Jetzt wird es heiss im Europa-PokerBundesrat plant für Montag eine Krisensitzung zum Rahmenvertrag
Welcher Bundesrat soll den Rahmenvertrag in Brüssel retten? Und mit welchem Mandat? Der Bundesrat will diese Fragen am Montag an einer geheimen Krisensitzung klären.
Der Europa-Poker ist endgültig in der heissen Endphase angekommen. Am Mittwoch hat der Bundesrat stundenlang über das innenpolitisch umstrittene Rahmenabkommen gebrütet. Er konnte sich aber nicht zu einem Entscheid durchringen, wie es im Dossier weitergehen soll. Deshalb plant die Landesregierung für den kommenden Montag eine geheime Krisensitzung. Das bestätigen mehrere unabhängige Quellen.
Am Montag will der Bundesrat demnach entscheiden, wer am folgenden Freitag, dem 23. April, nach Brüssel zum Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reist. Und vor allem: Mit welchem Mandat der Bundesratsvertreter ins Gespräch mit der EU geht.
Der Bundesrat hielt die geplante Krisensitzung am Mittwoch unter Verschluss. Bundesratssprecher André Simonazzi erklärte lediglich, dass das bilaterale Verhältnis zur EU im Bundesrat ein Thema gewesen sei. Hinsichtlich eines Treffens mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen werde es in den nächsten Tagen Kontakte mit der EU geben. Form und Datum dieses Treffens würden im Kontakt mit Brüssel bestimmt. Entscheide werde der Bundesrat mitteilen, wenn es Entscheide gebe.
Am Mittwochabend dementierte Simonazzi auf Anfrage, dass der Bundesrat beschlossen habe, sich am Montag zu einer ausserordentlichen Sitzung zu treffen. «Nein, ein solcher Entscheid ist nicht gefällt worden», so Simonazzi.
Die Planung läuft – auch ohne formellen Entscheid
Doch in verschiedenen Departementen bereitet man sich bereits auf die Sitzung vom Montag vor. Wahrscheinlich wird Bundespräsident Guy Parmelin (SVP) die Sitzung im Verlauf der nächsten Tage einberufen.
Die Krisensitzung ist Ausdruck der Schwierigkeiten des Bundesrats, im EU-Dossier Entscheide zu fällen. Seit Wochen steht das Rahmenabkommen ganz oben auf der Traktandenliste der Landesregierung. Zum dritten Mal in Folge hat der Bundesrat am Mittwoch darüber diskutiert. Es waren intensive Auseinandersetzungen. Nicht zuletzt, weil gefestigte Spielregeln im Verhältnis mit der EU, wie sie das Rahmenabkommen verspricht, für den Wirtschaftsstandort wichtig sind.
Aber elementare Fragen harren weiter einem Beschluss: Wann findet das Treffen mit der EU-Kommissionschefin statt? Wer fliegt nach Brüssel? Und was will der Bundesrat dort eigentlich genau erreichen? Der Bundesrat kann sich darüber nicht verständigen.
Der Tag der Wahrheit naht
Entgegen den Verlautbarungen von Bundesratssprecher André Simonazzi scheint aber klar, dass der Termin vom 23. April in Brüssel fixiert ist. Die Krisensitzung soll auch deshalb am Montag stattfinden, weil so genügend Zeit bleibte, um Brüssel darüber zu informieren, wer am 23. April aus Bern anreist.
Es gibt weitere Gründe, die für den 23. April als Datum des Gipfeltreffens sprechen. Einerseits fügt sich der Termin gut ein in den Sitzungskalender der Aussenpolitischen Kommissionen, die vom Bundesrat rasche Informationen erwarten. Andererseits ist aus EU-Kreisen zu vernehmen, dass der 23. April der einzige für die Schweiz reservierte Termin im vollen Kalender der Kommissionschefin ist. Eine Verschiebung ist also nicht ohne Weiteres möglich.
Reist Parmelin solo?
Was im Bundesrat ebenfalls klar ist: Aus protokollarischen Gründen wird Guy Parmelin (SVP) die Reise nach Brüssel antreten. Der Bundespräsident ist durch seine Funktion der natürliche Gesprächspartner von Ursula von der Leyen.
Kniffliger ist die Frage, ob Parmelin von Aussenminister Ignazio Cassis begleitet wird. Cassis erklärte am Wochenende gegenüber «Blick», dass er bereit sei nach Brüssel zu gehen. Das Problem ist, dass der Bundesrat zunächst klären muss, worüber er mit der EU genau sprechen will. Erst wenn diese Antwort vorliegt, kann er bestimmen, wer ihn in Brüssel vertreten soll.
Ohne Entgegenkommen kein Deal
Grundsätzlich steht fest, dass der Bundesrat die festgefahrenen Gespräche um das Rahmenabkommen lösen und von Ursula von der Leyen Zugeständnisse in folgenden drei Punkten erzielen will: Erstens, beim Lohnschutz, wo der Bundesrat das heutige Schutzniveau halten möchte. Zweitens, bei der Unionsbürgerrichtlinie, die den Zugang von EU-Ausländern zur Sozialhilfe in der Schweiz erleichtern könnte. Drittens, bei den staatlichen Beihilfen (etwa der Rechtmässigkeit der Kantonalbanken). Bei diesen Dossiers sollen nun auf politischer Ebene zählbare Ergebnisse erzielt werden, so die Hoffnung im Bundesrat.
Doch die Operation Rahmenabkommen wird in Bern als eigentliche Mission impossible beurteilt. Kaum jemand glaubt an ein substanzielles Entgegenkommen der EU. Zugleich sind die Meinungen im Bundesrat bereits gemacht, dass ohne solche Zugeständnisse das Abkommen nicht unterzeichnet werden kann.
Deshalb hat sich der Bundesrat zuletzt vorrangig mit dem Plan B befasst. Wie kann die Schweiz das Rahmenabkommen nach einem siebenjährigen (!) Gezerre fallen lassen, ohne die EU zu verärgern? Wie kann der Bundesrat wirtschaftliche Folgeschäden, etwa durch die Nicht-Aktualisierung von Marktzugangsabkommen, vermeiden?
Prämisse bei diesen Überlegungen ist, dass auch die EU kein Interesse an einer Verschlechterung des Verhältnisses mit der Schweiz hat, also weder Eskalation noch Eiszeit will. Es geht demnach eher darum, einen Ausweg aus der Blockade, einen «Modus Vivendi» zu finden.
Der Preis des Friedens
Das Aussendepartement hat verschiedene Lösungen für dieses Problem geprüft. Zur Diskussion steht, dass sich die Schweiz den Frieden erkauft. Sie könnte die blockierte Kohäsionszahlung von 1,3 Milliarden Franken an ausgewählte Projekte in der EU aktivieren. Weil die EU sich aber auf den Standpunkt stellt, dass dieses Geld ohnehin geschuldet ist, diskutiert der Bundesrat darüber, der EU noch weitere Zahlungen in Aussicht zu stellen. Auch eine Aktualisierung des Freihandelsabkommens von 1972 könnte eine Möglichkeit sein, eine Eskalation mit Brüssel zu verhindern.
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