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Servette-Stürmer Tanner Richard
«Ich sehe nicht ein, weshalb ich freundlich sein soll»

Tanner Richard ist mit 3 Toren und 10 Assists in 15 Playoff-Partien Topskorer seines Teams. Meister wurde der 30-Jährige in seiner Karriere noch nie. 

Tanner Richard gehört zu den schillerndsten Figuren im Schweizer Eishockey. Der 30-Jährige trägt das Herz auf der Zunge. Was andere von ihm halten, kümmert ihn wenig. Der Stürmer ist authentisch, ehrlich und unverblümt. Auf dem Eis gilt er als König des Trash-Talks. Er sagt: «Nur wenn ich emotional voll dabei bin, kann ich meine Bestleistung abrufen. Beim Gegner habe ich keine Freunde, also sehe ich auch nicht ein, weshalb ich freundlich sein soll.»

Wie das dann tönt, konnte man unlängst bei Mysports hören. Im Viertelfinal legte sich Richard mit Luganos Julian Walker an, verhöhnte ihn für dessen Einsätze bei den Ticino Rockets in der Swiss League. Gleichzeitig nannte er den erst 30-jährigen Trainer Luca Gianinazzi einen «fucking rookie». Doch um die Stimmung aufzulockern, lässt Richard auch auf der eigenen Bank mal einen Spruch fallen. «Je mehr er jemanden mag, umso mehr Sprüche teilt er aus», sagt der SCB-Stürmer Joël Vermin.

Die beiden lernten sich in Nordamerika in der AHL bei Syracuse kennen, lebten drei Jahre in einer WG und stürmten bis Sommer 2022 zwei Saisons gemeinsam für Servette. Vermin sagt: «Tanner polarisiert, hat das Herz aber am rechten Fleck. Wir sind in Nordamerika beste Freunde geworden. Der Mannschaft gibt er Energie. Er kann sie auf dem Rücken tragen, ist ein Leader und ein Leitwolf. Er hat Mut und nimmt es auch mal mit den Fans auf.»

«Wenn ich jetzt etwas sage, hasst mich wieder die ganze Schweiz.»

Tanner Richard

Unlängst nahm der kanadisch-schweizerische Doppelbürger die Lugano-Anhänger ins Visier, als diese Champagnergläser aufs Eis geworfen hatten. «Nur weil diese Leute für ein Ticket bezahlen, haben sie nicht das Recht, sich wie Zirkustiere zu benehmen», kritisierte Richard. Kleinlauter gab er sich am Donnerstag, als Biel das 2:2 aberkannt wurde und Becher aufs Eis geflogen kamen. «Wenn ich jetzt etwas sage, hasst mich wieder die ganze Schweiz. Deshalb formuliere ich es so: Mir wäre es lieber, wenn nichts aufs Eis geworfen würde.»

Richard ist in Ontario, Kanada, geboren, aber in Rapperswil-Jona aufgewachsen. Vater Mike, beim ZSC liebevoll «Ritschi Baby» genannt, prägte das Schweizer Eishockey fast zwei Jahrzehnte lang, skorte für die Stadtzürcher, Olten und den SCRJ in 459 Partien 555 Punkte (240 Tore). Heute arbeitet er als Bodenleger. Drei Jahre nach seinem Karriereende im Jahr 2007 kam Richard junior im Alter von 17 Jahren zu seinem Debüt bei den Lakers, ehe er sich danach während sechs Saisons in Übersee versuchte und es bei Tampa Bay zu drei Einsätzen in der NHL brachte.

Nicht ganz 100

Tanners loses Mundwerk war nicht immer förderlich. Von der Sportschule flog er einst nicht wegen schlechter Noten, sondern weil er darauf geprägt war, alles besser zu wissen, er morgens nicht aus dem Bett kam und zu spät zum Unterricht erschien. Richard sagt, er habe viele Fehler gemacht und auf dem Eis lange von seinem Talent gelebt. Heute gibt er sich selbstkritisch, kennt auch keine Ausreden. Vor zwei Jahren spielte er im Final trotz verletzter Schambeinfuge. Davon gewusst haben nur die wenigsten seiner Teamkollegen. Die Verletzung sollte nicht als Grund für die mässigen Leistungen herhalten.

Richard beschreibt sich als positiven, offenen Menschen. Nicht ganz 100 zwar, doch er möge den Kontakt zu den Mitmenschen. Er gibt sich nahbar, tauscht sich nach den Spielen in der Supporter-Bar mit Sponsoren aus, interessiert sich für ihr Leben. Einmal gab er auf dem Tresen seine Tanzkünste zum Besten. Mitten im Playoff und nach einem Sieg gegen den SCB. Ein Anwesender filmte die Szene. Das Video fand den Weg in die Öffentlichkeit, der Fall wurde breitgeschlagen. Dabei war es nicht der Alkohol, der Richard so ausgelassen feiern liess. Die Frohnatur tanzt und singt bei jeder Gelegenheit.

«Ich erwarte von jedem Spieler, dass er sich steigert. Und das kann man auch von mir erwarten.»

Tanner Richard

Akzente setzt Richard heuer ausschliesslich auf dem Eis. Er führt sein Team als Topskorer an. Seine Punkteausbeute ist im Playoff stets höher als in der Qualifikation. Obwohl Richard beim 3:2-Erfolg in Biel durch sein konsequentes Nachsetzen den Shorthander von Daniel Winnik erst ermöglichte, verwies er hinterher auf andere. Die vierte Linie etwa, die mit zwei Toren den Unterschied ausgemacht habe. «Ich erwarte von jedem Spieler, dass er sich steigert. Und das kann man auch von mir erwarten», sagt der Mann, der seinen Hund Rappi taufte.

Was läuft mit der Nationalmannschaft?

Erst einmal nahm er an einer WM teil, 2017 in Deutschland und Frankreich. Die letzten Länderspiele liegen schon dreieinhalb Jahre zurück. Er verweist auf Nationaltrainer Patrick Fischer, sagt: «Ich mache das Kader nicht. Fischi weiss, was er tut. Er ist ein guter Coach und muss hinter seinem Kader stehen. Zudem interessiert mich der Final im Moment mehr.»

2021 war Servette gegen Zug chancenlos, verlor die Best-of-5-Finalsserie 0:3. «Diese Niederlage tat zwei Jahre lang weh», gibt der Stürmer zu. Letzte Saison war Genf im Pre-Playoff an Lugano gescheitert. Das Sommertraining begann am 18. April, just am Tag des Finalauftakts. «Es war frustrierend, morgens im Kraftraum zu schuften und abends Zug und Zürich zuschauen zu müssen. Wir sagten uns, wohin die Reise in dieser Saison gehen soll. Nun sind wir so nah am Ziel, und trotzdem ist es noch ein weiter Weg.»

2:2 steht es nach vier Partien. Der Final ist zu einer Best-of-3-Serie verkommen. Am Samstag steigt in Genf Spiel 5.

Tanner Richard teilt aus – und steckt ein. Nicht nur verbal. Hier befindet sich der Stürmer im Duell mit Biels Jesper Olofsson.