Analyse zu Bundesfinanzen Nur eine neue Steuer kann den Armeeausbau finanzieren
Das Parlament pfuscht beim Rechnen und lässt damit nur einen Ausweg offen: Es braucht mehr Steuereinnahmen. Der Mittelstand kann nicht mehr bezahlen – bleiben die Reichen.
Die erste Parlamentssession nach den Wahlen endet in der Ernüchterung. Das neue Parlament hat bei seiner ersten wichtigen Aufgabe, beim Bundesbudget 2024, einen schlechten Eindruck hinterlassen.
«Eine solch knifflige Budgetdebatte habe ich noch nie erlebt», sagte Mitte-Nationalrat Markus Ritter. Nur mit Hängen und Würgen konnte das Parlament einen Voranschlag verabschieden, der die Vorgaben der Schuldenbremse einhält. Und das nur extrem knapp.
Stundenlang stritten die Räte um teilweise marginale Budgetposten: um 80’000 Franken für den Nationalpark, um 6 Millionen für die Weinvermarktung oder um 55 Millionen Franken für den regionalen Personenverkehr – und lehnten die geplanten Kürzungen in diesen Bereichen ab. Dabei sind das geradezu lächerliche Beträge im Vergleich mit den Sparmassnahmen, die in den nächsten Jahren nötig werden. Für 2025 prognostiziert das Finanzdepartement ein Finanzloch von 2,4 Milliarden, 2027 fehlen bereits 3 Milliarden.
Für diese Fehlbeträge gibt es viele kleine Ursachen und zwei grosse. Zu Letzteren gehört erstens die Wiederaufrüstung der Armee. Bis 2035 soll der Militäretat von heute 5,5 auf 10,5 Milliarden Franken steigen – pro Jahr.
Der zweite grosse Kostentreiber ist die AHV. Der Bundesbeitrag für das Sozialwerk steigt bis 2035 von 10 auf 16 Milliarden Franken pro Jahr (wegen der Alterung der Bevölkerung). Sollte das Volk im März der Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente zustimmen, kämen noch einmal 800 Millionen pro Jahr dazu, Tendenz steigend.
Zum Sparen unfähig
All diese Milliardensummen müssen – das verlangt die Schuldenbremse – irgendwo kompensiert, das heisst eingespart werden. Doch das Parlament ist zum Sparen kaum fähig, wie die Budgetdebatte offenbarte.
Für die Linke ist das kein Problem. Sie möchte die Schuldenbremse sowieso abschaffen und Finanzlöcher beim Staat generell mit höheren Steuern stopfen. Beides ist nicht nachhaltig, aber immerhin ist die Linke in ihrer Finanzpolitik konsequent. Das kann man von den Bürgerlichen nicht behaupten.
SVP, FDP und Mitte haben nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs eine Art «Pakt für die Armee» geschlossen, um die Armee wieder einsatzfähig zu machen. Das ist richtig und nötig, auch wenn man über das Ausmass dieser Aufrüstung diskutieren kann.
Doch der «Pakt für die Armee» hat einen Konstruktionsfehler. Seine Erfinder sagen bis heute nicht, wo sie das Geld hernehmen wollen. Wer mit Finanzpolitikern aus SVP, FDP und Mitte spricht, hört viele Vorschläge, wo sie das nötige Geld einsparen wollen. Ihre Top 6: Entwicklungshilfe, Sozialwerke, Asylwesen, Bildung und Forschung, Kultur und die Löhne des Bundespersonals.
Das klingt nach einem Plan, ist aber realitätsfremd. Ein Faktencheck:
Sozialausgaben: Sie sind mit knapp 30 Milliarden Franken der grösste Budgetposten. Doch die meisten dieser Ausgaben sind gebunden, was bedeutet, dass zuerst Gesetze geändert werden müssten. Wo die Armeeaufrüster hier kürzen wollen, bleibt ihr Geheimnis. Vielleicht bei der AHV? Bei den Ergänzungsleistungen? Bei den Prämienverbilligungen? Viel Glück in der Volksabstimmung! Die SP-Chefs freuen sich bereits auf das Referendum.
Asylwesen: Hier werden die Kosten primär durch internationale Flüchtlingsströme getrieben. Diese lassen sich durch Korrekturen im Bundesbudget schwerlich stoppen.
Bildung, Kultur, Beamtenlöhne: In diesen Bereichen ein paar Hundert Millionen Franken einzusparen, würde nicht den Untergang der Schweiz bedeuten. Dass das gut entlöhnte Bundespersonal eine Zeit lang auf den Teuerungsausgleich verzichtet, wäre zumutbar. Doch die nötigen Milliardensummen sind auch hier kaum zu holen – es sei denn, man möchte in Zeiten des Fachkräftemangels die Hochschulen und die höhere Berufsbildung zu Kleinholz machen.
Entwicklungshilfe: Heute gibt die Schweiz dafür jährlich rund 3 Milliarden Franken aus. Selbst wenn sie diesen Betrag auf null reduziert, wäre der Finanzbedarf beim Militär erst zur Hälfte finanziert.
Diese Rechenspiele zeigen: Die ventilierten Sparideen sind unrealistisch. Hinzu kommt: In jedem Bereich, dem eine Kürzung droht, formiert sich zuverlässig eine potente Gegen-Lobby. Und ausgerechnet SVP, Mitte und FDP, die gleichen Parteien also, die mehr Geld für die Armee wollen, verschonen einen ganzen Sektor vor jeder Sparmassnahme: die Landwirtschaft. In der Budgetdebatte machten sie jede Kürzung, die der Bundesrat bei den Agrarsubventionen geplant hatte, wieder rückgängig. Buchstäblich jeden einzelnen Franken.
Es gibt nur drei Optionen
Politikerinnen und Politiker, die behaupten (und es gibt einige davon), sie könnten Milliarden fürs Militär freimachen und gleichzeitig gewisse Sektoren ganz vom Sparen ausnehmen, haben jeden Bezug zur Realität verloren.
Realistischerweise gibt es darum nun drei Optionen:
Option 1: Der Armeeausbau wird abgesagt.
Option 2: Alle Parteien setzen sich an einen runden Tisch und machen einen Deal. Ein nationaler Spar-Pakt für Armee und AHV, in dem jedes Lager finanzielle Opfer erbringt: Mitte-links etwa bei Entwicklungshilfe und Kultur; Mitte-rechts beim Autobahnausbau und bei der Landwirtschaft; alle zusammen beim öffentlichen Verkehr sowie bei Bildung und Forschung.
Ist ein solcher Spar-Deal möglich? Nach dem Hickhack um das Budget 2024 fällt es schwer, daran zu glauben. Darum wird es Zeit, über Option 3 nachzudenken: neue Steuern.
Weil breite Teile der Bevölkerung ohnehin an Kaufkraft verlieren, dürften neue Steuern den Mittelstand nicht weiter belasten. Mindestens zwei Steuern gibt es, die dieses Kriterium erfüllen: eine nationale Erbschaftssteuer auf grosse Vermögen und eine Kapitalgewinnsteuer. Man könnte diese neuen Steuern sogar mit einer Zweckbindung fürs Militär versehen.
Es gibt diese drei Optionen, mehr nicht. Wer glaubt, es gehe schmerzfreier, ist ein finanzpolitischer Träumer.
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