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Stadt engagiert Israel-Kritikerinnen
Wirbel um Anti-Hassrede-Kurse an Berner Schule

Schulhaus Stapfenacker am 20.02.2024 in Bern. Foto: Raphael Moser / Tamedia AG
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Vorletzten Montag verschickte die Leiterin der Schule Stapfenacker in Bümpliz ein Schreiben an die Eltern. «Wir informieren Sie über die Durchführung des Workshops ‹Stop Hate Speech› von Baba Academy», heisst es darin. In den kommenden zwei Wochen würden externe Fachpersonen den Kindern der 3. bis 9. Klasse aufzeigen, was Hassrede sei und wieso diese verletzend sei. «Mit diesem Schritt möchten wir unserer Vision ‹Schule als sicherer Ort› näher kommen», so die Schulleitung.

Wer in den letzten Wochen und Monaten die Nachrichten verfolgte, der dürfte beim Namen Baba Academy aufgehorcht haben. Tatsächlich ist die Organisation, die sich laut ihrer Website für «rassismuskritisches Denken» in Klassenzimmern und Büros einsetzt, aus dem Onlinemagazin «Baba News» heraus entstanden. Und die Macherinnen von «Baba News» stehen seit Ende Oktober selbst in der Kritik, sich verletzend im Ton vergriffen zu haben.

«Mit äusserstem Befremden»

Am 17. Oktober 2023 – zehn Tage nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel – veröffentlichten die beiden Chefredaktorinnen von «Baba News» einen kontroversen Podcast zum Nahostkonflikt. Während sie auf den Angriff der Hamas im 65-minütigen Audiobeitrag kaum eingingen, wurde Israel für seine Rolle heftig kritisiert.

Die eidgenössische Kommission gegen Rassismus kritisierte den Beitrag gegenüber «20 Minuten» später als «einseitig und voreingenommen». Die Gesundheitsdirektion des Kantons Bern (GSI), welche «Baba News» bis anhin finanziell unterstützte, stellte ihre Zahlungen umgehend ein. «Wir können mit Steuergeldern nicht eine Meinung subventionieren», begründete GSI-Stabsleiter Raphael Ben Nescher den Entscheid. Den Podcast habe man bei der GSI mit «äusserstem Befremden zur Kenntnis genommen».

MK Kanton zu Impfstrategie und weiteren Corona-Themen. 

Anwesend: Regierungspräsident Pierre Alain Schnegg, Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektor, Raphael Ben Nescher, Leiter Sonderstab Corona GSI, Dr. med. Frank Neff, Mitglied Sonderstab, sowie Martin Kuenzi, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Regierungsstatthalter und Mitglied des Sonderstabs . © Adrian Moser / Tamedia AG

«Baba News» selbst zeigt sich von der Kritik bis heute unbeirrt. Auch «einseitige Berichterstattung» gehöre zur Medien- und Pressefreiheit dazu und sollte weder von Behörden noch Politikerinnen und Politikern beeinflusst oder verhindert werden, sagt Alina Muhtari, die Chefredaktorin von «Baba News». «Dieser Ansicht ist anscheinend auch die Stadt Bern – denn sie hat keinen Anlass gesehen, die Zusammenarbeit mit uns einzustellen», so Muhtari weiter.

Ein Vater äussert Vorbehalte

Tatsächlich. Die Erfahrung, dass die Stadt Bern im Gegensatz zum Kanton Bern keinerlei Vorbehalte gegenüber «Baba News» hat, machte auch ein Vater, dessen Kinder die Schule Stapfenacker besuchen. Kurz nach dem Eintreffen der Elterninformation meldete er seine Bedenken gegenüber dem Kurs bei der Schulleitung an. Er befürchte aufgrund der Vorgeschichte von «Baba News», dass seinen Kindern an den Workshops antisemitische Inhalte vermittelt würden.

Der Mailverkehr mit den Verantwortlichen der Schule liegt dieser Redaktion vor. Die Schulleitung hält fest, dass sie Baba Academy als externe Partnerin «sorgfältig» ausgewählt habe. «Mehrere Personen aus dem Kollegium haben gute Erfahrungen gemacht mit den Weiterbildungen», heisst es im Antwortschreiben.

Die Schule nehme die Antisemitismusbedenken des Vaters aber sehr ernst. «Wir werden die Lehrpersonen, die beim Workshop dabei sind, darauf hinweisen, dass sie sich auf antisemitische Äusserungen achten sollen», so die Schulleitung. Falls sie solche Inhalte während des Workshops feststellen sollten, werde die Durchführung sofort abgebrochen.

«Durch nichts belegter Vorwurf»

Albina Muhtari von «Baba News» sagt, dass die «Stop Hate Speech»-Workshops seit 2022 an Schulen durchgeführt würden. Bisher habe sich noch nie eine Lehrperson oder ein Elternteil über die Kursinhalte beschwert. Bei den Workshops gehe es darum, den Kindern und Jugendlichen ein emphatisches und respektvolles Miteinander zu vermitteln. «In diesem Rahmen lernen Schülerinnen und Schüler, was Hate Speech ist, wie Hate Speech verletzt und wie versteckte Hassrede aussehen kann», so Muhtari.

Der Nahostkonflikt sei dabei kein Programmpunkt. «Wir behandeln im Workshop aber verschiedene Rassismus- und Diskriminierungsformen, darunter auch Antisemitismus.» Den älteren Schülerinnen und Schülern zeige man während des Workshops etwa ein Interview, welches «Baba News» kürzlich mit einem Holocaustüberlebenden geführt habe. «Wir leisten damit – insbesondere bei einem jungen Zielpublikum – einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung von Antisemitismus», so Muhtari.

Medien mit "Migrationshintergrund": (Junge) Leute mit Migrationsgeschichte verschaffen sich ueber eigene Kanaelen eine Stimme, weil sie zu wenig in den grossen Medien vorkommen. Albina Muhtari von Baba News, am 6. Maerz 2023 in Bern. Foto: Nicole Philipp/Tamedia AG

Auf seinen diversen Plattformen übt das Onlinemedium derweil weiterhin regelmässig heftige Kritik an Israel. Das Vorgehen des israelischen Militärs in Gaza wird konsequent als «Genozid» bezeichnet. Auf Instagram postete «Baba News» auch mehrere Beiträge, in denen zum Boykott von Unternehmen, Medien und Parteien aufgerufen wird, die Israel nahe stehen sollen.

Dass jemand aufgrund dieser Beiträge eine antisemitische Haltung bei ihnen wittert, will man bei «Baba News» aber nicht einfach so hinnehmen. «Der durch nichts belegte Vorwurf, wir würden den Kindern ‹Antisemitismus eintrichtern›, ist ein Ehrverletzungsdelikt», sagt Muhtari. Man prüfe deshalb eine Strafanzeige gegen den Vater, der diese Vorwürfe auch in den sozialen Medien äusserte.

Kurse sind kein «städtischer Auftrag»

In Teilen der Politik löst der Entscheid der Stadt Bern, Kinder und Jugendliche von den «Baba News»-Macherinnen unterrichten zu lassen, Irritation aus. Der Gemeinderat – namentlich Franziska Teuscher (Grüne) – habe ihr im November noch ganz andere Signale gegeben, sagt Stadträtin Simone Richner (FDP).

Als der Kanton Bern seine Fördermittel an «Baba News» strich, wollte Richner gemeinsam mit Milena Daphinoff (Die Mitte) und Maurice Lindgren (GLP) vom Gemeinderat wissen, in welcher Form die Stadt das Onlinemedium bisher unterstützt hat. Die Stadtregierung schrieb in ihrer Antwort, dass man «Baba News» in den letzten Jahren für verschiedene Projekte mit 27’600 Franken alimentiert habe. Es gebe aber keine fortlaufende Unterstützung im Sinne von Fördermitteln, Sponsoring oder Werbeausgaben. Von den Workshops war in der Antwort auf den Vorstoss nirgendwo die Rede.

Die Stadt Bern erklärt diesen Umstand mit Formalitäten. «Über Aufträge einzelner Schulstandorte hat das Schulamt keine Übersicht», so Schulamtsleiterin Luzia Annen. Deshalb sei der Workshop an der Stapfenackerschule in der Antwort auf den Vorstoss auch nicht als «städtischer Auftrag» aufgeführt gewesen.

Ob auch in anderen Stadtberner Schulen in den kommenden Wochen «Stop Hate Speech»-Workshops der «Baba News»-Macherinnen stattfinden würden, könne das Schulamt «kurzfristig» nicht beantworten. Auch die Frage, wie hoch das Honorar für die Workshops an der Stapfenackerschule sind, lässt Annen offen.