Neuer GerichtsentscheidBund darf nicht mehr vor Chlorothalonil warnen
Das Pestizid darf bis auf weiteres nicht mehr als «wahrscheinlich krebserregend» bezeichnet werden. Der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts markiert einen Etappenerfolg für Syngenta.
«Wahrscheinlich krebserregend»: Es gab in den letzten Monaten wohl kaum eine Debatte, in der dieser warnende Hinweis zum derzeit wohl umstrittensten Pestizid in der Schweiz, Chlorothalonil, und dessen Folgen für das Grund- und Trinkwasser gefehlt hat. Doch damit ist nun Schluss. Zumindest muss das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) – und damit die federführende Bundesbehörde im Departement von Alain Berset (SP) – bis auf weiteres Aussagen von seiner Website entfernen, die Chlorothalonil als «wahrscheinlich krebserregend» bezeichnen und alle Abbauprodukte als «relevant» und damit potenziell gesundheitsschädlich einstufen.
Dies geht aus einem Zwischenentscheid hervor, den das das Bundesverwaltungsgericht heute veröffentlicht hat. Es heisst «nach einer summarischen Abwägung» aller Gründe ein Gesuch Syngentas um vorsorgliche Massnahmen gut.
Syngenta bekämpft mit einer Beschwerde das Verbot für Chlorothalonil, welches der Bund im Dezember 2019 ausgesprochen hatte. Der Chemiekonzern hält es für «unverhältnismässig und willkürlich» und sieht seine geschäftlichen Interessen und seine Reputation beschädigt – sowohl durch das Verbot als auch durch die Kommunikation des BLV.
Der Streit dreht sich im Kern um Folgendes: Das BLV teilt die Einschätzung der EU-Kommission, die das Pestizid im Frühjahr 2019 als wahrscheinlich krebserregend eingestuft hatte. Somit seien auch die Metaboliten des Pilzbekämpfungsmittels, also alle Abbauprodukte, als relevant einzustufen. Nun aber hatte ein Prüfbericht des BLV ausgerechnet die drei häufigsten Abbauprodukte von Chlorothalonil, die laut Bund das Grundwasser am stärksten verunreinigen, als nicht relevant eingestuft und damit für Mensch und Umwelt als ungefährlich klassifiziert.
«Wir hoffen nun auf eine Gutheissung unserer Beschwerde.»
Syngenta argumentiert, selbst wenn ein Wirkstoff wie Chlorothalonil strenger klassifiziert werde, sei ein Metabolit nicht zwingend relevant. Der Chemiekonzern hat aber auch deshalb Beschwerde eingelegt, weil Chlorothalonil, anders als von der EU-Kommission dargelegt, «nur» im Verdacht steht, möglicherweise krebserregend zu sein. Dies gilt gemäss der Europäischen Chemikalienagentur, jener Behörde, die für die Klassifizierung der Pestizide zuständig ist. Chlorothalonil ist, wie Syngenta ausführt, somit unverändert in der EU-Kategorie 2 eingestuft und «damit weit weniger krebserregend eingestuft als Sonnenlicht, Alkohol, rotes Fleisch oder Mate-Tee».
Der Zwischenentscheid markiert einen Etappensieg für Syngenta. «Wir hoffen nun auf eine Gutheissung unserer Beschwerde», sagt Roman Mazzotta, Länderpräsident Syngenta Schweiz. Insbesondere für die forschende Agrarindustrie und die Landwirtschaft sei der Entscheid ein Erfolg. «Zulassungs- und Widerrufsprozesse auf Basis nicht nachvollziehbarer Kriterien könnten die stabilen und sicheren Rahmenbedingungen für Forschung und Produktion in der Schweiz gefährden und Innovationsprozesse hemmen.
Eine «eindeutige Prozessprognose» ist allerdings nicht möglich, wie das Bundesverwaltungsgericht klarstellt. Erst im «Entscheid zur Hauptsache» werde entscheiden, ob die beanstandeten Informationen des BLV zuträfen oder nicht. Das BLV hat den Zwischenentscheid des Bundesverwaltungsgerichts «umgehend» umgesetzt. Eine Stellungnahme, so eine Sprecherin, könne man wegen des laufenden Verfahrens nicht abgeben.
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