Impfstoff-AffäreAufsichtspolitiker untersuchen den gescheiterten Lonza-Deal
Was lief im Frühling 2020 genau zwischen dem Bund und Lonza? Dieser Frage nimmt sich jetzt die Geschäftsprüfungskommission an. Der Entscheid dazu fiel einstimmig.
Jetzt schaltet sich das Parlament in die Lonza-Affäre ein: Am Dienstag hat die Geschäftsprüfungskommission (GPK) entschieden, die Kontakte zwischen Bund und Lonza aus dem Frühjahr 2020 unter die Lupe zu nehmen. Konkret geht es um die Gespräche über eine mögliche finanzielle Beteiligung des Bundes an der Herstellung des Impfstoffs der Marke Moderna an der Produktionsstätte in Visp (VS). Der Entscheid der GPK fiel einstimmig aus, wie die Kommission mitteilt.
Das Parlament will damit eine Frage klären, die in der Schweiz seit Wochen für angeregte Diskussionen sorgt: Hätte der Bund sich rascher mit Covid-19-Impfstoffen versorgen können, wenn er letztes Jahr in die Produktionsanlagen der Lonza in Visp investiert hätte?
Lonza-Präsident Albert Baehny hatte am Sonntag in einem Interview erklärt, er habe am 1. Mai 2020 an einer Sitzung mit Bundesvertretern angeregt, dass der Bund sich für 60 Millionen Franken eine eigene Produktionslinie für den Moderna-Impfstoff sichere. Eine solche Produktionsstrasse hat eine Kapazität von 100 Millionen Impfdosen pro Jahr, was den Bedarf der Schweiz deutlich übersteigt.
Politiker wollen auch Lonza einladen
Dass es sich um eine brisante Thematik handle, sei in der Kommission unbestritten gewesen, sagt Thomas de Courten auf Anfrage. Schon in den nächsten Sitzungen wolle man das Thema anpacken, so der SVP-Nationalrat, der die Aufarbeitung in einer Subkommission leiten wird. «Ich gehe davon aus, dass die Kommission alle Beteiligten zu Anhörungen einlädt.» Der Entscheid, ob Lonza teilnehme und wenn ja, durch wen vertreten, liege aber allein bei Lonza.
In die GPK eingebracht hatte das Thema FDP-Nationalrat Philippe Nantermod. «Wir müssen Licht in diese Sache bringen», sagt er. Zum einen stelle sich die Frage, ob das Bundesamt für Gesundheit bei der Impfstoff-Beschaffung Fehler gemacht habe und ob der Bundesrat über das Angebot von Lonza hätte informiert werden sollen. Zum anderen gehe es auch um die Zukunft: «Es ist möglich, dass wir noch auf Jahre hinaus Impfstoff benötigen. Eine staatliche Beteiligung in Visp könnte auch jetzt noch sinnvoll sein.»
Viele offene Fragen
Allerdings gibt es noch viele Unklarheiten im Zusammenhang mit dem Lonza-Deal. Zunächst ist fraglich, wie konkret sich der Lonza-Präsident in jener Sitzung geäussert hat. Diese Zeitung hat mit mehreren Sitzungsteilnehmern gesprochen, die sich nicht an ein konkretes Angebot Baehnys erinnern können.
Auch im Protokoll der Sitzung ist keine konkrete Aussage zum Deal ersichtlich. Aus dem Protokoll und einem am Sonntag vom Innendepartement veröffentlichten Schreiben Baehnys geht lediglich hervor, dass Lonza dem Bund eine finanzielle Beteiligung an den in Visp erforderlichen Investitionen für den Aufbau der drei Produktionslinien anbot. Zu welchen Konditionen – das ist offen.
Widersprüchliche Informationen gibt es auch über die Frage, ob Lonza dem Bund wirklich eine raschere Impfstofflieferung hätte garantieren können. (Ja, meint ein Branchenkenner im Interview.) Erstens, weil der Wirkstoff, der in Visp produziert wird, grundsätzlich dem Hersteller Moderna gehört. Zweitens, weil dieser Wirkstoff nach Spanien transportiert und dort abgefüllt wird. Drittens, weil Lonza erst in diesem Monat begonnen hat, die zweite und dritte Produktionslinie hochzufahren. Andererseits sagen Branchenkenner, dass Patentinhaber und Hersteller von Medikamenten sehr oft vorkommen.
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