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Den Briten steht eine historische Woche bevor

Was passiert am Samstag? Anti-Brexit-Demonstranten mit der Flagge Irlands in Brüssel. (Keystone/Francisco Seco)
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In einem sind sich die Politiker aller britischen Parteien einig: Dem Vereinigten Königreich steht die wichtigste Woche seit dem Brexit-Referendum von 2016 bevor.

Die Thronrede der Königin macht an diesem Montag den Anfang. Wenig später dürfte sich zeigen, ob noch ein Brexit-Deal zwischen Grossbritannnien und der EU zustande kommt. Am Donnerstag soll Boris Johnson dann zum EU-Gipfel nach Brüssel reisen. Und am Samstag tritt das britische Parlament zu einer Sondersitzung zusammen, bei der alles möglich sein wird – von einem Sturz der Regierung bis zum Beschluss eines neuen Referendums über die britische EU-Mitgliedschaft.

Welche Bedeutung hat die «Queen's Speech» am Montag?

Von allen Ereignissen dieser Woche wird dies das prunkvollste sein – und das am wenigsten wichtige. Die von der Königin verlesene Regierungserklärung leitet für gewöhnlich nur eine neue Legislaturperiode ein. Ungewöhnlich ist, dass hinter dieser Regierungserklärung eine Regierung steht, die nicht aus einer Unterhauswahl hervorging, die über keine Mehrheit verfügt und die bisher jede Abstimmung verloren hat. Da Regierungschef Boris Johnson sich aus dieser Zwangslage schnellstmöglich durch Neuwahlen befreien will, ist ihm von der Opposition vorgeworfen worden, die «Queen's Speech» als blosse Wahlkampf-Massnahme zu missbrauchen – als Proklamation seines persönlichen Wahlprogramms.

Warum schaut zugleich alles gespannt nach Brüssel?

Dort steht offenbar, wie es die «Sunday Times» formulierte, alles «aufs Messers Schneide». Ob es die nächsten Tage noch zu einem Austritts-Abkommen für London kommt, hängt nicht zuletzt davon ab, wie weit Premier Johnson von seinen ursprünglichen Vorstellungen abzurücken bereit ist, die bei der EU auf Ablehnung gestossen sind.

Wie könnte ein Kompromiss aussehen?

Es soll ja hektische Bemühungen geben, etwas «hinzubiegen», was es Nordirland erlauben würde, zugleich innerhalb und ausserhalb der EU-Zollunion zu sein. Offiziell, also rein rechtlich gesehen, würde es an der Seite Grossbritanniens aus der Zollunion ausscheiden, damit das ganze Vereinigte Königreich mit aller Welt neue Handelsabkommen schliessen kann. Faktisch aber bliebe es an die Bestimmungen der EU-Zollunion und des EU-Binnenmarkts gebunden. Fraglich ist, ob die EU genug Vertrauen hätte in ein derart kompliziertes System.

Was halten die Brexit-Hardliner von dem Plan?

Nicht viel. Aber sie fürchten, dass sie ohne Johnson nie zum «harten Brexit» ihrer Wünsche kommen. Boris ist schliesslich «ihr» Mann. Also halten sie sich mit Kritik zurück. Auch Nordirlands Unionisten tun sich schwer. Die DUP-Vorsitzende Arlene Foster hat dem Regierungschef zähneknirschend «Flexibilität» versprochen. Aber ihr Stellvertreter Nigel Dodds hat bereits entschieden: «Das wird nicht funktionieren.»

Was plant Boris Johnson also für den «Super Saturday»?

Falls es zu einem Deal kommt, ist das der Tag, an dem das Unterhaus ihn annehmen oder ablehnen müsste. Nimmt es ihn an, plant die Regierung im Anschluss einen Tag-und-Nacht-Einsatz des Parlaments, damit das Vereinigte Königreich noch am 31.Oktober «auf einvernehmliche Weise» aus der EU ausscheiden kann. Lehnt es ihn ab, oder kommt gar kein Deal zustande, wäre Johnson eigentlich per Gesetz verpflichtet, noch am selben Tag, diesem Samstag, die EU um einen Brexit-Aufschub zu bitten, damit es nicht zu einem No-Deal-Fiasko Ende Oktober kommt.

Aber Johnson hat immer fristgemässen Austritt versprochen?

Weigert sich die Regierung, um Aufschub zu bitten, würde die Opposition unmittelbar die höchsten Gerichte anrufen. Denkbar wäre aber auch, dass der Premier zurück tritt, um Neuwahlen zu erzwingen. Oder dass das Parlament ihm das Misstrauen ausspricht. Boris Johnson kalkuliert, dass er als Brexit-Märtyrer ebenso wie als Brexit-Durchpeitscher Wahlen in diesem Winter gewinnen könnte. In allen Umfragen führt seine Konservative Partei klar vor der Labour-Opposition.

Denkt noch jemand an ein neues Referendum?

Ja. Von dieser Möglichkeit ist gegenwärtig immer mehr die Rede. Labour-Chef Jeremy Corbyn ist zwar, genau wie sein Kontrahent in Downing Street, ganz auf Neuwahlen fixiert. Immer mehr Parlamentarier beider Parteien scheinen aber jetzt zum Schluss zu kommen, dass Wahlen das Problem nur verschleppen würden, oder dass ein möglicher Johnson-Wahlsieg endgültig zu einem No-Deal-Exit führen würde. Darum wollen sie zuerst ein Referendum sehen, bei dem die Wählerschaft entscheiden soll, ob sie einen bestimmten Austritts-Deal akzeptieren oder lieber in der EU verbleiben will.

Und wie liesse sich das bewerkstelligen?

Die Idee ist, am Samstag einen Deal durchs Unterhaus zu winken, der an ein «bestätigendes Referendum» gebunden ist. Das heisst: Der Austritt würde nur wirksam, wenn er von der Wählerschaft gutgeheissen würde. Andernfalls bliebe Grossbritannien in der EU. Der Deal könnte dabei Johnsons Deal sein, falls er einen aus Brüssel mitbringt. Oder man könnte auf Theresa Mays alten Deal zurück greifen. Über die rechte Methode wird noch diskutiert. Ob tatsächlich eine Mehrheit für ein neues Referendum im Unterhaus zustande käme, lässt sich zu Beginn dieser Woche nicht mit Sicherheit sagen. Aber zum Ende der Woche wäre das wenigstens klar.