Corona-Massnahmen missachtetWinterthurer Wirt muss ins Gefängnis
Ein Mann öffnete sein Café in Elsau während des Lockdown mehrfach und beging Siegelbruch. Aus der Gerichtsverhandlung lief er davon, verurteilt wurde er trotzdem.

Vor laufender Kamera brach ein Wirt Ende März 2021 das amtliche Siegel, mit welchem die Kantonspolizei sein Café in Räterschen verschlossen hatte. Auf dem Corona-skeptischen Kanal Stricker TV war der Mann zuvor schon aufgetreten, und auch über Facebook kündigte er an, sein Lokal trotz Lockdown zu öffnen.
Die Polizei war im ersten Halbjahr 2021 mindestens siebenmal vor Ort. Gemäss Anklageschrift hinderte der Wirt die Beamten mehrfach daran, das Café zu betreten und die illegal anwesenden Gäste zu büssen. Gestern musste er sich nun vor dem Bezirksgericht Winterthur verantworten. Die Staatsanwaltschaft forderte neun Monate Gefängnis und mehrere Geldstrafen, alles unbedingt.
Das Gericht hatte sich polizeiliche Unterstützung organisiert: Zwei Beamte warteten vor dem Gebäude, sechs weitere führten im Eingangsbereich Sicherheitschecks durch. Der Beschuldigte erschien in Begleitung von einem Rechtsanwalt und einer Gefolgschaft aus zehn Personen, die sich als Zuschauende in die hinterste Reihe setzten – während der Wirt der Einzelrichterin den Rücken zudrehte. Ein Ausdruck davon, dass ihn die Verhandlung nichts anging.
Schon bei der Befragung hatte die Einzelrichterin Schwierigkeiten, klare Antworten zu erhalten. Der Beschuldigte bediente sich des Vokabulars der deutschen Reichsbürgerbewegung, die den Staat nicht anerkennt: «Ich habe keine Personalien, ich bin ein Mensch.» Statt Antworten hatte er Fragen mitgebracht: ob sie eine verfassungsmässige Richterin sei. «Ich kann Ihnen versichern, ich bin vom Volk gewählt», antwortete die Vorsitzende, die sich dem ungewöhnlichen Gebaren ruhig stellte. «Sind Sie befugt, über Menschen zu urteilen?» – «Ja.» Der Wirt liess verlauten, dass Gesetze und Verordnungen nicht gälten, er Staat und Gerichten die Rechtmässigkeit abspreche und der Bezirk Winterthur eine Firma sei.
«Ich gehe eine rauchen»
Anschliessend verweigerte er jegliche Aussage, nicht einmal zu einem «Keine Aussage» liess er sich durch die Richterin bewegen. «Dann schreiben wir ‹schweigt› ins Protokoll», beschloss diese und stellte trotzdem alle Fragen zu Person, familiärer und beruflicher Situation. Der Wirt liess das einige Minuten lang unkommentiert geschehen, bis er sich mit den Worten «Ich gehe eine rauchen» erhob und den Saal verliess. «Dann erübrigen sich wohl die Ergänzungsfragen», quittierte die Richterin.

Nach einer kurzen Pause liess sich der Beschuldigte zu einer kurzen Rückkehr bewegen, wollte aber auch zu den Aussagen der Polizeibeamten keine Stellung nehmen. Das Verfahren werde weitergezogen bis an den Internationalen Gerichtshof, und damit sei die Sache für ihn beendet. Daraufhin verliess er den Saal erneut und kehrte nicht mehr zurück.
«Das ist uns zu dumm»
Mit im Saal sassen zwei Privatklägerinnen, wovon eine in derselben Überbauung wohnt, in der sich das Café des Wirtes befindet. Sie hatten während des Lockdown mehrmals die Polizei gerufen wegen des Lärms, und daraufhin seien sie von ihm als alte Hexen beschimpft worden, was er bestreitet. Ansprüche wollten sie vor Gericht allerdings keine stellen: «Wir haben genug gehört, das ist uns zu dumm.»
Der Rechtsanwalt plädierte in Abwesenheit seines Mandanten auf vollumfänglichen Freispruch. Der Beschuldigte bestreite zwar den Sachverhalt in weiten Teilen nicht, er sei aber eigentlich schon genug bestraft. So habe er mit seinem Café während des Lockdown einen grossen wirtschaftlichen Schaden erlitten, und der Mietvertrag sei ihm auf Ende Juli 2022 gekündigt worden. Seine Beziehung sei an den Umständen ebenfalls zerbrochen. Es handle sich bei dem Beschuldigten nicht um einen grundsätzlichen Systemgegner, er habe die Massnahmen während des ersten Lockdown anstandslos mitgetragen. Als «das System» mit zunehmendem Wissensstand weiter an den Massnahmen festgehalten habe, sei bei ihm ein «notstandsmässiger Zustand» eingetreten, weil er seine Existenz gefährdet gesehen habe.
Die Urteilseröffnung fand ebenfalls ohne den Beschuldigten statt. «Wir entscheiden als unabhängiges, unparteiisches, verfassungsmässiges Gericht», begann die Vorsitzende und erklärte den Beschuldigten in diversen Punkten für schuldig. Er wird verurteilt zu sieben Monaten Gefängnis, 1500 Franken Geldstrafe und 2500 Franken Busse – alles unbedingt, weil der Wirt «keinerlei Einsicht zeigte». Am schwersten wiege der Siegelbruch. Er habe vorsätzlich gehandelt, seine politischen Ansichten durchsetzen wollen und kriminelle Energie bewiesen. Strafmindernd wirkten die schwierige wirtschaftliche Situation und das teilweise Geständnis. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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