Glosse vom Rand der MeisterfeierDas übelste Urinal der Stadt – und das längste
Diese Buchshecke im Kreis 4 zieht die Menschen magisch an: bierselige Menschen mit einem typischen Bedürfnis, auf der Suche nach etwas Intimität.
Grundsätzlich habe ich ja nichts dagegen, wenn meine Tochter und ihre Freunde auf dem Weg in den Kindergarten Steine und Blätter sammeln und mit dem wenigen spielen, was die Natur mitten im Kreis 4 so hergibt.
Aber was die Buchsmeile (ich glaube, es ist Buchs) angeht, habe ich ihnen vor einiger Zeit ein striktes Verbot ausgesprochen. Die Buchsmeile ist entlang der Ankerstrasse vor dem Bezirksgebäude gepflanzt. Versteckspiele erlaube ich dort den Kindern genauso wenig wie das Abrupfen und Sammeln der Blättchen. Denn die Route zwischen der Haltestelle Bezirksgebäude und dem Helvetiaplatz ist wohl das schlimmste Urinal der Stadt.
Wie verpisst es dort ist, habe ich erstmals nach dem EM-Italiensieg im Juli 2021 bemerkt. Auf dem Weg nach der Italo-Party nach Hause hockten um zwei Uhr morgens etwa acht Männer und zwei Frauen in den Büschen und liessen ihrem Pipi freien Lauf. Nach der ersten, inoffiziellen FCZ-Meisterfeier vom 1. Mai dachte ich sogar, irgendjemand hätte zur Party hinter den Büschen ausgerufen – so viele hockten hinter dem Grün. Und natürlich ging es im Busch auch am Sonntagabend wieder fröhlich urinierend zu und her. Am Morgen stank es dort derart, dass es mir fast den Magen umdrehte. Dabei waren mehrere Toi-Toi-Pissoirs auf dem Helvetiaplatz installiert.
So blickdicht wie kaum ein anderes Gewächs
Wenn ich die Wahl hätte zwischen einem offenen Pissoir, das mitten auf einem Platz steht, und einem Busch, würde auch ich den intimen Busch wählen: Die Buschmeile an der Ankerstrasse ist geradezu prädestiniert, um dort seine Blase zu entleeren: umgeben von etwas Kies- und Grünfläche und gerade so hoch, dass durchschnittlich grosse Menschen kauernd dahinter pinkeln können, ohne von den Vorbeilaufenden gesehen zu werden. Und die Büsche sind erstaunlich blickdicht. Das lässt sich weiss Gott nicht von jedem Gewächs behaupten.
Wenn ich nach solchen Fussball-Partynächten an der Buschmeile vorbeikomme, frage ich mich jeweils, was die Büsche wohl von all den lallenden, sich ihres Biers entledigenden Menschen halten. «Verpisst euch!», würden sie wohl zischen, wenn sie könnten. Doch schaden tut es ihnen offensichtlich nicht. Ich habe gar keinen grünen Daumen, aber doch mal gehört, dass Urin ein guter Dünger ist.
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