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Betreuung unter Tieren
Schimpansinnen sind schlechte Grossmütter

CPXKXB Elderly Female Chimpanzee

Marl, Mar und Sutherland ist anzusehen, dass sie nicht mehr die Jüngsten sind. Alle drei Schimpansinnen haben dünnes, schütteres Haar. Marls Fell wirkt überhaupt etwas zerzaust und ausgedünnt, Mar hat weisse Flecken an der Schnauze und Sutherland überall graue Haare im Gesicht.

Die drei Schimpansen-Omas aus der Ngogo-Gruppe im Kibale-Nationalpark in Uganda bringen gerade die Gedanken vieler Evolutionsbiologinnen und Evolutionsbiologen durcheinander. In einer Studie, die in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsjournals «Science» erschienen ist, berichtet ein Team um Brian Wood von der University of California, dass alle drei Affen in die Menopause gekommen sind und sich noch lange, nachdem sie das letzte Mal Nachwuchs bekommen hatten, bester Gesundheit erfreuten. Es ist das erste Mal, dass dies bei wild lebenden Schimpansen beobachtet wurde.

Und: Es widerspricht einer etablierten Theorie in der Biologie, der Grossmutter-Hypothese. Diese diente bis dato zur Erklärung eines grossen biologischen Rätsels: Warum kommen Frauen – und die Weibchen einiger Zahnwal-Arten wie Orcas und Belugas – in die Menopause, während die Weibchen fast aller anderen Tierarten rasch sterben, nachdem sie das letzte Mal Nachwuchs zur Welt gebracht haben?

Menschen und Wale kümmern sich um ihre Enkel

Nach den Regeln der Evolution ist es das höchste Ziel eines jeden Lebewesens, sich zu vermehren und so die eigenen Gene weiterzugeben. Nach dieser Logik ergibt es wenig Sinn, dass ein Individuum lange weiterlebt, nachdem es unfruchtbar geworden ist und sich nicht mehr fortpflanzen kann. Es sei denn – und das ist die Kernaussage der Grossmutter-Hypothese –, die Omas helfen bei der Aufzucht der Enkel. Schliesslich haben diese Nachkommen zumindest einen Teil ihrer Gene geerbt. Auf diese Weise, so die Theorie, erhöhen die Grossmütter Fitness und Überlebenschancen ihrer Enkel und damit indirekt auch die Durchsetzungskraft der eigenen Gene.

Diese Erklärung passte bis jetzt gut zu den Beobachtungen von Verhaltens­biologinnen und -biologen: Nicht nur Menschen-Omas kümmern sich um ihre Enkel, sondern auch jene anderer Säugetierarten, von denen man weiss, dass sie in die Menopause kommen. Das Problem: Der aktuelle Bericht um das Forscherteam von Brian Wood zu unfruchtbaren Schimpansen-Omas aus Uganda widerspricht dieser Idee. Schimpansinnen kümmern sich nämlich grundsätzlich nicht um ihre Enkel.

«Anders als Menschen und Orcas sind ältere Schimpansenweibchen keine fleissigen Grossmütter», schreibt Michael Cant, Evolutionsbiologe an der britischen University of Exeter in einem Begleitkommentar zur «Science»-Studie. Ihren Töchtern könnten sie schon aus rein praktischen Gründen nicht bei der Versorgung des Nachwuchses helfen, weil diese die Gruppe verlassen, wenn sie erwachsen sind. Und eine Unterstützung der Söhne sei schlicht noch nie beobachtet worden, so Cant.

Schimpansen-Dame wurde 69 Jahre alt

Für ihre Untersuchung werteten die Wissenschaftler um Wood Informationen über die Fruchtbarkeit und den Tod von 185 Schimpansinnen im Kibale-Nationalpark aus, die im Laufe von 21 Jahren gesammelt worden waren. «Ähnlich wie bei Menschen verringerte sich die Fruchtbarkeit ab einem Alter von 30 Jahren, und ab einem Alter von 50 Jahren wurden keine Geburten mehr beobachtet», schreiben die Forschenden in ihrer Studie. Trotzdem lebten 16 der Schimpansinnen deutlich länger. Marl beispielsweise starb erst im Alter von 69, Mar wurde 64 und Sutherland ist 61 Jahre alt – und lebt immer noch.

Zusätzlich zu dieser demografischen Auswertung sammelten die Biologinnen und Biologen Urinproben der Tiere, die sie etwa auf Blättern hinterlassen hatten. Das Team untersuchte die Proben auf Hormone, die mit dem weiblichen Reproduktionszyklus in Zusammenhang stehen. Demnach durchlaufen ältere Schimpansinnen ähnliche Veränderungen wie Frauen in der Menopause, schreiben die Forschenden in ihrer Studie. So fanden sie «erhöhte Werte von Follikelstimulierendem Hormon (FSH) und Luteinisierendem Hormon (LH) und erniedrigte Werte von Östrogenen und Progestinen».

Ist die Grossmutter-Hypothese also falsch? Möglicherweise. Vielleicht sind Marl, Mar, Sutherland und die anderen Ngogo-Omas aber auch nur extrem seltene Ausnahmen. In anderen wild lebenden Schimpansengruppen konnten die Forscher das Phänomen nämlich bisher noch nicht beobachten.