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Erfolg im Netz
Der neueste Streaminghit ist ein Film über Stühle

Entwurf oder fertiges Produkt? Der Vegetal Chair von Ronan & Erwan Bouroullec. 
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Während des Corona-Lockdown musste die Welt stillsitzen. Und als sie sass, fragte sie sich irgendwann: Worauf sitze ich da eigentlich?

Das Interesse an Design und Inneneinrichtung hat in den letzten Monaten zugenommen, das zeigen auch die Zugriffszahlen auf «Chair Times» von Heinz Bütler. Der 90-minütige Dokumentarfilm über die Geschichte des Stuhls lässt sich seit Anfang Mai auf der Website des Möbelherstellers Vitra gratis streamen. Dort sahen ihn bislang rund 234’000 Leute.

Die Zahlen seien «gigantisch», wenn man bedenke, dass das Thema Design nicht jeden anspreche, sagt Produzent Laurin Merz. Als es letztes Jahr ein paar Spezialvorführungen von «Chair Times» im Kino gegeben habe, sei die Zuschauerzahl ungefähr bei 1000 gelegen. Dass der Stream bei Vitra auf so grosses Interesse stosse, habe vor alle mit Social-Media-Posts von spezialisierten Websites wie Designboom oder Archdaily zu tun.

«Ist das nicht ein herrliches Objekt?»

Vitra-Chef Rolf Fehlbaum

Das Konzept von «Chair Times» ist bestechend einfach. 125 Stühle stehen im Schaudepot von Vitra nebeneinander, geordnet nach ihrer Entstehungszeit, und werden von der Designerin Hella Jongerius oder von dem Architekten David Chipperfield kommentiert. Durch den Film führt der ehemalige Vitra-Chef Rolf Fehlbaum, der schon fast andächtig mit weissen Handschuhen über Stühle aus verschiedenen Epochen streicht und Sätze sagt wie: «Ist das nicht ein herrliches Objekt?»

Aufgrund des «überwältigenden Interesses» an «Chair Times» hat Vitra inzwischen weitere kurze Filme zu Designikonen unter den Stühlen aufgeschaltet.

Mit rund einer Viertelmillion Views sind die Zahlen von «Chair Times» ungefähr vergleichbar mit dem Dokfilm-Sendeplatz auf SRF. Im Schnitt erreichten 90-minütige Doks am Donnerstagabend im vergangenen Jahr 278’000 Zuschauer. Wie viele Leute «Chair Times» tatsächlich zu Ende geschaut haben, ist nicht bekannt.

Lohnen tut es sich. Es gibt eine sehr ansteckende Begeisterung von Spezialisten in diesem Film, sie schwärmen vom Design des Prouvé-Esszimmerstuhls oder des Plywood Chair von Charles und Ray Eames. Im Bugholzstuhl von Thonet steckt die Geschichte des Kaffeehauses und der bürgerlichen Gesellschaft im 19. Jahrhundert; im abstrakten Rietveld-Stuhl, Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden, zeigt sich die Moderne als offene Form.

Keine Frage, das ist der DCW aus der Plywood-Gruppe von Charles und Ray Eames. 

Und da, der Moser-Sessel! «Chair Times» zeigt den Stuhl als Persönlichkeit und Manifest von Stilepochen, er bringt Architekturgeschichte auf kompakte Grösse und spiegelt die gesellschaftliche Entwicklung als Sitzgelegenheit. Und wer nach «Chair Times» nicht gerade einen Designklassiker bestellt, der fasst zumindest den Plan, die Formulierung «im Übergang zum Freischwinger» möglichst bald in einem Alltagsgespräch verwenden zu können. 

Chair Times auf der Vitra-Site.