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Auswirkungen der Schlankheitsspritzen
Unternehmen wie Nestlé, Lindt und Barry Callebaut kriegen ihr Fett weg

Ein Mitarbeiterin kontrolliert die durch den Roboter gefuellte Packung und fuellt wen Noetig die Packung mit fehlende Praline, im Cailler Chocolat Produktion am 6. November 2018 in Broc.
(KEYSTONE/Gaetan Bally)
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Die Euphorie um die Diätspritzen ebbt nicht ab. Medikamente wie Ozempic und Wegovy vom dänischen Pharmakonzern Novo Nordisk oder Mounjaro vom US-Hersteller Eli Lilly bekämpfen nicht nur Diabetes Typ 2, sondern auch Fettleibigkeit. Und stossen dabei nicht nur bei den Erkrankten auf grosse Nachfrage.

Zuerst von Tesla-Gründer Elon Musk als Wunderwaffe gegen unerwünschte Kilos angepriesen, erlangten die Appetitzügler während der Pandemie grosse Bekanntheit. Sie wurden zu Bestsellern der Pharmabranche und machten Novo Nordisk zum wertvollsten Unternehmen Europas. Die Nachfrage ist so gross, dass der dänische Hersteller mit den Lieferungen nicht hinterherkommt. Auch Eli Lilly hat Schwierigkeiten.

Die verschreibungspflichtigen Medikamente sind teuer. In den USA kosten sie zwischen 900 und 1300 Dollar, die häufigsten Nebenwirkungen sind Durchfall und Übelkeit. Das scheint die abnehmwillige Kundschaft aber nicht abzuschrecken: Laut dem Analyseunternehmen Trilliant Health stellten Ärzte in den USA in den letzten drei Monaten 2022 über neun Millionen Rezepte für Ozempic, Wegovy und andere Diabetes- und Adipositas-Medikamente aus.

Walmart verunsichert Anleger

Diese Entwicklung hat Auswirkungen auf das Konsumverhalten, so die logische Annahme. Denn wer abnehmen will, verzichtet vermehrt auf Kalorien. Dieses Szenario soll in den USA nun tatsächlich eingetroffen sein. Bei Walmart spüre man die Auswirkungen der Diätspritzen: «Wir sehen definitiv eine leichte Veränderung im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, wir sehen einen leichten Rückgang des gesamten Warenkorbs», sagte John Furner, USA-Chef des Detailhändlers, vor gut zwei Wochen.

Der amerikanische Detailhändler untersuchte Veränderungen im Kaufverhalten anhand anonymisierter Daten seiner Käuferschaft. Und verglich das Kaufverhalten der Menschen, die Medikamente wie Ozempic nehmen, mit denen, die dies nicht tun. Walmart kann dies genau beziffern, da er Ozempic in seinen eigenen Apotheken verkauft.

Walmart ist der grösste US-Detailhändler. Die Aussage des Chefs hat Gewicht und verunsicherte Anleger, die ihr Geld in Aktien von Unternehmen wie Nestlé, Lindt & Sprüngli, Barry Callebaut oder Mondelez investieren. Diese haben einen gemeinsamen Nenner: Zuckerhaltige Lebensmittel sind ihr Geschäft.

Wird also die Hoffnung auf Gewichtsverlust bald zur Diätkur für Lebensmittelhersteller, die vor allem vom Verkauf von Schokolade und anderen Süsswaren leben?

Ein erster Blick auf die Aktienkurse der genannten Unternehmen zeigte Kursverluste kurz nach der Aussage des Walmart-Managers. Der Nahrungsmittelriese Nestlé mit Sitz in Vevey beispielsweise schloss am 6. Oktober um 2,5 Prozent tiefer, der Kurs fiel kurzzeitig unter die Marke von 100 Franken, was seit Frühjahr 2021 nicht mehr passiert ist.

Beim Schweizer Schokoladenhersteller Lindt & Sprüngli sank der Kurs um 3,8 Prozent und bei Barry Callebaut um 1,1 Prozent. Ähnlich sah es bei den US-Konzernen aus: Mondelez und Pepsico verloren über 5 Prozent.

Im Vergleich legten die Aktienkurse der Pharmaunternehmen Novo Nordisk und Eli Lilly weiter zu.

Jean-Philippe Bertschy von der Bank Vontobel sieht den Zusammenhang zwischen der Popularität der Abnehmspritze und den Kursverlusten der Lebensmittelhersteller als nicht gerechtfertigt. Es sei noch viel zu früh, um werthaltig Aussagen zu machen, sagt der Analyst für Konsumgüter.

Die Aussage des Walmart-Managers könnte zwar einen kurzfristigen Einfluss auf die Kursentwicklung gehabt haben, doch sieht Bertschy die Gründe für die Verluste vor allem in der aktuellen Wirtschaftslage begründet: steigende Zinsen und höhere Preise, die das Wachstum verlangsamen – vornehmlich bei Nestlé.

«Wenn die aktuelle Entwicklung wirklich eine Auswirkung auf die Konzerne hätte, würden sie jetzt neue Produkte entwickeln.»

Jean-Philippe Bertschy, Analyst bei Vontobel

Beim Nahrungsmittelkonzern macht das Geschäft mit Fertiggerichten, Schokoladen und anderen Süsswaren weltweit rund 15 Prozent, in den USA 20 Prozent vom Umsatz aus. Der grösste Teil des Geschäfts wie Kaffee und Tierfutter sei von appetitzügelnden Medikamenten nicht betroffen, sagt Bertschy.

«Wenn die aktuelle Entwicklung wirklich eine Auswirkung auf die Konzerne hätte, würden sie jetzt die Strategie neu aufstellen und neue Produkte entwickeln», sagt er.

Nestlé tut das. Der Konzern verpasste in den ersten neun Monaten dieses Jahres die erwartete Umsatzentwicklung. Auch weil die Verkaufsmenge weiterhin rückläufig ist. Man beobachte die Entwicklung von Schlankheitsspritzen genau, hiess es diesen Donnerstag in einer Telefonkonferenz zu den aktuellen Zahlen mit Konzernchef Mark Schneider. Mögliche Einbussen bei den Lebensmitteln könne Nestlé durch seine Produkte in der Gesundheitssparte ausgleichen, sagte Schneider.

Laut den Analysten der UBS, fallen die Auswirkungen durch die Schlankheitsspritzen auch für Lindt & Sprüngli gering aus: In einer aktuellen Analyse zum Kurseinbruch der Aktie sehen sie die Unsicherheit der Anleger zwar als einen Grund. Doch selbst wenn 10 Prozent der amerikanischen Erwachsenen einen der Schlankmacher nehmen würden, würde der weltweite Schokoladenmarkt lediglich um 0,2 bis 2,1 Prozent schrumpfen.

Ausserdem habe der «Trend zum gesunden Naschen» in den Jahren 2016 und 2017, als Schokoladen gegen Protein- und Nussriegel in den attraktivsten Regalen ersetzt wurden, Lindt kaum geschadet.

Nachfrage nach Diätspritze wird weiter wachsen

In der Schweiz ist Ozempic seit 2022 zugelassen. Eine Packung mit vier Dosen kostet rund 130 Franken. Mounjaro ist in der Schweiz seit November 2022 erhältlich. Wegen Lieferengpässen ist Wegovy bislang nicht zugelassen. Die Nachfrage ist auch hierzulande gross. Zumal die Krankenkasse die Kosten übernimmt.

Die Zahl jener, die zur Diätspritze greifen, wird steigen. Eine aktuelle Analyse der Investmentbank Morgan Stanley geht davon aus, dass die Zahl der Patienten in den USA im Jahr 2035 auf 24 Millionen anwachsen wird. Denn etwa 40 Prozent der erwachsenen US-Bevölkerung gälten als fettleibig. Zudem sind 37 Millionen Amerikaner Diabetiker.

Die Analysten gehen davon aus, dass die Wirkung der Mittel auch die Getränkebranche, die Diätnahrungsmittelhersteller und die Gastronomie verändern wird.