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Krampf mit dem Rahmenabkommen
Das launige Wörterbuch zum Showdown mit der EU

Immunisierung? Reset? Oder einfach nur schlechte Laune? Der letzte europapolitische Auftritt des Bundesrats ist mehr als ein Jahr her. Doch erst jetzt steht der Entscheid über die Streitfragen bevor.
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Die Schweiz und die EU ringen schon derart lange um das Rahmenabkommen, dass sich dazu eine eigene Sprache entwickelt hat.

Nun muss der Bundesrat in diesem heiklen Dossier über das weitere Vorgehen entscheiden – möglicherweise schon heute Mittwoch. Höchste Zeit also für einen Dictionnaire, der den Bundeshaus-Sprech in normales Deutsch übersetzt.

Bundesrat, der

Schweizerisches Gremium mit sieben Mitgliedern. Ist in der EU-Frage tief gespalten, gibt aber vor, eine Strategie zu verfolgen. Zögert eine Entscheidung über das → Rahmenabkommen seit zwei Jahren mit allen Mitteln hinaus.

Reset, der

Neuitalienisch für Neustart in den Verhandlungen um das → Rahmenabkommen. Erstmals benutzt vom heutigen Aussenminister Ignazio Cassis, als er 2017 für den Bundesrat kandidierte. Seither klebt der Begriff an Cassis wie ein zerkauter Kaugummi an seinem geblümten Sofa. Bisher hat der R. nur homöopathische Wirkung entfaltet. Nun ist ein möglicher R. wieder im Gespräch. Siehe → Wachsende Ungeduld.

Aussenminister Ignazio Cassis erklärte an seiner 100-Tage-Bilanz in Lugano im Februar 2018 die schweizerisch-europäische Beziehung anhand von Bauklötzen.

Rahmenabkommen, das

Heissestes Eisen der Schweizer Aussenpolitik. Auch Institutionelles Abkommen genannt, kurz InstA. Die EU fordert ein R. als Dach über die bilateralen Verträge. Das R. regelt die Übernahme von neuem EU-Recht durch die Schweiz in fünf Marktbereichen (siehe→ Dynamische Rechtsübernahme) und das Vorgehen im Streitfall.

Wachsende Ungeduld, die

Seit Mai 2014 wurde verhandelt, seit Ende 2018 liegt der Entwurf des InstA auf dem Tisch (Lesen Sie den Text hier). Im Juni 2019 teilte der Bundesrat der EU in einem Brief mit (Lesen Sie den Brief hier), das Abkommen sei ohne Klarstellungen nicht mehrheitsfähig. Seither wartet die EU auf konkrete Lösungsvorschläge statt eines neuerlichen→ Resets.

Brexit-Effekt, der

Zentraler Glaubenssatz von InstA-Gegnern. Er besagt, der britische Premier Boris Johnson werde mit der EU einen derart guten Ausstiegs-Deal aushandeln, dass die Schweiz in dessen Windschatten ein vorteilhafteres InstA bekomme. Experten halten einen solchen B. für politische Esoterik: Der Brexit sei für die Schweiz sogar nachteilig, weil er bei der EU zu einer Verhärtung geführt habe.

Souveränität, die

«Unabhängigkeit eines Staates (vom Einfluss anderer Staaten)»: Diese Duden-Definition halten Befürworter des InstA für irreführend; sie sehen im Abkommen eine Sicherung der S., weil es dem übermächtigen Nachbarn EU verbindliche Spielregeln für den Konfliktfall vorgibt. SVP-Übervater Christoph Blocher hingegen spricht von einem «Unterwerfungsvertrag», der die S. der Schweiz beenden würde. Siehe auch→ Dynamische Rechtsübernahme.

Dynamische Rechtsübernahme, die

Beispiel für diplomatische Kreativität. Beschreibt die Verpflichtung der Schweiz, künftiges EU-Recht zu übernehmen, wobei Parlament und Volk über jede Gesetzesänderung entscheiden können – im Unterschied zur automatischen R. Bei einer Ablehnung könnte die EU jedoch→ Retorsionsmassnahmen ergreifen. Nicht zu verwechseln mit dem autonomen Nachvollzug, bei dem die Schweiz EU-Recht von sich aus übernimmt.

Immunisierung, die

Derzeitiger Trendbegriff in Bundesbern. Weckt Assoziationen mit Covid-19, bezieht sich aber auf das InstA, das manche ebenfalls für eine gefährliche Erkrankung halten. Bedeutung: Die Schweiz soll versuchen, die → Rechtsübernahme und den Einfluss des → Europäischen Gerichtshofs in politisch heiklen Bereichen auszuschliessen, etwa beim Lohnschutz, der Unionsbürgerrichtlinie und den staatlichen Beihilfen. Siehe auch → Inseln.

Inseln, die

Blumige Variante für → Immunisierung. Eingeführt von einem NZZ-Fachredaktor für politische Poesie. Verwendung: So wie Inseln in einem Fluss sollen mehrere Politikbereiche vom InstA ausgenommen werden. Der Begriff hat den Vorteil, dass er nicht an Covid-19 erinnert, vielmehr an den Schweizer Sonderfall und den → Brexit-Effekt.

Europäischer Gerichtshof, der

Abkürzung: EuGH. Hüter der europäischen Verträge, im InstA-Kontext als «fremde Richter» verschrieen. Die Schweiz selbst schlug den EuGH 2013 als bilaterale Schlichtungsinstanz vor, forderte aber 2017 ein vorgeschaltetes Schiedsgericht. Kritiker halten die Rolle des E. im InstA für toxisch und fordern einen → Reset.

Nachverhandlungen, die

Formelle Gespräche über einen von den Vertragsparteien bereits als fertig bezeichneten Entwurf. Die EU lehnt N. ab. Innenpolitisch stehen N. für die zweithöchste Stufe auf der Skala der Unzufriedenheit: Diese reicht von «Verhandlungsabbruch» («sehr unzufrieden»: SVP) über «Nachverhandlungen» («eher unzufrieden»: CVP, Gewerbeverband, Gewerkschaften) und «Präzisierungen/Klärungen» («eher zufrieden»: Bundesrat, Kantone, FDP, SP, Economiesuisse) bis zu «Unterzeichnung» («sehr zufrieden»: Grünliberale, BDP). Siehe auch → Klärungen.

Klärungen, die

Politischer Vernebelungsbegriff, gleichbedeutend mit → Nachverhandlungen. Schweizer Politiker erfanden die K., nachdem die EU die InstA-Verhandlungen Ende 2018 für beendet erklärt hatte. Der→ Bundesrat forderte darauf in einem Brief einen «Dialog» mit dem Ziel, einige Vertragspassagen «klarzustellen» oder zu «präzisieren». Die begrifflichen Unschärfen ermöglichen allen Beteiligten rhetorische Maximalforderungen und lassen gleichzeitig Hintertüren für spätere Rückzüge offen.

Retorsionsmassnahmen, die

Strafaktionen der EU für den Fall, dass die Schweiz das InstA ablehnt. Als erste R. hat die EU-Kommission 2017 der Schweizer Börse die unbefristete Anerkennung verweigert, weitere könnten Universitäten und Forscher treffen. Zudem kann die EU Exporte behindern, indem sie das Abkommen über technische Handelshemmnisse nicht aufdatiert. Heute existieren keine Regeln für R. Das InstA würde der Schweiz ermöglichen, R. durch ein Schiedsgericht überprüfen zu lassen.

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