Der Mann des letzten SprungsEr ist scheu – aber der Schreck aller Gegner
Nerven wie sie Miltiadis Tentoglou hat, wünschte sich jedermann. Der griechische Weitenjäger hat dank ihnen und seiner speziellen Liebe schon viel Gold gewonnen.

Er war immer schon so. Hat sich seinen Weg, wo immer er lebte, springend, fliegend und rennend gesucht. Durchs Dorf im Norden Griechenlands, über den Schulplatz, über Geländer, Dächer, Treppen hinauf, Mauern hinunter, auch später, als er schon in Athen trainierte. Miltiadis Tentoglou sagt: «Es hat alles mit Parkour angefangen, so heisst das. Ich liebe das Springen, und ich habe es zum Beruf gemacht.»
Der 25-jährige Grieche ist als neuer Weltmeister im Weitsprung nach Zürich gekommen, alles andere hat er vorher schon einmal gewonnen. Und bei Tentoglou heisst «alles» wirklich alles: Olympiagold, EM-Titel, nun der WM-Titel, draussen und drinnen. Er ist in Griechenlands Leichtathletik ein Star, er gibt sogar zu, im ganzen Land «ein Superstar» zu sein. Dabei ist ihm nicht immer wohl. Er scheut die sozialen Medien, die Öffentlichkeit, «zuhause respektieren sie mich, wie ich bin.»
Tentoglou, der Scheue, ist allerdings auch Tentoglou, der Schreck: Der Grieche ist nämlich der Mann des letzten Sprungs. Er hat Nerven wie Drahtseile und eine mentale Stärke, die sich jede Athletin oder jeder Athlet wünscht. Er blüht immer dann auf, wenn es brenzlig und knapp wird. Er wurde Olympiasieger, indem er im sechsten und letzten Versuch weiter sprang als alle, an der WM qualifizierte er sich erst mit dem letzten Sprung für den Final – und auch dort: Erst der letzte Sprung brachte ihm Gold.
«Die mentale Gesundheit geht vor, ich brauche einen klaren Kopf.»
Der feingliedrige, schnelle Weitspringer hat sich schon als Junger gut kennengelernt, wollte Computertechnik studieren, merkte aber, «dass für mich Sport und Studium nicht passen. Ich hatte plötzlich keine freie Zeit mehr, und die brauche ich. Relaxen ist mir sehr wichtig, die mentale Gesundheit geht vor, ich brauche einen klaren Kopf.» Deshalb ist er bis auf weiteres Athlet.
Aber: «Wie geht das, Miltiadis Tentoglou? Wenn andere am Druck zerbrechen, zaubern Sie den besten Sprung in die Grube?» Er zögert keine Sekunde und sagt, er brauche solchen Druck. «Dann fliesst das Adrenalin, ich habe keine Angst vor der Situation, ich habe es lieber, wenn das Niveau hoch ist.» Wenn er dann anlaufe, «dann spüre ich schon zwanzig Meter vor dem Balken, dass ich ihn treffe.» Solches sei auch Erfahrung, «das kann man lernen, ich habe dafür gekämpft, ich war nicht immer so selbstbewusst wie heute».
Das Adrenalin bei Weltklasse Zürich ist geflossen, und obwohl es kühl war, liessen sie ihn wieder nicht im Stich, die Nerven. Der letzte Versuch brachte ihm 8,20 m und den Sieg, Simon Ehammer wurde mit 7,97 m Sechster.
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