Aufruhr um den FC ZürichPfiffe, ein Banner und klare Worte: So reagieren FCZ-Fans auf Benjamin Mendy
Beim 2:1-Sieg gegen Yverdon läuft der Franzose ein erstes Mal für den FC Zürich auf. Der Transfer hat viele Fans enttäuscht, manche schockiert.

- Mendy wird beim FCZ-Spiel eingewechselt und vom Publikum ausgepfiffen.
- Viele Fans äussern sich gegenüber dieser Redaktion negativ – aber nicht alle.
- Neben dem Transfer wird auch die Kommunikation des Vereins kritisiert.
Es läuft die 70. Minute, als der Stadionsprecher die Einwechslung von Benjamin Mendy verkündet. Kurz darauf steht der Franzose das erste Mal für den FCZ auf dem Platz. Die Menschen im Stadion, die diesen Wechsel verpasst haben, werden durch ein gellendes Pfeifkonzert darauf aufmerksam gemacht. Die Begrüssung der Fans ist laut – aber alles andere als herzlich.
«Mental ist er wichtig», sagte Trainer Ricardo Moniz am vergangenen Freitag bei einer Medienkonferenz über Mendy. Der Ausschnitt mit dieser Aussage wurde auf dem Instagram-Kanal der Zürcher publiziert. Die Kommentare: meist negativ.
Bei der Verpflichtung des Franzosen wirkte die Stimmung in der Followerschaft noch positiver, vor allem, als es darum ging, sein unterschriebenes Trikot zu gewinnen. Kommentarspalten sind zwar nicht immer sehr repräsentativ. Tendenzen lassen sich dennoch ablesen.
Auf dem Weg zum 2:1-Sieg des FCZ gegen Yverdon am Samstagabend ist der 30-Jährige schon lange vor seiner Einwechslung Thema. In der 30. Minute ist ein Banner der Südkurve zu sehen. Ein Kommentar zum neuen Spieler, gerichtet ans Präsidium: «Canepas: En Verein mit ‹Stil und Klass› gseht andersch us.» Vor einer Woche hatten im Wallis auch Sion-Fans ein Banner gezeigt: «Freispruch heisst nicht unschuldig.»
Da war der Mendy-Transfer noch ganz frisch, vor zehn Tagen erst wechselte der Weltmeister von 2018 zum FCZ. Der Transfer kam unerwartet, und er schlug hohe Wellen. Mendy war einst der achtfachen Vergewaltigung angeklagt, er wurde allerdings in allen Punkten freigesprochen.
Der FCZ meldete, er habe sich mit Mendys Vergangenheit auseinandergesetzt. In einem Interview mit dem «Blick» sprach Heliane Canepa von Stil und Klasse, darauf verweist die Südkurve am Samstag.
Canepa sagte im Interview auch: «Es gibt keinen Grund, diesen Transfer nicht zu machen.» Gegenteiliger Meinung war die Zürcher Frauenzentrale, die den Transfer verurteilte. Nach einer Aussprache teilte sie mit, dass man sich in dieser Thematik nicht einig geworden sei.
«Der Transfer von Mendy bringt mich in Erklärungsnot»
Die Uneinigkeit dieser beiden Parteien steht sinnbildlich dafür, wie der Transfer Mendys aufgenommen wurde. Markus Imbach, der Präsident des Fanclubs Letzi, sagte in der SRF-Sendung «Schweiz aktuell»: «Die Diversität wird beim FCZ aus meiner Sicht sehr hoch gehalten. Daher glaube ich, dass dieser Transfer durchaus Platz hat.» Daran hält er fest, wie er auf Anfrage dieser Redaktion mitteilt.
Das sehen aber längst nicht alle so. Ein Fan, der einst in der Südkurve stand und heute die Spiele in einem anderen Sektor verfolgt, sagt gegenüber dieser Redaktion: «Der Transfer von Mendy bringt mich in Erklärungsnot. Klar, da ist der Freispruch, aber die bittere Note bleibt.» Er bleibe weiterhin Fan, bei weiteren Fehltritten würden ihm aber irgendwann die Argumente ausgehen.
Ein anderer Anhänger sagt: «Recht und Gerechtigkeit können weit auseinanderliegen. Mendys Frauenbild und seine Einstellungen scheinen mindestens fragwürdig zu sein.» Und jemand schreibt: «Ich finde diesen Transfer nicht vertretbar; ein Freispruch bedeutet insbesondere bei diesen Delikten nicht Unschuld.»
Die von dieser Redaktion angefragten Fans bleiben anonym. Das gilt auch für eine Frau, die im Juniorinnenalter für den FCZ Fussball spielte, dem Verein dann als Anhängerin treu blieb und heute die Spiele von der Tribüne aus verfolgt. Der Transfer habe sie schockiert und enttäuscht, sagt sie, «es ist eigentlich tragisch».
Für viele ist nicht nur die Verpflichtung an sich problematisch, sondern auch die Kommunikation des Vereins. Der FCZ verpasste es, die Thematik gleich zu Beginn aufzunehmen, und behandelte Mendy in erster Linie als normalen, aber auch grossartigen Transfer, weil dieser einst Weltmeister wurde und mit Manchester City viermal die Premier League gewann.
Als das Echo um den Transfer lauter wurde, sich die Frauenzentrale einschaltete, sich bei der Instagram-Followerschaft doch noch Zweifel häuften und Medien kommentierten, reagierte Präsident Ancillo Canepa mit dieser Aussage: «Bekannte Fussballer sind oft begehrte Objekte, um sie auch ohne ein Fehlverhalten einzuklagen.»
Die ehemalige FCZ-Juniorin sagt: «Das ist eine Aussage, die Betroffenen von sexualisierter Gewalt ihre Glaubwürdigkeit abspricht. Sie ist ein Schlag ins Gesicht für alle Spielerinnen, Juniorinnen und für alle Mädchen und Frauen im Stadion.» Das sei nicht tragbar.
«Auch ein Weltmeister hat eine Vorbildfunktion»
Seit Jahren würden mehr und mehr Frauen und Mädchen an die Spiele im Letzigrund kommen, sagt die Frau Mitte 30 auch. «Man muss davon ausgehen, dass zahlreiche Frauen in diesem Stadion sitzen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind oder waren.» Statistisch gesehen erlebt in der Schweiz jede fünfte Frau mindestens einmal in ihrem Leben sexualisierte Gewalt.
«Mendys Verhalten könnte kontextualisiert werden, man könnte Reue und Verständnis zeigen. Stattdessen vertauscht Canepa Täter- und Opferrolle und bekräftigt öffentlich ein frauenfeindliches Narrativ in Bezug auf den Profifussball», sagt ein weiterer Fan, der seit Kindesbeinen und somit rund zwanzig Jahren den FCZ unterstützt und vor einiger Zeit selbst noch in der Südkurve stand.
Diese Redaktion hat auch Fans kontaktiert, die mit ihren Kindern das Stadion besuchen. Einige sagen, sie würden das Gespräch mit Söhnen und Töchtern suchen. «Auch ein Weltmeister hat eine Vorbildfunktion», ergänzt einer. Seine Partnerin sei enttäuscht vom FCZ und würde das der gemeinsamen Tochter auch so sagen.
Der Transfer von Mendy beschäftigt die FCZ-Fanbasis, das zeigen die Aussagen der Anhänger, das zeigt die Reaktion der Südkurve. Jemand schreibt gar, er müsse sich überlegen, seine Saisonkarte wirklich noch einmal zu verlängern. Diesmal geht es eben nicht bloss um Fussball. Hier trägt nicht einfach einer ein FCZ-Trikot, der einmal für die Grasshoppers auf dem Platz stand, hier kommt eine gesellschaftliche Note dazu.
Im Letzigrund ist fünf Minuten nach der Einwechslung Mendys nichts mehr von den gellenden Pfiffen zu hören. Zu sehen ist aber Mendy, der jubelnd auf die Südkurve zurennt. Der Franzose verbucht in seinem ersten Spiel sogleich den Assist zum 2:1-Siegtreffer. Jubel in Zeiten des Zweifels, das Dilemma einer Fangemeinschaft.
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