AboMartina Moser tritt als Doublegewinnerin abDank ihrer Vorarbeit dürfen kleine Mädchen heute träumen
Als Kind fehlten ihr die weiblichen Vorbilder, um an eine Karriere im Fussball zu glauben. Martina Moser hat sie trotzdem gemacht – und tritt nun als «Königin von Zürich» ab.

Natürlich hat das kleine Mädchen aus dem Emmental nicht von so etwas geträumt. 7916 Zuschauer im Cupfinal im Letzigrund, Zehntausende auf dem Helvetiaplatz, die sie mit dem Pokal in den Händen feiern. Der Trainer des Männerteams des FC Zürich, der sie im nationalen TV zur «Königin von Zürich« ausruft.
Wie hätte es sich all das auch vorstellen sollen? Es gab ja gar keine Bilder, die sich im Kopf der achtjährigen Martina Moser hätten festsetzen können, die gerade anfing, Fussball zu spielen.
Trotzdem gewinnt sie 26 Jahre später mit dem FC Zürich gegen Servette das vierte Double ihrer Karriere. Sie trifft per Elfmeter zum 1:1, verschiesst im Penaltyschiessen und steht schliesslich trotzdem als Siegerin fest. Danach tritt sie danach als eine der erfolgreichsten Fussballerinnen der Schweiz zurück. Und als eine, die so manche Grenze gesprengt hat.
Der Bruder wollte Profi werden – sie plapperte es nach
Dabei wäre sie damals eigentlich lieber zum Eishockey gegangen. Aber zwei Buben auf dem Rasen, das Meitschi auf dem Eis? Das war der Mutter dann doch zu viel des organisatorischen Aufwands. Also ging Martina Moser mit den Brüdern zum FC Biglen.
Der Älteste der drei, Adrian, ging dabei voraus. «Er sagte immer, er wolle Profi werden», erzählt Moser, «und ich habe es ihm nachgeplappert.» Trotzdem war es kein echtes Ziel, an das sie als Kind geglaubt hätte. So etwas wie weibliche Fussballprofis gab es damals auf der Welt ja höchstens in den USA.
«Amerika als grosses Ziel war vielleicht im Kopf», erinnert sich Moser. Dass sie auch Meisterin werden könnte oder Cupsiegerin oder Profi in Europa? Wie hätte sie das denken können, da Frauenfussball in der Schweiz unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand?
«Martina ist halt ein Mädchen und kann darum nicht aufgeboten werden.»
Heute ist es normal, wenn sich Mädchen solche Ziele setzen. Was auch mit Martina Moser zu tun hat. Aus dem Mädchen, das nicht ins Eishockey durfte, ist eine Fussballpionierin geworden.
Wobei ihr die Grenzen, die sie durchbrechen muss, erstmals als 12- oder 13-Jährige bewusst werden. Moser spielt in der regionalen Auswahl und wird für ein Sichtungsturnier aufgeboten. Sie ist das einzige Mädchen, was ihr aber erst auffällt, als die Namen jener vorgelesen werden, die in die kantonale Auswahl kommen.
Vor der Verkündigung wird sie speziell erwähnt. Es gebe da jemanden mit ganz vielen Stimmen, heisst es. Aber leider sei diese Martina halt ein Mädchen und könne darum nicht aufgeboten werden. Es ist ein Moment, der den Teenager «peinlich berührt», wie es Moser heute erzählt. Nicht, dass sie damit gerechnet hätte, ausgewählt zu werden. Aber so ausgesondert zu werden, «das war merkwürdig, aber zu dieser Zeit normal».

Moser geht ihren Weg danach bereits als 15-Jährige bei den Frauen. Aufstiege mit Rot-Schwarz Thun, Nationalspielerin, Doublegewinn mit dem SC Luwin, darauf als eine der ersten Schweizerinnen nach Deutschland, zum SC Freiburg. Da arbeitet sie noch beim Schweizerischen Fussballverband als kaufmännische Angestellte. Ein bürgerlicher Job trotz Einsätzen in der höchsten deutschen Liga – völlig normal.
Aber während sich Moser entwickelt, geht auch der Frauenfussball Schritt für Schritt vorwärts. Und so wird Moser 2010 Fussballprofi beim VfL Wolfsburg. Später ist sie Führungsspielerin in Hoffenheim, als es darum geht, das Team in die 1. Bundesliga zu bringen.
Sie ist dabei, wenn Clubs, die bislang nur Männerteams hatten, plötzlich auch in den Frauenfussball investieren. Sie erreicht mit der Schweiz erstmals eine WM und eine EM-Endrunde. Aus dem Kind, das einfach «mit meinen Jungs» spielen wollte, wird die 129-malige Nationalspielerin, die sich überlegt, «was sich alles ändern müsste».

Seit 2017 ist Moser zurück in der Schweiz, beim FC Zürich, sie gewinnt drei Cuptitel und vorerst zwei Meisterschaften. Wenn sie heute zurückblickt, sagt sie: «Ich habe als Pionierin vieles erlebt. Trotzdem kann ich nicht mehr alles ernten, was in dieser Zeit gesät wurde.» Wobei – diesen Cupfinal am 30. April gegen die Grasshoppers mit der vollen Südkurve im Letzigrund, den hat sie in sich aufgesogen.
Die Südkurve, die lautesten Fans des FCZ, haben sich angemeldet. Als sie in den Katakomben am Gesang hört, dass die Fans wirklich gekommen sind, weiss Moser: «Das wird unser Tag.» Der FCZ gewinnt 4:1, sie schiesst das entscheidende 2:1 und lässt sich von den Fans feiern: «Diese Emotionen, dass du wirklich vor einer Kurve jubeln darfst … boah.»
Jetzt spielt sie noch eine Partie. Noch einen letzten Final in ihrer Karriere. In Lausanne trifft ihr FCZ im Final der Women’s Super League auf die Titelverteidigerinnen von Servette Genf. Der Schlusspfiff wird auch das Ende ihrer Karriere als aktive Fussballerin bedeuten.

Ganz aus dem Fussball verschwindet sie trotzdem nicht. Moser arbeitet im Teammanagement der Männer des FCZ. Dort arbeitet sie «ehrgeizig und perfektionistisch – halt so, wie ich auch auf dem Platz bin». Dort passiert es auch, dass sie von André Breitenreiter zur «Königin von Zürich» gekürt wird, als sie sich nach dem Meistertitel der Männer still und leise hinter dem Trainer der FCZ-Männer durchschleichen will.
Jetzt dankt die Königin also ab. Den Takt des eigenen Lebens mal selber bestimmen. Einfach mal verreisen, wenn ihr danach ist, oder an ein Konzert, ohne damit rechnen zu müssen, dass ihr eine Trainingsabsenz vorgehalten wird: «Darauf freue ich mich.»
Wäre diese Flexibilität im Training noch ausgeprägter – sie würde wohl noch ein Jahr anhängen. Aber jetzt ist es gut. «21 Jahre Fussball. Das ist eine lange Zeit», sagt Martina Moser. «Ich will gehen, solange es noch heisst: Sie ist eine der Besten.»
In der ersten Version dieser Geschichte stand, Martina Moser sei Berner Oberländerin. Sie stammt aber aus dem Emmental.
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