Jetzt auch noch der WM-TitelDas Schweizer Tennismärchen geht weiter
Jil Teichmann und Belinda Bencic gewinnen in Glasgow ihre Einzel des Billie Jean King Cup gegen Australien und holen für das Günthardt-Team erstmals den Titel.
Das Tennisjahr, in dem Roger Federer seine Karriere abbrechen musste, erhält aus Schweizer Sicht doch noch ein wundersames Happy End: Angeführt von Belinda Bencic holte sich das Team von Heinz Günthardt erstmals den Titel am Billie-Jean-King-Cup, der früher Fed-Cup hiess und das Pendant zum Davis-Cup ist. Im Final im schottischen Glasgow machten Jil Teichmann und Bencic gegen Australien schon in den Einzeln alles klar und liessen die Schweiz zur 12. Siegernation in diesem 1963 gegründeten Wettbewerb werden.
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Teichmann legte die Basis für den Triumph mit einem hart erkämpften Sieg gegen Storm Sanders (6:3, 4:6, 6:3). Die Bielerin (WTA 35) zeigte gegen die Nummer 237 eine starke Leistung, vor allem kämpferisch überzeugte sie. Angefeuert von vielen Schweizer Fans, die sie auch mit Blasmusik stimulierten, beendete sie die Partie nach zweieinhalb Stunden mit ihrem 22. Winner. Teichmann dankte Günthardt, ihrem Team und den Fans für den grossen Support.
Belinda Bencic war danach gegen Ajla Tomljanovic (WTA 33) auf der Höhe und kam mühelos zum vierten Sieg in Serie gegen Australiens Nummer 1. Sie verlor zwar ihren Service zum 2:2, gewann den Startsatz aber 6:2, setzte ihre Dominanz auch im zweiten Satz fort (6:1) und holte nach 76 Minuten ihren vierten Sieg im vierten Einzel der Woche. «Wahrscheinlich sollte ich nur noch für Mannschaften spielen und nicht mehr für mich», scherzte Bencic später.
«Wir tun nicht nur so, wir haben uns wirklich gern.»
Heinz Günthardt, der für einmal selbst Tränen in den Augen hatte, wies darauf hin, dass dieser Titel am Ende eines langen Weges stehe, der schon vor Jahren begonnen habe. «Dieses Team hat sehr viel Herz. Mein Adrenalin war haushoch, es ist ein Privileg, so etwas aus nächster Nähe zu erleben.» Der 63-jährige Zürcher ist seit 2012 dabei und hat es geschafft, ein Team zu formen, das gemäss Golubic jede gemeinsame Woche geniesst. Günthardt selbst machte in der Finalwoche alles richtig, vor allem bei der Wahl der zweiten Einzelspielerinnen: Gegen Italien und Australien kam Teichmann zum Einsatz, gegen Kanada und Tschechien Golubic. Beide blieben ungeschlagen.
«Wir tun nicht nur so, wir haben uns wirklich gern», sagte auch Teichmann. Bencic hatte vor lauter Emotionen zuerst Mühe, Worte zu finden. Sie habe schon während der Partie Teichmanns viel Energie verbraucht, gab sie zu. «Ich war stolz auf sie und inspiriert durch ihre Leistung.»
2 Millionen Dollar für das Team, 1,2 Millionen für den Verband
Für das Schweizer Tennis geht damit eine höchst lukrative Woche zu Ende. Das Preisgeld von zwei Millionen Dollar geht an die Spielerinnen und den Captain, die dieses selbst aufteilen können – sofern sie sich einig werden, andernfalls würde Swiss-Tennis-Präsident René Stammbach eingreifen. Für den Verband bringt der Erfolg weitere 1,2 Millionen Dollar.
Die Schweiz stand zum dritten Mal im Endspiel, nach 1998 und 2021. Die Erinnerungen an das vergangene Jahr waren bitter, weil die Niederlage gegen die Russinnen von einem unfairen taktischen Winkelzug überschattet wurde. Diese hatten kurz vor dem Finalbeginn Teamleaderin Anastasia Pawljutschenkowa für verletzt erklärt und durch die Nummer 5 des Teams ausgewechselt, Ljudmila Samsonowa, die in der Folge ihren dritten Sieg gegen Bencic hintereinander holte.
«Das vergangene Jahr gab uns Extramotivation. Unsere Herzen waren gebrochen.»
«Das vergangene Jahr gab uns Extramotivation», sagte Bencic. «Unsere Herzen waren gebrochen, ich weinte enorm viel. Doch dann kam Jil und sagte: ‹Wir werden den Titel dafür nächstes Jahr holen.›» Dass dieses Szenario wirklich eintreffen könnte, schien damals unvorstellbar. Dank dem jüngsten Erfolg steht bereits fest, dass die Schweiz auch 2023 das Finalturnier der acht besten Nationen bestreiten kann. Wo das sein wird, ist unklar – eine Bewerbung der Schweiz sei momentan nicht geplant, sagt René Stammbach.
Billie Jean King, die Namensgeberin des Wettbewerbs, zeigte sich sehr angetan von den Schweizerinnen. «Letztes Jahr weinten sie, weil sie verloren hatten, nun weinten sie, weil sie gewonnen hatten», sagte sie. Die Schweizerinnen erhielten als erstes Siegerteam blaue Jacketts, die zur Tradition werden sollen und mit einer Inschrift von King veredelt sind. So gaben die neuen Siegerinnen und ihre Kapitänin («Heute bin ich auch eine Frau», sagte Günthardt nämlich) ein sehr farbenfrohes Bild ab, zusammen mit den roten Fingernägeln, von denen jeder einen Schweizer Sieg repräsentiert.
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