NFL-Quarterback Deshaun WatsonDer 230-Millionen-Mann ist doch nicht unantastbar
Im US-Sport wurden Täter nach Skandalen bisher eher mild bestraft. Der Einspruch der NFL nach der viel zu kurzen Sperre gegen den Quarterback zeigt nun: Die Zeiten ändern sich. Endlich.
Unantastbar. So muss sich Deshaun Watson in dieser Woche gefühlt haben. Die Botschaft nämlich, die der Quarterback der Cleveland Browns von so ziemlich allen Seiten bekommen hatte, war: Wenn einer reich und berühmt ist, spektakulär und erfolgreich genug spielt, dann muss er für sein Handeln abseits des Feldes kaum Konsequenzen fürchten.
25 Frauen werfen Watson vor, dass er sie zwischen März 2020 und März 2021 bei Massageterminen sexuell genötigt habe: Er soll zum Beispiel seinen erigierten Penis präsentiert haben, als «zufällig» das Handtuch verrutschte. Oder er soll in Richtung einer Therapeutin ejakuliert haben. Den Kopf einer anderen Frau soll Watson in die Richtung seines Geschlechtsteils gedrückt haben, um Fellatio zu fordern.
Die strafrechtlichen Ermittlungen in Texas – Watson spielte damals für die Houston Texans, er galt in dem US-Bundesstaat damit als quasi unantastbar: eingestellt von texanischen Geschworenen. Der Bezirksstaatsanwalt sagte danach deutlich, dass dies keinen Freispruch bedeute. Bei 23 Zivilklagen einigte sich Watson mit den Klägerinnen aussergerichtlich gegen die Zahlung nicht genannter Summen; eine Klage wurde zurückgezogen, eine ist noch offen.
Eine Mediatorin der US-Footballliga NFL schrieb am Montag zwar, dass er mit seinem Verhalten «eine ernste Gefahr für Sicherheit und Wohlbefinden einer anderen Person» gewesen sei; die Strafe dennoch nur: sechs Spiele Sperre zu Beginn der Saison. Aufgrund der Struktur seines Vertrages (230 Millionen über fünf Jahre) müsste Watson dabei lediglich auf 345’000 Dollar verzichten – ein Witz.
NFL legt Einspruch ein
Watson selbst verkündete über seine Anwälte, dass er nichts bereue, was während der Massagen passiert sei.
Nun aber die Nachricht: Nein, die NFL akzeptiert dieses Urteil nicht, sie legt Einspruch ein. Liga-Chef Roger Goodell kann nun selbst über eine Strafe entscheiden oder jemanden ernennen, der das tut. Die NFL hatte von Beginn an eine Sperre von mindestens einer Saison gefordert. Aus dem Umfeld war zu hören, dass sie einen Ausschluss «auf unbestimmte Zeit» präferierte und Watson erst wieder auflaufen lassen wollte, nachdem der seine Schuld eingestanden und sich bei den mutmasslichen Opfern entschuldigt hätte. Die zweite Forderung: eine Geldstrafe in Höhe von mindestens acht Millionen Dollar. Es heisst, dass die NFL dieses Urteil noch immer anstrebt.
Der Einspruch der NFL ist eine Abkehr von dem Prinzip, nach dem sie (und auch die anderen bedeutsamen US-Sportligen, die sich ohne Verbandsstruktur weitgehend selbst verwalten) bislang mit Skandalen umgegangen ist: Sie will zwar integer erscheinen, um keine Zuschauer zu verlieren, die von Akteuren angewidert sind, die sich strafbar machen oder moralisch verwerfliche Dinge tun. Jedoch will sie Zugpferde wie Watson in bedeutsamen Momenten der Saison auf dem Spielfeld haben und nicht abseits davon – um Fans nicht zu verärgern, die zahlen, um die Besten zu sehen. Das führte zu Strafen und Sperren, bei denen sich neutrale Beobachter oft verwundert am Kopf kratzten.
Der Einspruch zeigt, dass die Liga die Deutungshoheit in diesem Fall behalten will. Die Aufregung war dann doch zu gross, dass einer, der offenbar die Sicherheit anderer gefährdete und das noch nicht mal öffentlich bereut, mit einem Witz von Strafe davonkommt. Es ist nicht abzusehen, was nun passieren wird; zumal etwa die Spielergewerkschaft offenbar plant, die NFL für diesen Einspruch vor einem Bundesgericht zu verklagen.
Es geht um die Botschaft, die an den reuelosen Watson geschickt wird, aber durch das sport-popkulturelle Amerika hallen dürfte. Die Zeiten haben sich geändert und selbst schwerreiche Promis sind eines gewiss nicht mehr: unantastbar.
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