf nahm, dass seine Informationen an Firmen und Personen ausserhalb der Schweiz gingen. Auf ähnliche Weise flossen auch Informationen von Schmolz + Bickenbach nach draussen.

Honorar oder Bestechung?

Im Herbst 2016 kassierte Ziegler über seine persönliche Beratungsfirma Think & Act von der schwedischen Lazard eine Entschädigung von 137’980 Euro. Die Bundesanwaltschaft sieht darin ein Fall von Bestechung.

Dem Kadermann, der nach Auffliegen der Causa Ziegler Lazard verlassen musste, wirft die Bundesanwaltschaft Verletzung von Geschäftsgeheimnissen, wirtschaftlichen Nachrichtendienst und Bestechung Privater vor.

Er spekulierte auf Firmenübernahmen

Die weitaus ergiebigere Geldquelle erschloss sich für Hans Ziegler indessen mit dem Ausnützen vertraulicher Informationen für eigene Wertschriftengeschäfte. Gemäss Anklageschrift dealte er mit Wertschriften von elf verschiedenen Firmen. Ziegler kam zu den heissen Informationen als Verwaltungsrat oder in seiner Funktion als Senior Advisor. Neben Lazard war er auch Senior Advisor der Schweizer Niederlassung der britischen Beratungsfirma Alix Partners.

Zu den elf Firmen gehörten unter anderen Actelion, Gategroup, EFG International, Kuoni Reisen, Micronas, Oerlikon und Schmolz + Bickenbach. In der Regel operierte Ziegler mit Derivaten, die er entweder selber oder über seine Think & Act AG oder über eine in Liechtenstein domizilierte und ihm gehörende Stiftung namens Bangor hielt. Insgesamt verdiente er damit 1’959’000 Franken.

Nach der U-Haft zockte er weiter

Wie sehr ihn die Verlockung des schnellen Gewinns angetrieben haben muss, geht aus einer Beschreibung eines Verwaltungsratskollegen hervor: Ziegler habe in Verwaltungsratssitzungen oft und lange in sein Handy gestarrt, um die Aktien- und Devisenkurse zu verfolgen.

Selbst als sich die Schlinge um ihn schloss, konnte er nicht aufhören. 2016 kamen Gerüchte auf, dass der US-Pharmakonzern Johnson & Johnson am Baselbieter Pharmaunternehmen Actelion interessiert sei. Lazard gehörte zum Beraterteam der Amerikaner. Senior Advisor Ziegler kam so zu Informationen und investierte ab Ende April in entsprechende Derivate. Der letzte Auftrag erfolgte am 21. Oktober.

Mutmasslich waren ihm die Finanzmarktaufsicht (Finma) und die Bundesanwaltschaft da bereits auf der Spur. Am 15. November wurde der Profiverwaltungsrat in Untersuchungshaft genommen. Am 28. November wurde er wieder auf freien Fuss gelassen. Kaum zu Hause, begann er die Actelion-Positionen in Tranchen zu verkaufen. Der letzte Verkauf datiert vom 16. Dezember 2016. Unter dem Strich verdiente Ziegler in diesen wenigen Wochen knapp eine halbe Million Franken, wie die Anklageschrift festhält.

Es drohen Gefängnisstrafen

2017 konfiszierte die Finma 1,4 Millionen Franken bei Ziegler, eine Rekordsumme im Kampf gegen Insiderdelikte. Ziegler zog die Sanktionen der Finma kurzerhand vor das Bundesverwaltungsgericht. Das Gericht stützte die Finma zwar in allen Punkten, kürzte den Gewinneinzug jedoch auf 1,27 Millionen Franken.

Ziegler lässt sich von Patrick O’Neill der Zürcher Kanzlei Lanter Anwälte verteidigen. Der Kadermann hat mit dem Zürcher Juristen Lorenz Erni einen der bekanntesten Strafrechtsanwälte der Schweiz ausgewählt. Ziegler war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Dieser Artikel ist zum Prozessstart am 7. Juni aktualisiert worden (8 Uhr, 7.6.), dann um die Box zur Verzögerung des Prozesses (11:38 Uhr).