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Parlamentswahlen in Südkorea
Das neue Leben des Überläufers

Ein Beamter sortiert Poster der Kandidaten in Südkorea.
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Nordkorea wird für Thae Yong-ho das Thema seines Lebens bleiben. Wie könnte es anders sein? Thae (57) hat das kommunistische Regime lange als Vizebotschafter in London vertreten. Sein Stammbaum machte ihn unverdächtig, empfänglich zu sein für die Verlockungen der freien Welt. Trotzdem lief er 2016 mit Frau und zwei Söhnen nach Südkorea über, schrieb ein enthüllendes Buch, wurde ein gefragter Zeitzeuge aus dem Reich des Diktators Kim Jong-un.

Und auch der Umstand, dass er sich an diesem Mittwoch bei den Parlamentswahlen als erster Überläufer um ein Direktmandat für Südkoreas Nationalversammlung bewirbt, hat mit seiner alten Heimat zu tun. Im Herbst schickte Südkoreas Marine zwei Fischer aus Nordkorea zurück, weil sie unter Mordverdacht standen. Ohne Prozess. «Das war so falsch, selbst wenn sie Kriminelle waren», sagt Thae. Nun tritt er für die konservative Oppositionspartei VFP im Seouler Wahlkreis Gangnam an.

Thae Yong-ho.

Thaes Geschichte ist derzeit sicher nicht grösser als das eigentliche Thema dieser Wahl. Zur Abstimmung kommt das Management der Coronavirus-Krise durch die Regierung des liberalen Präsidenten Moon Jae-in. Und es sieht so aus, als würde dieser Umstand Moons Lager begünstigen. Die Zahl der Neuinfektionen ist zuletzt gesunken.

Die Überläufer verschaffen sich Gehör

Trotzdem steht Thaes Kandidatur für eine neuen Trend in der südkoreanischen Gesellschaft. Die Stimme der Überläufer in Südkorea wird lauter im Kampf gegen soziale Ungleichheiten zwischen den Landsleuten aus Nord und Süd. 2012 kam in Cho Myung-chul von der konservativen NFP der erste Überläufer über die Zweitstimmen ins Parlament. Diesmal bieten die Flüchtlinge aus dem Norden erstmals eine eigene Patei auf, die Süd-Nord-Einheitspartei. Und in Thae haben sie auf einmal eine Identifikationsfigur.

Thae Yong-ho war ein Nordkoreaner ohne Sorgen. Er lebte in Dänemark, Schweden, England und genoss die Privilegien der Elite. Die Flucht ergriff er nach eigenen Angaben, weil er seinen Söhnen nicht zumuten wollte, sich an ein Unrechtssystem anpassen zu müssen. Aber es wird auch eine Befreiung für ihn selbst gewesen sein. Als Diplomat musste er einen Staat verteidigen, über den er jetzt sagt: «Es gibt dort absolut keine Freiheit. Es gibt nicht einmal die Freiheit, arbeitslos zu sein.»

Als «menschlichen Abschaum» hat Nordkoreas staatliche Nachrichtenagentur ihn nach dem Seitenwechsel bezeichnet. Eine Rückkehr in den Norden wäre für ihn vermutlich tödlich. Deshalb war Thae Yong-ho wohl auch so aufgewühlt, als er hörte, dass Südkorea zwei Landsleute aus dem Norden zurückgeschickt habe. Zu seinem Wahlprogramm gehört ein Gesetz, das Südkorea verpflichtet, alle nordkoreanischen Geflüchteten aufzunehmen – unabhängig davon, was sie verbrochen haben.