Pandemie in SüdafrikaDer Bierbrauer leitet jetzt eine Suppenküche
Seit fast zehn Wochen gilt in Südafrika einer der härtesten Lockdowns der Welt. Die wirtschaftlichen Folgen sind immens. Einige Unternehmer kochen nun für Bedürftige.
Früher hat André Viljoen in den grossen Kesseln ein Pilsner gebraut, das er unter dem Namen Happy Pills verkaufte, und ein süsses Starkbier mit dem Namen Sugarman, das auf immerhin 10 Prozent Alkoholgehalt kam. Wenn Viljoen heute die Prozente hochrechnet, dann um zu erklären, wie hoch der Anteil welchen Gemüses ist, das nun in seinem Kessel köchelt: 10 Prozent Zwiebel, 30 Prozent Kürbis und 60 Prozent Kartoffel, sagt Viljoen, nimmt mit einer langen Schöpfkelle einen Schluck aus dem Tank, giesst ihn in ein Bierglas und trinkt daraus. Früher war Viljoen Besitzer einer der besten Brauereien Kapstadts, heute ist er arbeitsloser Brauer und leitet eine Suppenküche. Er wirkt nicht unzufrieden, die Gemüsebrühe schmecke gut und sei recht nahrhaft.
Seit nun fast zehn Wochen gilt in Südafrika einer der härtesten Lockdowns der Welt, der zwar dazu geführt hat, dass die Infektionszahlen mit etwa 240’00 Menschen noch recht gering sind, bei einer Einwohnerzahl von 57 Millionen. Die wirtschaftlichen Folgen sind aber immens, Millionen vor allem im informellen Sektor haben ihren Job verloren, Gärtner, Haushaltshilfen und Tagelöhner haben nichts zu tun und nichts, womit sie ihre Familien versorgen können.
Freiwillige schneiden Gemüse
«Wenn bald der Winter einsetzt, die Leute hungern und die Infektionen und die Panik steigen, dann haben wir ein ernsthaftes Problem. Wir wollen etwas Hoffnung geben», sagt Viljoen. Das mit der Hoffnung gilt wohl auch für ihn und die 60 Mitarbeiter seiner Woodstock Brewery, die derzeit keinen Job mehr haben, weil die Regierung Verkauf, Herstellung und Transport von Alkohol verboten hat. Deshalb hat Viljoen zusammen mit anderen Kleinbrauereien ein Kollektiv gegründet, das jeden Tag viele Tausend Liter Suppe kocht und dann an Bedürftige in der ganzen Stadt verteilen lässt.
Bis zu 14’000 Portionen wollen sie pro Tag liefern, die Zutaten werden von Unternehmen geschenkt oder durch Spenden gekauft. Dort, wo früher das Restaurant war, stehen heute Dutzende Freiwillige und schneiden riesige Mengen Gemüse. «Im Ernstfall stehen die Leute hier zusammen», sagt Viljoen. Auch anderswo sammeln die Einwohner Kapstadts Lebensmittelspenden und kochen für Bedürftige. Es ist ein Stück Solidarität in einem Land, das zu den ungleichsten der Welt gehört, in dem Millionen immer noch in engen Townships leben, während die Mittelschicht und die Reichen in schönen Vierteln leben, mit Blick auf den Tafelberg oder das Meer. Die Corona-Krise trifft alle, aber doch nicht alle gleich.
Staatschef Cyril Ramaphosa hält Fernsehansprachen voller Empathie und Überzeugungskraft.
Die Brauer und viele andere Privatpersonen und Unternehmen springen dort ein, wo der südafrikanische Staat nicht helfen kann oder will. Das vergangene Jahrzehnt war für viele Südafrikaner ein verlorenes, bis 2018 regierte der zutiefst korrupte Präsident Jacob Zuma, machte sich die ehemalige Befreiungsbewegung ANC das Land zur Beute. Nachfolger Cyril Ramaphosa hat zwar der Korruption den Kampf angesagt und nun in der Corona-Pandemie viele Südafrikaner hinter sich vereint. Er hält Fernsehansprachen voller Empathie und Überzeugungskraft und hat einen Gesundheitsminister an seiner Seite, der aus Sicht vieler einen sehr guten Job macht. Die Regierung kündigte ein milliardenschweres Hilfspaket an und erhöhte die Sozialhilfen – aber eben nur um etwa 20 Franken im Monat für jeden Bedürftigen.
ANC-Politiker stehlen Lebensmittel
Und selbst diese Hilfe kommt bis jetzt nicht immer an, auf lokaler Ebene regieren oft noch Korruption und Missmanagement. Immer wieder bilden sich kilometerlange Schlangen vor Essensausgaben. Privaten Hilfsorganisationen wird das Leben schwergemacht, sie müssen für Essenslieferungen in vielen Provinzen 48 Stunden vorher eine Genehmigung einholen und einen endlosen bürokratischen Prozess durchlaufen, immer wieder berichten lokale Medien davon, dass gespendete Lebensmittel nicht ankommen oder von ANC-Politikern gestohlen werden. Auch deshalb wird in Kapstadt gerne Suppe verteilt, die man schlecht stehlen kann.
«Die Regierung macht nichts für uns», sagt Gogo, die einfach nur nach der Kurzform für Grossmutter genannt werden will, weil sie so schliesslich die ganze Nachbarschaft kenne. Gogo ist Mitte fünfzig und steht in der Einfahrt ihres Hauses in Guguletu, einer Township von etwa 100’000 Einwohnern im Norden Kapstadts. Eine Strasse mit Schule, Bibliothek und einem Freibad, die Häuser haben alle Garage und gepflasterten Vorhof. Früher hatte Gogo in der Garage selbst ein kleines Restaurant betrieben, vor allem Fischgerichte, bis es ihr körperlich zu anstrengend wurde und ein Coiffeur einzog. Jetzt gibt es Gogo’s Kitchen wieder als Suppenküche für Bedürftige, die durch Corona nichts mehr zu essen haben. Gogo bekommt 1000 Liter Suppe von den Brauereien, dazu kocht sie noch das, was ihr gespendet wird, vieles kommt von Privatleuten aus Sea Point, einem eher wohlhabenden Stadtviertel am Meer. An diesem Tag gibt es einen Eintopf aus Fisch und Spinat. Auf der Strasse vor dem Haus stehen schon die Schlangen auf dem Gehsteig, Kinder kommen zuerst dran. Alle tragen eine Maske, alle desinfizieren sich die Hände, bevor sie das Essen in Empfang nehmen. Bei allen Problemen, sagt Gogo, gebe es in der so ungleichen Stadt Kapstadt auch viel Solidarität.
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