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Kulturmagazin «Das Wetter»
Print ist tot? Die beiden beweisen das Gegenteil

Katharina Holzmann und Sascha Ehlert haben mit ihrem Magazin ins Schwarze getroffen.
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«Das Wetter» ist ein gedrucktes Magazin für Text und Musik. Und es läuft hervorragend. Seit zehn Jahren. Da haben zwei Leute in Berlin einfach das Printbusiness reanimiert. Ein guter Grund für eine Party – und wie feiert man die am besten? Mit einem Best-of-Buch aus zehn Jahren Kultmagazin.

2013 hatten die meisten deutschen Musikzeitschriften ihren Zenit überschritten. «Spex» oder «Juice» verloren Anzeigen, die Auflagen waren stark gesunken. Wer überlebte, ging online und direkt hinter die Bezahlschranke. Vor der leider ein zu grosser Teil der Leserschaft heute immer noch steht, weil er denkt, es bedeute «Hier kommst du nicht durch».

Oder sassen da zwei Rich Kids irgendwo in Berlin-Charlottenburg und haben überlegt, was sie mit Papas Geld für die Popkultur tun könnten? Nein, das haben die Abonnenten, Anzeigekundinnen und das Internet möglich gemacht.

Wenn Namen noch keinem etwas sagen, hat das «Wetter» schon lange einen Tag mit ihnen verbracht.

Sascha Ehlert hat zu jener Zeit als angehender Musikjournalist 25 Euro für eine Plattenbesprechung bekommen. Prekär, aber in einem gewissen Alter noch irgendwie hot. Nachdem er die Hip-Hop-Zeitschrift «Juice» geleitet hatte, gründete er das «Wetter». Zusammen mit Katharina Holzmann, die nicht nur diverse TV-Zeitschriften von vorne bis hinten gelesen hat, sondern auch alle «GEO»-Magazine der Neunzigerjahre. Sie ist jetzt freie «Wetter»-Lektorin und Redaktorin für verschiedene Print- und Fernsehformate.

Als sich die beiden kennen lernten, beschäftigte sich Holzmann unter anderem mit der Weimarer Republik. Weil sie über die Epochen immer alles wissen wollte, stiess sie auf Zeitschriften mit kitschigen Titeln wie «Die Pille», «Der Sturm» oder «Die Weltbühne», in denen ein Stück von Bertolt Brecht als Vorabdruck neben einer Streitschrift von Tucholsky (unter Pseudonym) zu lesen war; daneben ein Holzschnitt von Kokoschka. Für beide war klar, so frei soll es auch in ihrem Magazin zu und her gehen.

Kulturgrössen lassen viel zu

Das «Wetter» beweist seit zehn Jahren, dass es funktioniert. Auf der einen Seite was über Rap und auf der anderen was über einen Roman. Der Zauber dieses Sammelbandes liegt darin, dass die Interviewfragen überraschend und nicht selbstbezogen sind. Es sind Gespräche, die nicht husch, husch am Telefon geführt wurden. Was immer wieder die schöne Situation kreiert, dass dann plötzlich die Gäste Fragen stellen.

Sybille Berg oder Christian Kracht, beides Menschen, die das Licht nicht suchen, nehmen sich viel Zeit für das «Wetter». Kracht erzählt gerne von seinem Roman «Die Toten» und wann er zuletzt geweint hat. Aber nicht nur Männer wie Frank Castorf oder Maxim Biller lassen viel zu, weil die Leute vom «Wetter» einfach Fragen stellen, die sich andere nicht trauen, wegen irgendeiner Demuts-Bewunderungs-Hemmung, wer weiss.

Wenn Namen wie Rapperin Haiyti oder Autorin Şeyda Kurt noch keinem etwas sagen, hat das «Wetter» mit ihnen schon lange einen Tag verbracht, eine Nacht am Küchentisch gesessen und sie ins Tattoo-Studio begleitet.

Keine Rezensionen, kein Schnickschnack, keine Ausgehtipps

Wie sich jetzt herausstellt, war es genau die richtige Idee von Holzmann und Ehlert, auf lange Gespräche und mehrseitige Porträts zu setzen. Keine Rezensionen (weil ja immer Marketing für irgendwen), nix Kleintextliches, was man im Internet schon konsumiert, keine Kulturagenda mit Ausgehtipps.

Auf Instagram heisst das Magazin «Wetteristimmer», und im Onlineshop kann man sich ein T-Shirt bestellen, auf dem steht: «Es kann nur besser werden». Dann sollte man sich das beherzigen und offline gehen mit Stil. Dieser Sammelband will nichts von einem – und das ist grossartig. Nostalgie? Vielleicht auch. Aber in erster Linie ist das alles Popkultur, die sie besser irgendwo in der Wohnung auflegen für gute Gespräche. Übers Wetter reden eben.

Während des Literaturfestivals «Zürich liest» feiert «Das Wetter» seine Schweizer Buchpremiere am Samstag, 28. Oktober, im Theater Neumarkt. Und am 17. November in der Kaserne Basel im Rahmen von  «Buch Basel».

«Das Wetter – Magazin für Text und Musik» erhält man in Deutschland, Österreich und der Schweiz in jeder Bahnhofsbuchhandlung und in ausgewählten Concept-Stores. 

Katharina Holzmann, Sascha Ehlert (Hg.): Das Wetter – Buch für Text und Musik. Kiepenheuer-&-Witsch-Verlag, 2023. 384 S., ca. 33 Fr.