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Chefin der israelischen Arbeitspartei
Der schlimmste Politjob, doch sie bewirkt ein Wunder

Zu Besuch im Kibbutz Nahal Oz legt sie selber Hand an: Merav Michaeli, seit Januar Chefin der israelischen Arbeitspartei. 
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Neulich war sie im Grenzgebiet zum Gazastreifen unterwegs. Den Kibbuz Nahal Oz hat sie besucht, linkes Milieu, das war ein Heimspiel für Merav Michaeli. Doch dann hat sie für ein Filmchen auf Facebook auch noch direkt an der oft umkämpften Grenze Aufstellung genommen, und da ist in Israel immer der Feldherr im Politiker gefragt. Eher Neuland für sie – doch auch das hat die neue Chefin der Arbeitspartei souverän gelöst.

Mit einer Militärkarriere kann sie zwar nicht punkten, aber dafür mit einem Vorbild: Yitzhak Rabin. Der 1995 ermordete Premierminister der Arbeitspartei hatte aus einer Position der Stärke heraus den Frieden mit den Palästinensern gesucht. Und diesen «Fussspuren», so erklärte Michaeli nun, wolle sie folgen.

Niemand wollte Parteichef werden

Fussspuren sind das, die ihre Partei zu alter Grösse zurückführen sollen. Doch bis dorthin ist es ein weiter Weg. Als die 54-Jährige Ende Januar zur Vorsitzenden gewählt wurde, begrüsste sie die Zeitung «Haaretz» mit der Schlagzeile: «Willkommen im schlimmsten Job der israelischen Politik». Kein anderer hatte sich ernsthaft beworben, in allen Umfragen lag die Arbeitspartei unter der für den Parlamentseinzug nötigen 3,25-Prozent-Hürde.

Es war der Tiefpunkt für die traditionsreiche Partei von Rabin, David Ben-Gurion und Shimon Peres, die Israel nach der Staatsgründung im Jahr 1948 über Jahrzehnte geprägt hat. Dieser Niedergang spiegelt zum einen den Wandel der israelischen Gesellschaft wider, die weit nach rechts gerückt ist. Zum anderen aber ist er selbst verschuldet, von den meisten jener zehn Parteichefs, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten für Zickzackkurse verantwortlich waren.

Will die traditionsreiche Partei von Rabin, David Ben-Gurion und Shimon Peres neu belegen: Merav Michaeli in ihrem Büro in Tel Aviv. 

In den wenigen Wochen seit ihrer Wahl an die Spitze aber hat Michaeli ein kleines Lazarus-Wunder vollbracht: Die Arbeitspartei ist vom Totenlager auferstanden und rangiert in den Umfragen nun bei sicheren sechs bis acht Mandaten. Damit will sie Teil eines weitgespannten Bündnisses werden, das Premierminister Benjamin Netanyahu von der Macht verdrängt.

Den Erfolg darf sich Michaeli selbst ans schwarze Revers heften, denn seit Jahren trägt sie niemals etwas anderes als Schwarz. «Die Leute sollen darauf schauen, was ich tue, und nicht darüber reden, was ich anziehe», sagt sie zur Erklärung. In ihrer Antrittsrede hat sie all die enttäuschten früheren Wähler der Arbeitspartei aufgefordert, «nach Hause» zu kommen. Gefolgt sind ihrem Ruf den Umfrageanalysen zufolge vor allem viele Frauen.

«Ich betrachte alles, was ich tue, als feministisch.»

Merav Michaeli, Chefin der israelischen Arbeiterpartei

Michaeli ist bei dieser Wahl nicht nur die einzige Frau an der Spitze einer Partei, sie kämpfte auch schon für die Rechte der israelischen Frauen, als sie noch Moderatorin im Fernsehen und Kolumnistin bei «Haaretz» war. In die Politik stieg sie 2012 ein. «Ich betrachte alles, was ich tue, als feministisch», sagt sie, wenn sie spricht, nutzt sie aus Prinzip das Femininum. In der sehr familienorientierten israelischen Gesellschaft fällt Michaeli mit einer bewussten Entscheidung zur Kinderlosigkeit auf. Ihren Lebensgefährten, einen bekannten Comedian, nennt sie stets ihren «Nicht-Ehemann».

Sie predigt einen neuen Realismus

Die Parlamentswahl am nächsten Dienstag ist für sie nur eine Zwischenetappe, die es unversehrt zu überstehen gilt. Sie hat langfristigere Ziele. «Noch steckt die Arbeitspartei im Schlamm fest», sagte sie in einer Rede vor den Parteimitgliedern, «aber ich habe eine Rettungsmission, und ich werde sie wieder aufbauen.»

Zugleich aber warnt sie ihre Anhänger, von denen manche sie schon als künftige Premierministerin sehen, vor zu viel Enthusiasmus. Sie predigt den neuen Realismus, und als sie im Kibbuz Nahal Oz an der Gaza-Grenze gefragt wurde, was ihre «Vision» sei, da musste sie kurz stutzen. «Meine Vision ist ein sozialdemokratisches, feministisches Paradies», sagte sie dann. «Aber wir brauchen einen politischen Hebel, um das wahr werden zu lassen.»