Rochade bei Departementen«Das ist eine Flucht»: Baume-Schneider erntet harte Kritik
Nach nur einem Jahr wirft die SP-Justizministerin den Bettel hin und wechselt ins Innendepartement. Mitte und Rechts reagieren unverblümt. Neo-Bundesrat Beat Jans erbt das Justizdepartement.
Grosse Überraschung in Bern: Elisabeth Baume-Schneider verlässt das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD). «Das sieht nach Flucht aus», sagt FDP-Präsident Thierry Burkart. Mitte-Präsident Gerhard Pfister sagt: «Das ist eine Flucht.»
Am Donnerstagabend traf sich der Bundesrat erstmals in seiner neuen Zusammensetzung, um die Departemente zu verteilen – einen Tag nach der Wahl des neuen SP-Bundesrats Beat Jans. Viele hatten damit gerechnet, dass der Neugewählte das Innendepartement des abtretenden Alain Berset übernehmen würde. Dies, weil die anderen Bundesräte entweder erst seit kurzem in ihren Departementen walten (Elisabeth Baume-Schneider, Albert Rösti), schon einmal gewechselt haben (Karin Keller-Sutter, Guy Parmelin) oder vor einem Jahr keinerlei Lust auf etwas Neues gezeigt hatten (Viola Amherd, Ignazio Cassis).
Doch es kam anders.
Bundesrätin Baume-Schneider schreibt auf X: «Ich freue mich, die Verantwortung im Innendepartemente zu übernehmen und meine Expertise und Energie in den Dienst des Sozialen, der Gesundheit und der Kultur zu stellen.» Das EJPD sei bei Beat Jans in guten Händen.
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Ein Wechsel nach nur einem Jahr: Das ist rekordverdächtig. Zumindest in den letzten 30 Jahren gab es das nie. Die ehemalige Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf blieb auch nur kurz im EJPD, aber immerhin zwei Jahre und zehn Monate lang.
«Gigantische Aufgaben»
Baume-Schneiders Wechsel komme für ihn überraschend, sagt Grünen-Präsident Balthasar Glättli. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi sieht dem Wechsel «mit grosser Sorge» entgegen. Baume-Schneider sei im EJPD nie richtig angekommen – und das Innendepartement (EDI) beinhalte noch grössere Herausforderungen.
Thierry Burkart sagt: «Sie hat gigantische Aufgaben vor sich.» Alain Berset habe viele Baustellen hinterlassen, was Krankenkassen, die Altersvorsorge und die Digitalisierung betreffe. Er hoffe, Baume-Schneider werde im Innendepartement erfolgreicher.
Die bürgerlichen Bundesratsmitglieder hätten es allerdings in der Hand gehabt, den Wechsel zu verhindern – etwa, indem Cassis ins EDI gewechselt hätte. Auf die Frage, weshalb sie es nicht taten, sagt Burkart nur: «Das ist Sache des Bundesrats.»
Die Gelegenheit ergriffen
Aus Baume-Schneiders Umfeld heisst es, der Wechsel sei ein logischer Schritt. Die Themen des Innendepartements seien der ausgebildeten Sozialarbeiterin aus früheren Tätigkeiten vertraut. Sie sei prädestiniert für dieses Departement – und habe nun eine Gelegenheit ergriffen, die sich ihr geboten habe.
Für die SP bedeutet der Wechsel, dass das wichtige Innendepartement in ihren Händen bleibt. SP-Fraktionschefin Samira Marti sagt: «Wir freuen uns, dass Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider im EDI die soziale Schweiz voranbringen wird. Für die zahlreichen Herausforderungen wie die Belastung durch die Krankenkassenprämien und die schwindende Kaufkraft braucht es dringend Lösungen.»
Magere Bilanz
Im EJPD hat Baume-Schneider kaum eigene Akzente gesetzt. In einzelnen Dossiers leitete sie den nächsten Schritt ein, etwa bei der Neuauflage der elektronischen Identität. Auch bewilligte der Bundesrat auf ihren Antrag die Fortsetzung des Resettlement-Programms für die kommenden zwei Jahre – ein Programm der UNO für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge. Sofern die Kapazitäten vorhanden sind, nimmt die Schweiz Flüchtlingsgruppen auf.
Davon abgesehen konnte Baume-Schneider in der Asylpolitik wenige Erfolge verbuchen. In ihrem wohl wichtigsten Geschäft musste sie eine schmerzliche Niederlage hinnehmen. Baume-Schneider wollte mit Wohncontainern zusätzliche Unterbringungsplätze für Asylsuchende schaffen und beantragte dem Parlament dafür einen 130-Millionen-Franken-Kredit.
Dass der Ständerat diesen ablehnte, hatte auch mit Wahlkampf zu tun. Aber nicht nur: Das Geschäft sei schlecht vorbereitet worden, hiess es im Parlament. Die zuständigen Kommissionen fühlten sich ungenügend informiert, die Kantone wurden erst mobilisiert, als es zu spät war.
Baume-Schneider wirke überfordert, kenne die Dossiers zu wenig und überlasse lieber ihren Fachleuten das Wort, sagen Parlamentsmitglieder. Heftig kritisiert wird sie vor allem von rechten Politikern, für die eine SP-Bundesrätin in diesem Departement stets eine willkommene Zielscheibe ist – ganz besonders in einem Wahljahr. An ihren Kompetenzen zweifelt man aber auch in der Mitte. Selbst Parteigenossinnen und -genossen räumen ein, sie agiere und kommuniziere zuweilen unglücklich.
Neustart auch im SEM?
Manche sehen einen Teil des Problems bei der Staatssekretärin für Migration (SEM), Christine Schraner Burgener. Bundesrätin Karin Keller-Sutter hatte diese ernannt, bevor sie das Departement wechselte. Dem Vernehmen besteht zwischen ihr und Baume-Schneider kein Vertrauensverhältnis.
Nun will es Baume-Schneider im Innendepartement versuchen – und überlässt dem neu gewählten SP-Bundesrat Beat Jans das Justiz- und Polizeidepartement mit dem Asyldossier. Mitte-Präsident Gerhard Pfister sagt: «Für Beat Jans ist es eine Chance, die personelle Situation im SEM unter die Lupe zu nehmen und zu verbessern.»
Nicht nur das EDI, sondern auch das EJPD bleibt mit dieser Rochade in SP-Hand. Co-Fraktionschefin Samira Marti bezeichnet das als «ausgezeichnete Nachricht für die Menschenrechte, den Schutz der Schwächsten und der Menschen auf der Flucht sowie für die humanitäre und offene Schweiz».
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