Lesende fragen Peter SchneiderBringen Teamevents überhaupt was?
Arbeiten Menschen besser zusammen, wenn sie ab und zu Herausforderungen ausserhalb der Komfortzone Büro meistern müssen? Unser Kolumnist hat einen radikalen Vorschlag.
Haben Raus-aus-der-Komfortzone-Teamevents tatsächlich einen bedeutenden Mehrwert? R.L.
Lieber Herr L.
Triggerwarnung für alle Eventmanagerinnen, Human Relations Officers, Führungsseminaredurchführer & Co: Jetzt kommt eine Ansicht, die in Ihren Augen vermutlich sehr radikal erscheinen könnte. Also: Ich finde, man kann Teamevents ersatzlos streichen.
Es ist eine Zumutung für erwachsene Menschen, sich dergleichen Ringelpiez antun zu müssen, der zum Beispiel auf der Website eines Veranstalters von Feuerläufen («Hot Feet») in einer unangenehmen Mischung von Psychogeblubber mit Kasernenton angeboten wird: «Hot Feet benötigt eine präsente Achtsamkeit, 100 Prozent Konzentration, Teamzusammenhalt und eine gelebte Wertschätzung untereinander. Das schliesst Spass nicht aus, aber der Fokus liegt im gemeinsam definierten Ziel. Hot Feet verzeiht keine Unachtsamkeiten. Teilnehmer müssen mental in Topform sein und ihre Leistung von null auf hundert hochfahren können.»
Verzeiht keine Unachtsamkeiten! Leistung von null auf hundert hochfahren! What the fuck soll das sein? Ein Assessment für «Top Gun 3»?
Eher an einen Kindergeburtstag erinnert dann allerdings die Idee, den Teilnehmenden als krönenden Abschluss des neunstündigen Unfugs ein «Kohlenlauf-Diplom» zu verleihen. Wo hängt man sich so etwas hin? Ein anderes Teambildungsevent nennt sich «Before Mars». Die Ausgangslage: «Wir schreiben das Jahr 2059, die Erde ist unbewohnbar geworden, und Ihre Mission ist keine geringere, als das Überleben der Menschheit zu sichern. 10’000 Menschen müssen auf dem Mars angesiedelt werden, bevor es zu spät ist. Ob und wie Sie das schaffen, hängt von Ihrer Kooperationsbereitschaft ab.» Outsourcing mal von einer ganz anderen Seite betrachtet.
Wäre es nicht gescheiter, die Arbeitswelt in konkreten Organisationsformen zu verbessern?
Aber was muss, das muss. Wahrscheinlich sind nicht alle Teambildungsveranstaltungen von dieser schlimmen Sorte. Manche Gruppen backen auch zusammen Brot oder basteln irgendetwas mehr oder weniger Nützliches.
Aber wozu das Ganze? Nur schon der Begriff des «Teams» statt Arbeiter und Angestellte. Wenn man sich schon über die Euphemismen politisch korrekter Sprache aufregt, könnte man gleich einmal bei diesem Business-Speak anfangen.
Wäre es nicht gescheiter, die Arbeitswelt partizipativ in konkreten und realen Details und Organisationsformen zu verbessern? Statt mit Team-Firlefanz Menschen zusammenbringen zu wollen, die zwar auch nicht wissen, wo sie in fünf Jahren stehen (wenn ihr Arbeitsplatz möglicherweise einer Umstrukturierung zum Opfer gefallen ist), ausser dass sie auch dann noch die Miete und die Krankenkasse bezahlen müssen.
Wäre es gegebenenfalls denkbar, die Zusammenarbeit könnte sich – ich spreche das A-Wort ungern aus – bei der Arbeit entwickeln?
Der Psychoanalytiker Peter Schneider beantwortet Fragen zur Philosophie des Alltagslebens. Senden Sie uns Ihre Fragen an gesellschaft@tamedia.ch
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