Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Politskandal in den Niederlanden
Das Parlament geht hart mit Mark Rutte ins Gericht

Trotz Wahlsieg wird es eng für ihn: Mark Rutte im Parlament in Den Haag. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

In den Niederlanden hat das Parlament am Donnerstag in einer Sondersitzung über die Affären diskutiert, die den geschäftsführenden und im März wiedergewählten Ministerpräsidenten Mark Rutte in immer grössere Not bringen. Konkret ging es vor allem darum, inwiefern Rutte und seine Minister erstens das Parlament in der Kindergeldaffäre bewusst nicht oder selektiv informierten und zweitens Aufklärungsversuche von Abgeordneten sabotierten. Im weiteren Sinne standen auch die politische Kultur in Den Haag und das Vertrauen der Bürger in die Redlichkeit der Politiker zur Debatte.

Hintergrund ist, dass der Staat seit 2012 Tausende Familien verdächtigte, Sozialmissbrauch zu begehen. Schon kleine Formfehler führten dazu, dass die Behörden die gesamte bis dahin geleistete Beihilfe zurückforderten. Viele Betroffene sind deshalb bis heute hoch verschuldet und in Not. Die Vorgänge wurden nur schleppend aufgeklärt. Eine mehrerer parlamentarischer Untersuchungskommissionen sprach von «beispielloser Ungerechtigkeit» und einem «Verstoss gegen Grundprinzipien des Rechtsstaats». Ihr Bericht zwang die Regierung Rutte im Januar zum kollektiven Rücktritt. Im März gewannen seine Rechtsliberalen die Parlamentswahl, Rutte würde gerne auch der nächsten Regierung vorstehen.

Zu Transparenz verpflichtet

Eine Serie von Enthüllungen stellt dies zunehmend infrage. Kurz vor Ostern kam zufällig ans Licht, dass Rutte im Zuge der Sondierungsgespräche für die neue Regierung versucht hatte, den Abgeordneten Pieter Omtzigt wegzuloben. Der Christdemokrat war führend beim Versuch des Parlaments, die Kindergeldaffäre aufzuklären und Eltern zu ihrem Recht zu verhelfen.

Vor einer Woche veröffentlichte der Sender RTL Auszüge der Protokolle der Kabinettssitzungen, in denen 2019 über den Kindergeldskandal gesprochen wurde. Sie machten deutlich, dass Rutte und seine Minister sich nicht mit der Wiedergutmachung des von ihnen selbst verursachten Unrechts befassten, sondern mit der Frage, wie sie die Reihen schliessen. Laut Verfassung wäre das Kabinett zu mehr Transparenz verpflichtet gewesen.

Das Land werde von einer «Mafia» regiert: Rechtsaussen Geert Wilders attackiert Rutte. 

In der Parlamentsdebatte äusserten Abgeordnete tiefe Empörung über das Verhalten des Kabinetts und der Regierungsparteien. Farid Azarkan von der Einwandererpartei Denk sagte, das Land sei zu einer «Schein-Demokratie» verkommen oder gar zu einer «Bananen-Monarchie». Das Kabinett habe «Arroganz» und «diktatoriale Züge» an den Tag gelegt. Der Rechtsaussen Geert Wilders sprach von einer «Mafia», die das Land regiere, im Kabinett sässen «inkompetente ängstliche Menschen, Egoisten und Narzissten, die nur an sich selbst denken».

Es ist gut möglich, dass es zu Neuwahlen kommt.

Abgeordnete der regierenden Parteien – Rechtsliberale, Linksliberale und Christdemokraten – stimmten zum Teil in die Kritik mit ein, versuchten aber auch Verständnis für die Lage des Kabinetts zu wecken. Es habe dem Parlament Informationen «nicht aus böser Absicht» vorenthalten, sagte Ruttes langjährige enge Mitarbeiterin Sophie Hermans.

Doch die Bildung einer neuen Regierung rückt nach den jüngsten Vorgängen in weite Ferne. Beobachter bezweifeln, dass es gelingt, eine Koalition mit Rutte an der Spitze zu vereinen. Allerdings zeichnet sich auch keine alternative politische Mehrheit ab, schliesslich wurden Ruttes Rechtsliberale bei der Wahl im März bei weitem stärkste Partei. Möglich ist daher, dass es zu Neuwahlen kommt.