Sein letzter EntscheidNobelpreisträger Daniel Kahneman wählte den Freitod in der Schweiz
Der US-israelische Psychologe starb im März 2024 im Alter von 90 Jahren. Er entschied sich für den assistierten Suizid im Kanton Solothurn.

90 Jahre alt wurde Daniel Kahneman. Er war Nobelpreisträger, veränderte mit seinem Buch «Schnelles Denken, langsames Denken» das Verständnis von Entscheidungen. Am 27. März letzten Jahres verstarb er. In den Nachrufen fanden sich keine Worte zur Ursache seines Ablebens.
Jetzt wird bekannt, dass er eine letzte, ganz bewusste Entscheidung getroffen hatte: Er hatte den assistierten Suizid in der Schweiz gewählt. Das berichtet das «Wall Street Journal», das Teile der Abschiedsmail von Kahneman veröffentlichte. Seine letzte Reise soll ihn in den Weiler Roderis in der Gemeinde Nunningen SO geführt haben, wo er mit der Suizidhilfeorganisation Pegasos aus dem Leben schied.
«Es ist Zeit, zu gehen»
«Dies ist ein Abschiedsbrief, den ich Freunden schicke, um ihnen mitzuteilen, dass ich auf dem Weg in die Schweiz bin, wo mein Leben am 27. März enden wird», heisst es im letzten Gruss des US-amerikanisch-israelischen Psychologen.
Er sei noch aktiv und geniesse viele Dinge des Lebens und werde als glücklicher Mensch sterben, heisst es in der Mail. «Aber meine Nieren sind in den letzten Zügen, die Häufigkeit der geistigen Aussetzer nimmt zu, und ich bin neunzig Jahre alt. Es ist Zeit, zu gehen.»
Laut der Zeitung war Kahneman nicht dialysepflichtig. Ihm nahestehende Personen sahen ausserdem keine Anzeichen für einen signifikanten kognitiven Abbau oder für Depressionen. Er habe in der Woche, in der er gestorben sei, noch an mehreren Forschungsarbeiten gearbeitet.
In seiner Abschiedsmail schrieb er, dass er, seit er ein Teenager gewesen sei, glaube, dass «das Elend und die Demütigungen der letzten Lebensjahre überflüssig sind». Er handle nach dieser Überzeugung.

Seine letzten Tage verbrachte Daniel Kahneman in Paris
Bevor er in die Schweiz gereist sei, habe er sich mit seiner Familie in Paris aufgehalten. Dort habe er seine letzten Tage genossen, mit Museums- und Ballettbesuchen, Soufflés und Schokoladenmousse. An seine Freunde und Bekannten schrieb der Psychologe: «Die letzte Zeit war wirklich nicht schwer, abgesehen von dem Schmerz, den ich anderen zugefügt habe. Wenn ihr also geneigt wart, mich zu bedauern – das müsst ihr nicht.»
Er bat, die Empfängerinnen und Empfänger seiner Nachricht, «ein paar Tage» nicht über seinen Entscheid zum Freitod zu sprechen. Nicht weil er sich dafür schäme, sondern weil er nicht wolle, dass das im Zentrum der Nachrufe stehe. Zum Schluss bedankt er sich, dass sie alle ihm geholfen haben, «ein gutes Leben zu führen».
Im Jahr 2002 erhielt Daniel Kahneman den Nobelpreis in Ökonomie und 2013 die Freiheitsmedaille von US-Präsident Barack Obama, die höchste zivile Auszeichnung der USA. Sein Bestseller «Schnelles Denken, langsames Denken» erschien 2011 und wurde über elf Millionen Mal verkauft.
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