Rochade im BundesratDas sind die grossen Baustellen für die Neuen
Stromkrise, Milliardendefizite, steigende Asylzahlen: Für Albert Rösti, Karin Keller-Sutter und Elisabeth Baume-Schneider gibt es viel zu tun in ihren neuen Departementen.
So rasant laufen Stellenwechsel sonst nie ab: Diesen Donnerstag haben die Mitglieder des Bundesrats drei ihrer sieben Departemente neu vergeben – und in nicht einmal vier Wochen treten die Neuen ihren anspruchsvollen Job an. Albert Rösti (SVP) wird am 1. Januar Umweltminister, Elisabeth Baume-Schneider (SP) startet am gleichen Tag im Justizdepartement. Sie ersetzt die bisherige Justizministerin Karin Keller-Sutter (FDP), die dann ins frei gewordene Finanzdepartement wechselt.
In allen drei Departementen stehen in der nächsten Zeit wichtige Geschäfte und Entscheide an. Am akutesten sind die Herausforderungen für Albert Rösti – doch auch Keller-Sutter und Baume-Schneider haben grosse Aufgaben vor sich.
Rösti, der «Strom-General»
Ein regelrechter Kaltstart erwartet Albert Rösti im Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation. Mitten in der schwersten Energiekrise seit Jahrzehnten muss er sicherstellen, dass das Land mit ausreichend Strom versorgt wird – nicht nur in den nächsten zwei, drei Monaten, sondern vor allem auch im Folgewinter, wo sich die Krise nach Einschätzung vieler Experten noch verschärfen könnte.
Aktuell sind die Gasspeicher in den europäischen Ländern noch voll, doch wird es 2023 vermutlich nicht gelingen, sie wieder ausreichend zu füllen. Sollte tatsächlich eine ernsthafte Strommangellage eintreten, muss Rösti zusammen mit seinem Parteifreund, Wirtschaftsminister Guy Parmelin, für eine reibungslose Umsetzung der Notfallkonzepte sorgen. Rösti rutscht damit in die Rolle des «Strom-Generals», den seine SVP zuletzt für das Krisenmanagement gefordert hatte.
In dieser Funktion erwartet Rösti auch eine für ihn persönlich ziemlich unangenehme Aufgabe: Er wird das vom Parlament entworfene neue «Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz» in der Volksabstimmung verteidigen müssen.
Das Gesetz fungiert als Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative und sieht weitreichende Investitionen und Massnahmen vor, um die Treibhausgase zu reduzieren. Die SVP indes wird das «Stromfresser-Gesetz», wie sie es nennt, energisch bekämpfen. Rösti persönlich sitzt im Co-Präsidium des Referendumskomitees. Nun muss er die Seite wechseln – ein Stresstest für ihn selber wie auch für die Kollegialität im Bundesrat.
Längerfristig muss Rösti insbesondere Mittel und Wege finden, der Schweiz einen festen Platz im europäischen Strommarkt zu sichern – keine einfache Angelegenheit, da die EU wenig Bereitschaft zu einem Stromabkommen zeigt. Dagegen nehmen sich andere Baustellen, etwa in den Bereichen Verkehr, Raumplanung, Medienpolitik oder 5G, vergleichsweise bescheiden aus.
Keller-Sutter, die «Spar-Füchsin»
Sie sehe sich als «Spar-Füchsin», die den Konflikt mit ihren Kollegen nicht scheue, feixte Karin Keller-Sutter an der Medienkonferenz vom Donnerstag. Tatsächlich gefallen sich die Schweizer Finanzminister traditionell in der Rolle der besorgten Mahner, die den Restbundesrat und das Parlament zu mehr Ausgabendisziplin auffordern. Meist mit beschränktem Erfolg: Das Parlament beschloss jüngst etwa massive Mehrausgaben für die Armee.
Da ausserdem die Spätfolgen der Corona-Pandemie und die unerfreuliche Konjunktur auf dem Bundeshaushalt lasten, sind die Perspektiven für die nächsten Jahre eher düster. Zusätzliche Mehrausgaben in Milliardenhöhe könnten folgen, wenn etwa das Volk die Prämienentlastungsinitiative der SP annimmt. Durchaus denkbar also, dass Keller-Sutter Sparprogramme aufgleisen muss – diese gehören erfahrungsgemäss zu den heikelsten und schwierigsten Übungen im Bundeshaus.
Anspruchsvoll wird auch die Einführung der Individualbesteuerung. Vor wenigen Tagen erst schickte der Bundesrat einen Entwurf in die Vernehmlassung, der für Ehepartner weitreichende Folgen hätte: Sie würden künftig einzeln statt gemeinsam besteuert. Entsprechende Reformversuche gab es schon mehrfach; sie scheiterten bisher aber am Widerstand verschiedener Lager.
Baume-Schneider, die Asylmanagerin
Die Schweiz befinde sich in der grössten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. So hielt es Christine Schraner Burgener, die Staatssekretärin für Migration, unlängst fest. In dieser Situation übernimmt die neue SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider nun die Verantwortung für den Asylbereich.
Bereits jetzt befinden sich über 60’000 Schutzsuchende aus der Ukraine in der Schweiz. Dazu kommt eine steigende Zahl von Asylsuchenden aus anderen Ländern. Die Asylunterkünfte des Bundes sind am Anschlag, und die Kantone öffnen zum Teil Zivilschutzanlagen. Baume-Schneider muss sich darauf gefasst machen, im Wahljahr 2023 von der SVP für die krisenhaften Zustände mit- oder sogar hauptverantwortlich gemacht zu werden.
Zu den wichtigen Dossiers im Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) gehört die Bekämpfung von häuslicher und sexueller Gewalt. Derzeit diskutiert das Parlament darüber, wann der Straftatbestand einer Vergewaltigung erfüllt ist. Zudem arbeitet das EJPD zusammen mit den Kantonen und weiteren Partnern und Organisationen an verschiedenen Massnahmen gegen häusliche Gewalt. Ebenfalls zuständig ist Baume-Schneider für die Schaffung einer elektronischen Identität, die vom Bund herausgegeben wird.
Hinweis: In einer früheren Version des Textes hiess es, Karin Keller-Sutter sei die erste Frau an der Spitze des Finanzdepartements (EFD). Richtig ist, dass Eveline Widmer-Schlumpf als erste Frau von 2010 bis 2015 das EFD leitete.
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