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Für Frieden mit den Palästinensern
Der Mann mit der Taube ist Israels letzter Optimist

Einsamer Protest: Der Friedensaktivist Uri Ashi auf der Hahalacha-Brücke in Tel Aviv.
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Unten rauscht der Verkehr in endlosen Kolonnen, oben auf der Brücke steht Uri Ashi. Er schaut runter und wartet auf Reaktionen, von unten schauen sie rauf zu ihm. Manche winken, manche hupen. Die einen recken den Daumen nach oben, die anderen zeigen den Mittelfinger. «Ist doch toll», sagt Uri Ashi. «In den sozialen Netzwerken kriegst du vielleicht mal ein paar Likes. Hier bekommst du die Aufmerksamkeit von Tausenden.»

Freitag ist Brückentag für Uri Ashi. Seit 2015 steht er jeden Freitag allein auf der Hahalacha-Brücke, die in Tel Avivs Norden die Stadtautobahn überspannt. Ein Schild bringt er an am Geländer, auf dem geschrieben steht: «Frieden mit den Palästinensern ist möglich.» Und neben ihm steht eine seltsame Puppe, menschengross. Es ist eine schneeweisse Friedenstaube, mit Gipsbein, Krücke und Kopfverband. «Sie ist verletzt», sagt der 45-Jährige, «aber sie hat noch Hoffnung.» Als Zeichen dafür trägt sie einen Olivenzweig im Schnabel.

Beschimpft und bespuckt

Als Israels letzten Optimisten hat ihn neulich die Zeitung «Haaretz» bezeichnet. «Das ist ein wenig übertrieben», sagt er und lächelt. Aber er weiss, dass nicht mehr viele seiner Art übrig geblieben sind, dass sie als Peaceniks und Linke verspottet werden. Er glaubt trotzdem, dass ein Einzelner noch etwas bewegen kann. Und zwar jeder auf seine Art.

Er ist der Mann mit dem Vogel, und wenn ihn manche von unten herauf für verrückt erklären, dann kann er auch dem etwas Positives abgewinnen. «Die Taube ist mein Köder, so komme ich in Kontakt.» Angenehm ist das nicht immer. Beschimpft wird er ständig, bespuckt worden ist er auch schon, und einmal ist er mit einem Youtube-Video bekannt geworden, das der berüchtigte rechte Rapper HaTzel, zu Deutsch: der Schatten, ins Netz gestellt hat. Der Rapper fordert ihn darin auf, doch endlich von der Brücke zu springen.

Wenn man etwas verändern will, wird das nicht durch Angst erreicht vor Krebs respektive Krieg.

Uri Ashi hält das aus, und die meisten Argumente gegen den Frieden und das Konzept der Zweistaatenlösung sind ihm sowieso vertraut. «Ich war ja selbst die meiste Zeit meines Lebens ein Rechter», sagt er. Vor ein paar Jahren aber ist er dann eher zufällig in ein Wochenendseminar zum Friedensprozess hineingestolpert. Dort hat er, zu seiner eigenen Überraschung, entdeckt, dass es für jedes einzelne Problem in diesem Konflikt längst einen Lösungsvorschlag gibt. Was fehlt, ist der Wille und das Vertrauen auf die Umsetzung. Dieses Wissen will er nun verbreiten, den Zweiflern will er Argumente entgegenhalten.

Dafür steht er auf der Brücke, und dazu hat er auch ein Buch geschrieben. «Hatikwa», heisst es, die Hoffnung. Untertitel: «Der illustrierte Führer zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts». Kurze Texte sind das und dazu ein paar auflockernde Zeichnungen. Schliesslich ist er gelernter Illustrator und Grafikdesigner.

Man muss auf den Gewinn schauen

Für das Buch hat er zwei Jahre ausgesetzt im Job. Die Familie, seine Frau und die beiden Söhne, habe das in Ordnung gefunden, sagt er. «Wir hatten ein paar Ersparnisse.» Er hat gelesen, geforscht und Interviews geführt, und inspiriert hat ihn am Ende noch ein ganz anderes Buch, nämlich Allen Carrs «Endlich Nichtraucher». Carrs Konzept hat Uri Ashi auf den Friedensprozess übertragen: Wenn man etwas verändern will, wird das nicht durch Angst erreicht vor Krebs respektive Krieg. Sondern man muss bei der Hoffnung ansetzen und auf den Gewinn schauen, auf Freiheit und Frieden.

Rund 3000 Exemplare hat er schon verkauft. «Das ist viel im kleinen Israel», sagt er. Erschienen ist das Buch im Selbstverlag, auch wenn zuvor ein paar Verlage Interesse bekundet hatten. Doch dann kam Corona, die Verhandlungen stockten, und Uri Ashi wollte nicht warten. «Wenn dann plötzlich der Frieden ausgebrochen wäre», sagt er und lacht, «dann wäre mein Buch ja irrelevant geworden.»