Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Regierung in Israel wankt
Benny Gantz hat genug von Netanyahus Spielen

Werden keine Freunde mehr: Wahlplakat der späteren Koalitionspartner Benny Gantz und  Benjamin Netanyahu in Tel Aviv. 
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Schreiereien soll es jüngst wieder bei einer Kabinettssitzung gegeben haben. Freunde werden Premierminister Benjamin Netanyahu und sein Verteidigungsminister Benny Gantz bestimmt nicht mehr. Auch in Sachfragen sind sich die Chefs der beiden grossen Parteien in Israels sogenannter Einheitsregierung selten einig. Nur sieben Monate nach der Amtseinführung steht die Koalition deshalb nun vor dem Kollaps. Es herrscht High-Noon-Stimmung in der Knesset.

Denn schon am Mittwoch könnte das von Gantz geführte Bündnis Blau-Weiss seine Drohung wahr machen, zusammen mit der Opposition für ein Gesetz zur Auflösung des Parlaments zu stimmen. Der Weg zu einer Neuwahl im Frühling – der vierten Wahl innerhalb von zwei Jahren – wäre damit geebnet. Das Ende dieser fast von Beginn an dysfunktionalen Regierung dürfte dabei kaum jemand bedauern. Das Dilemma ist allerdings, dass sich Israel angesichts der aktuellen Herausforderungen von der Corona-Krise bis zum Konflikt mit dem Iran weder eine Regierung wie diese noch einen Bruch dieser Regierung mit anschliessender Konzentration auf den Wahlkampf wirklich leisten kann.

Verhandelt, getrickst und gedroht

Vor und vor allem hinter den Kulissen wird nun bis zuletzt verhandelt, getrickst und gedroht, um entweder Neuwahlen im letzten Augenblick zu verhindern oder beim Scheitern der anderen Seite die Schuld zuschieben zu können. Gantz hatte diese Runde der Auseinandersetzung in der vorigen Woche mit einem Frontalangriff auf Netanyahu eröffnet, als er in seinem Ministerium eine Untersuchungskommission einsetzte, die den Kauf deutscher U-Boote näher beleuchten soll. Es geht um den Verdacht der Korruption im engeren Umfeld des Premiers.

In den Tagen danach hat Gantz nachgelegt, unter anderem mit ein paar nicht abgesprochenen Gesetzesinitiativen. Vor allem aber hat er klargemacht, dass seine Geduld mit Netanyahu am Ende ist. Bis über die Grenze zur Demütigung hinaus hatte der Premierminister ihn in den vergangenen Monaten immer wieder vorgeführt und bei wichtigen Entscheidungen wie den Normalisierungsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und dem Sudan aussen vor gelassen.

Netanyahu (Mitte) feiert das Normalisierungsabkommen mit Bahrain zusammen mit US-Aussenminister Mike Pompeo und Bahrains Aussenminister Abdullatif Al Zayani. 

Bei alldem scheint inzwischen auch Gantz selbst den Glauben daran verloren zu haben, dass Netanyahu ihm, wie es unter dem Stichwort «Rotation» im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, im November nächsten Jahres tatsächlich das Premiersamt überlässt. «Ich habe genug von dem Spiel, das Netanyahu mir und dem ganzen Land aufzwingt», erklärte Gantz. «Ich bin in die Politik gegangen, um zu gestalten, nicht um zu leiden und dauernd abzublocken, was Netanyahu und seine Leute vorantreiben wollen.»

Netanyahu hat sogleich die Chance genutzt, den plötzlich ungewohnt offensiven Gantz für das mögliche Scheitern der Regierung verantwortlich zu machen. Seine Likud-Partei werde jedenfalls gegen die Auflösung des Parlaments stimmen, kündigte er an. Statt «unnützer Neuwahlen» sei jetzt «Einigkeit» nötig – Einigkeit, um Impfstoffe gegen das Coronavirus zu besorgen, um Finanzhilfe für Corona-Geschädigte zu leisten und um weitere Abkommen mit arabischen Ländern zu erreichen.

Bei einem frühen Wahltermin muss Netanyahu in jedem Fall starke Konkurrenz von rechts fürchten.

Dahinter steckt jedoch nicht nur die Sorge, eine weitere Wahl könnte dem Land schaden, sondern auch die Befürchtung, dass eine solche Wahl im März für ihn zu früh kommt. Der Sommer dürfte Netanyahu lieber sein, weil dann der Corona-Impfprozess vorangeschritten und die Folgen der Pandemie nicht mehr so erdrückend sein könnten. Bei einem frühen Wahltermin muss Netanyahu in jedem Fall starke Konkurrenz von rechts fürchten. Naftali Bennett, Chef der siedlernahen Yamina-Partei, hat sich als scharfer Kritiker der Corona-Politik der Regierung profiliert und in den Umfragen mächtig aufgeholt.

Doch auch Gantz hat bei einer baldigen Neuwahl wenig zu gewinnen und viel zu verlieren. Sein Bündnis ist in den Umfragen abgestürzt, es droht die weitere Spaltung und ein unrühmliches Ende seiner kurzen politischen Karriere. Netanyahu und seine Leute setzten deshalb darauf, den früheren Generalstabschef im letzten Augenblick doch noch für irgendeine gesichtswahrende Kompromisslösung zu gewinnen.