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Asyldebatte
Der Nationalrat will mehr Grenzkontrollen – der Bund formuliert Erwartungen an Deutschland

Bundesrat Beat Jans spricht während der Frühjahrssession 2025 im Ständerat in Bern.
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In Kürze:
  • Der Nationalrat hat über Asylvorstösse beraten.
  • Er fordert mehr Grenzkontrollen und Massnahmen gegen kriminelle Asylsuchende.
  • Den Familiennachzug will der Nationalrat nicht einschränken.

Es ist eine Art Ritual: In fast jeder Session berät der Nationalrat eine Reihe von Asylvorstössen der SVP – oft im Rahmen einer speziellen Debatte, die «ausserordentliche Session» genannt wird. Die SVP nutzt diese für Fragen und Kritik an Justizminister Beat Jans (SP). So auch am Montagabend.

Thomas Knutti fragte Jans etwa, warum er nicht bereit sei, in die Sicherheit der Bevölkerung zu investieren. Thomas Aeschi wollte wissen, warum in der Schweiz nicht möglich sein sollte, was in anderen Ländern möglich sei. Er wies darauf hin, dass Deutschland Verschärfungen angekündigt habe. Insgesamt 15 Fragen musste Jans beantworten. Er warnte in der Debatte davor, der Bevölkerung etwas vorzumachen und Vorstösse anzunehmen, die nicht umsetzbar seien.

Am Ende stimmte der Nationalrat mehreren Vorstössen zu – darunter einem, mit dem der Bundesrat einverstanden ist: Die Schweiz soll ihre Grenzkontrollen intensivieren und Personen konsequent wegweisen, die keine Aufenthaltsberechtigung haben und kein Asylgesuch stellen. 

Auch Nachbarstaaten tun es

Die Staatspolitische Kommission des Ständerates hatte den Vorstoss formuliert, obwohl ihr ein Papier der Verwaltung vorlag, das den Nutzen zusätzlicher Kontrollen relativiert. SVP-Nationalrat Gregor Rutz stellte fest, dass auch die Nachbarstaaten die Grenzkontrollen verstärkt hätten. 

Die Kommission wollte aber vor allem eine Alternative zu einem SVP-Vorstoss bieten, dessen Umsetzung weitreichende Konsequenzen hätte: Die SVP möchte, dass auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden, wenn sie über einen sicheren Drittstaat wie Italien einreisen. Das hat der Nationalrat mit 95 zu 89 Stimmen bei 5 Enthaltungen abgelehnt. 

SVP-Nationalrat Piero Marchesi argumentierte, es gehe nicht an, dass Asylsuchende mehrere sichere Staaten durchquerten, bevor sie ein Asylgesuch einreichten. Jans wies auf die Flüchtlingskonvention hin: Dass eine Person direkt aus dem Land komme, in dem sie verfolgt werde, sei keine Voraussetzung für den Anspruch auf Schutz. Die Sekundärmigration einzudämmen, sei eine Aufgabe, die länderübergreifend gelöst werden müsse.

Deutschland kündigt Zurückweisungen an

Über Zurückweisungen an der Grenze wird nicht nur in der Schweiz diskutiert. Die Forderung war auch im deutschen Wahlkampf ein Thema – und ist nun im Plan enthalten, auf den sich die CDU und die SPD in den Gesprächen für die Koalitionsverhandlungen geeinigt haben. 

Mit Blick auf Personen, die ein Asylgesuch stellen, enthält der Plan indes wichtige Einschränkungen: Zurückweisungen sollen im rechtsstaatlichen Rahmen und in Abstimmung mit den Nachbarländern erfolgen. Die CDU und die SPD bekennen sich in der Vereinbarung auch zum EU-Recht. So wollen sie etwa die EU-Asylreform, die schärfere Massnahmen an den EU-Aussengrenzen vorsieht, schneller als geplant umsetzen. 

Österreich hat dennoch bereits auf mögliche Zurückweisungen von Asylsuchenden reagiert. Das Innenministerium liess am Wochenende verlauten, es würde ein solches Vorgehen nicht akzeptieren. Menschen, die einen Asylantrag stellten, dürften nach geltendem EU-Recht nicht formlos an der Grenze abgewiesen werden.

Schweiz behält sich «Reaktionen» vor

Die Schweiz hat die Ergebnisse der Sondierungsgespräche in Deutschland zur Kenntnis genommen, wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf Anfrage schreibt. Wie allfällige Anpassungen genau aussähen, sei noch unklar. «Sie sollen aber gemäss Ankündigung im Einklang mit geltendem Recht erfolgen», hält das SEM fest.

Bereits heute wiesen Deutschland wie auch die Schweiz an ihren Landesgrenzen gewisse Personenkategorien zurück. Die Schweiz erwarte, dass deutsche Massnahmen weiterhin «nur in Abstimmung mit der Schweiz und unter Einhaltung des europäischen Rechts» erfolgten. Der Bundesrat beobachte die weiteren Entwicklungen genau. Sollten die Zurückweisungen gegen das geltende Recht verstossen, behalte sich die Schweiz «Reaktionen» vor. Auch erwarte sie von Deutschland, dass der Personen- und Warenverkehr möglichst unbeeinträchtigt bleibe. 

Massnahmen gegen Kriminalität

Angenommen hat der Nationalrat auch zwei Vorstösse für Massnahmen gegen kriminelle Asylsuchende. Es vergehe kaum ein Tag ohne Straftaten von «Asylmigranten», sagte SVP-Nationalrat Pascal Schmid. Der Bundesrat soll Asylsuchende, Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene, die wegen eines Verbrechens verurteilt worden sind, konsequent vom Asylverfahren ausschliessen beziehungsweise ihnen die Aufenthaltsbewilligung entziehen. 

Schon heute ist es möglich, straffälligen Personen das Asyl oder die vorläufige Aufnahme zu entziehen. Schranken setzt das flüchtlings- und menschenrechtliche Non-Refoulement-Prinzip, wonach niemand in ein Land zurückgeschickt werden darf, in dem ihm unmenschliche Behandlung droht.

Weiter soll der Bundesrat die Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden und abgewiesenen Asylbewerbern einschränken, sobald gegen diese ein Strafverfahren wegen eines Vergehens oder eines Verbrechens eröffnet wurde. Die Gerichte haben bereits die Möglichkeit, Haft anzuordnen.

Neuer Anlauf beim Familiennachzug

Erneut zu reden gab der Familiennachzug. Vergangenes Jahr hatte die SVP gefordert, dass der Familiennachzug für vorläufig Aufgenommene verboten wird – und war damit knapp gescheitert. Nun stellte sie Einschränkungen zur Diskussion. So forderte sie, dass auch anerkannte Flüchtlinge ihre Ehepartner und Kinder nur dann in die Schweiz holen dürfen, wenn sie nicht von Sozialhilfe abhängig sind. Das gilt heute bereits für vorläufig Aufgenommene. Zudem sollten nur Kinder bis 15 Jahre in die Schweiz kommen dürfen. 

Das rief die UNO-Flüchtlingsorganisation UNHCR und das Kinderhilfswerk Unicef auf den Plan: Die Forderungen seien nicht mit der Kinderrechtskonvention und anderen Menschenrechtsverträgen vereinbar, teilten sie mit. Eine Altersbeschränkung würde Kindern in einem besonders verletzlichen Alter die familiäre Unterstützung entziehen. Der Nationalrat lehnte den Vorstoss mit 96 zu 89 Stimmen bei 5 Enthaltungen ab. Über die angenommenen Vorstösse muss noch der Ständerat entscheiden. Er hält am Donnerstag eine ausserordentliche Session zum Thema ab.