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Der Juso-Präsident tritt zurück
Nicola Siegrist hört auf – und will nicht wieder einen Mann an der Spitze

Nicola Siegrist, Praesident JUSO, spricht bei der Jahresversammlung der JUSO, am Samstag, 17. Februar 2024 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
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In einem Stadtzürcher Restaurant plärrt Salsa-Musik aus den Boxen, die anderen Gäste smalltalken sich in den Feierabend. Das fröhlich-aufgekratzte Durcheinander passt überhaupt nicht zur Laune von Nicola Siegrist. Der Juso-Präsident ist nachdenklich, er ist gekommen, um zu erklären, warum er nach nur zwei Jahren an der Spitze der linken Jungpartei per Ende Juni zurücktreten wird.

Er ist seit 2022 Präsident, aber in der Geschäftsleitung sitzt er inzwischen seit über fünf Jahren. Das sei mehr als genug, sagt Siegrist: «Bei einer Jungpartei braucht es eine regelmässige Erneuerung.» Zwei Jahre erscheinen sehr kurz, um politisch Einfluss zu nehmen, aber die Juso-Präsidentschaft wechselt traditionell alle zwei bis drei Jahre.

Am Sonntag hat Siegrist seinen Rücktritt offiziell an der Jahresversammlung der Partei in Bern mitgeteilt. Am 29. Juni werden die Delegierten der Juso zusammenkommen, diese werden dann seine Nachfolge bestimmen.

Die Juso haben eben die «Initiative für eine Zukunft» eingereicht, die Erbschaften und Schenkungen über 50 Millionen Franken zu 50 Prozent besteuern will. Das Geld soll in eine «sozial gerechte Bekämpfung der Klimakrise» fliessen. Der 27-jährige Stadtzürcher Siegrist ist ein Kind des Klimastreiks, das Sammeln der Unterschriften für diese Initiative war sein wichtigstes Projekt als Präsident. Das zweitwichtigste: die Partei aus der Corona-Lethargie zu holen. Wieder in der realen Welt Veranstaltungen zu organisieren – «das war eine grosse Herausforderung».

Nicola Siegrist, Praesident und weitere Mitglieder der JUSO Schweiz reichen die Initiative mit 140 000 Unterschriften "Fuer eine soziale Klimapolitik ? steuerlich gerecht finanziert (Initiative für eine Zukunft)" ein, am Donnerstag, 8. Februar 2024, in Bern. Die Initiant*innen fordern eine Erbschaftssteuer auf Erbschaften ab 50 Millionen Franken, um damit eine sozial gerechte Klimapolitik zu finanzieren.(KEYSTONE/Peter Schneider)

Das Absenderproblem

Andere würden jetzt den eigenen Leistungsausweis herausstreichen, Siegrist erzählt stattdessen vom «Absenderproblem» der Juso. Also davon, dass weite Teile der Bevölkerung bei Juso-Anliegen abwinken würden, ohne sich überhaupt mit dem Inhalt zu befassen. Bei der «99-Prozent-Initiative» hätten manche Gegner einfach nur «Nein zur extremen Juso-Initiative» auf Plakate gedruckt, ohne auf die inhaltlichen Forderungen einzugehen.

Er habe diese Wahrnehmung ändern wollen, sagt Siegrist: «Natürlich habe ich die Juso stolz vertreten. Dabei war immer mein Ziel, konsequente Inhalte möglichst zugänglich zu machen.» Etwas anders formuliert: Er agierte als Präsident nicht ganz so krawallig und laut wie manche seiner Vorgängerinnen und Vorgänger mit dem Ziel, dafür inhaltlich mehr durchzudringen.

Hat das funktioniert?

«Durchzogen», findet Siegrist. Er würde die Strategie nicht als gescheitert erklären, aber eben: «Man wirbelt weniger Staub auf, bekommt weniger Plattformen.»

Das Wermuth-Playbook

Dazu muss man sich vergegenwärtigen: Das Juso-Präsidium ist in der politischen Schweiz eine Einmaligkeit. Das hat viel mit Cédric Wermuth zu tun. Der heutige Co-Präsident der SP hat das Amt im Jahr 2008 mit einigen Mitstreitern neu positioniert. Er gab die linke Reizfigur, den Polemiker, der Aufmerksamkeit kanalisierte. Gerne mit Aktionen auf der Strasse, die in den Medien Widerhall fanden.

Sämtliche nachfolgenden Juso-Präsidentinnen und -Präsidenten lebten eine Variation des Wermuth-Playbooks, mal etwas lauter, mal etwas weniger. Und auch wenn keine einzige der von den Juso gestarteten Volksinitiativen an der Urne durchkam, so führte der Druck der jungen Linken doch zu einem Effekt: bei der Mutterpartei.

Über die Jahre gewannen Juso-Figuren, die sich selbst eine Plattform geschaffen hatten, in der SP stetig an Einfluss. Nebst Co-Parteipräsident Wermuth sind die SP-Nationalräte David Roth, Fabian Molina und Tamara Funiciello zu nennen, allesamt Ex-Juso-Präsidenten. Dabei sind Köpfe wie die heutige SP-Co-Fraktionschefin Samira Marti (Ex-Juso-Geschäftsleitung) und SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (Juso-Vizepräsidentin von 2009 bis 2013) noch gar nicht berücksichtigt.

Nun eine Frau – oder eine nonbinäre Person?

Auch Nicola Siegrist hat einige solche Aktionen angeführt: Er hat auf dem Paradeplatz die Verstaatlichung der CS gefordert (weil die Bank zusammengebrochen war) und vor dem Zürcher Fifa-Museum mit einem blutigen Fussball ein Verbot von Public Viewings verlangt (wegen der Fussball-WM in Katar). Aber keiner dieser Proteste ist ins Schweizer Politgedächtnis eingegangen. Es wird Siegrists Nachfolge überlassen sein, zu klären, ob die Juso die Lautstärke wieder hochdrehen sollen.

Nicola Siegrist, President of Juso party, speaks to people protesting on occasion of the takeover of Credit Suisse by UBS, in Zurich, Switzerland, 20 March 2023. Swiss bank UBS takes over Credit Suisse for three billion Swiss francs. Shares of Credit Suisse lost more than one-quarter of their value on 15 March 2023, hitting a record low after its biggest shareholder, the Saudi National Bank, told outlets that it would not inject more money into the ailing Swiss bank. Financial markets are reacting after troubled bank Credit Suisse was rescued in a three billion dollars purchase by its Swiss rival UBS in a government-backed deal. UBS is down 13 percent and other European bank shares have also dropped significantly. (KEYSTONE/Ennio Leanza)

Für Siegrist selbst ist eines klar: «Ich finde, es sollte nicht wieder ein Mann Präsident werden.» Es gebe diverse Frauen oder nonbinäre Personen, die dafür infrage kämen. Eine Doppelspitze sei möglich, «aber das hat auch Nachteile, eben weil wir ständig um Aufmerksamkeit kämpfen».

Das Versprechen ans Grossmami

Was er selbst nun tun wird, weiss Siegrist noch nicht genau. Er sehe drei Möglichkeiten: Erstens würde er sich gerne vermehrt für das Klimathema engagieren, gerne auch im Rahmen der «Initiative für eine Zukunft». Das hätte eine gewisse familiäre Logik: Sein Vater Dominik Siegrist, Dozent an der Fachhochschule Rapperswil, amtete als Co-Präsident des Vereins hinter der Gletscherinitiative.

Option zwei sei, im Kantonsrat mehr Gas zu geben, in dem Siegrist seit 2019 sitzt. Und Option drei wäre «eine Rolle innerhalb der SP». Als Präsident der Zürcher Kantonalpartei, wo mit dem Rücktritt von Andreas Daurù und Priska Seiler Graf ein Wechsel ansteht, sieht er sich allerdings nicht: «Das ginge zu schnell. Das würde man mir bei den Juso nicht verzeihen.»

Mit anderen Worten: Bei Nicola Siegrist ist gerade einiges im Fluss. Fix ist in seiner Lebensplanung vor allem etwas – endlich das Geografiestudium abschliessen: «Das habe ich mir und meinem Grossmami versprochen.»