Angespannte Lage im MittelmeerTausende Migranten auf Lampedusa – Notstand ausgerufen
Die Ankunft Tausender Bootsmigranten innerhalb weniger Tage bringt die italienische Mittelmeerinsel an ihre Grenzen. Das Erstaufnahmelager im Zentrum von Lampedusa ist völlig überfüllt.
Die kleine italienische Mittelmeerinsel Lampedusa sieht sich derzeit mit der Ankunft tausender Migranten konfrontiert, deren Versorgung sie kaum bewältigen kann. Das italienische Rote Kreuz meldete am Mittwochabend mehr als 7000 Neuankömmlinge – so viele, wie die 145 Kilometer nördlich von Tunesien gelegene Insel Einwohner zählt.
Das gute Wetter der vergangenen Tage führte dazu, dass sich mehr Menschen als gewöhnlich von Nordafrika aus in Booten über das Mittelmeer auf den Weg machten. Nach Angaben des Innenministeriums in Rom kamen allein am Dienstag mehr als 5000 Migranten in Italien an. Die meisten von ihnen wurden von der Küstenwache aufgegriffen und nach Lampedusa gebracht.
Das dortige Aufnahmezentrum ist für weniger als 400 Menschen ausgelegt. Männer, Frauen und Kinder mussten rund um das Lager die Nächte unter freiem Himmel verbringen – auf Behelfsbetten, viele in Rettungsdecken eingehüllt.
Auf Videos war zu sehen, wie die Menschen – viele erkennbar erschöpft – dicht gedrängt in der prallen Sonne ausharrten, ihnen gegenüber standen Sicherheitskräfte vor den Toren des Lagers. In dem Getümmel kam Unruhe auf. In italienischen Medien war von einer «explosiven» Stimmung zu lesen.
Der Stadtrat der Insel rief angesichts der zugespitzten Lage am Mittwochabend den Notstand aus. Unklar war, welche genauen Folgen dies hat. Bürgermeister Filippo Mannino forderte von der Regierung in Rom mehr Unterstützung für die kleine Insel, die unter «grossem Stress» stehe. Die Bürger Lampedusas seien verzweifelt. «Jeder hat in irgendeiner Weise den Migranten geholfen, die Hilfe brauchten. Aber jetzt ist es wirklich an der Zeit, nach einer strukturellen Lösung zu suchen», sagte Mannino weiter.
Rotes Kreuz spricht von «Managementproblemen»
Das Aufnahmezentrum auf Lampedusa hat seit Jahren Probleme bei der Versorgung der vielen Neuankömmlinge. Menschenrechtsorganisationen verweisen auf Mängel bei der Trinkwasser- und Essensversorgung sowie bei der medizinischen Versorgung.
Im Juni übernahm das Internationale Rote Kreuz die Aufgabe und versprach eine «würdevollere» Aufnahme. Diese Woche sprach es jedoch von «Managementproblemen» angesichts von mehr als 7000 Migranten.
Um das Aufnahmelager zu entlasten, sollen Fähren und Polizeischiffe Menschen nach Sizilien oder auf das italienische Festland bringen. Das Rote Kreuz geht davon aus, dass sich dann auch wieder die Lage im Hotspot entspannen wird. Normalerweise versuchen die Behörden, schneller auf Ankünfte zu reagieren.
«Die Lage ist komplex, wir versuchen, nach und nach zur Normalität zurückzukehren», sagte Francesca Basile vom Roten Kreuz. «Trotz der schwierigen Lage haben wir versucht, Betten an die Menschen zu verteilen, damit sie nicht unter freiem Himmel schlafen müssen», sagte sie. «Wir haben Essen an alle verteilt, gestern Abend, heute wieder, jeder wird das bekommen, was er braucht», sagte sie.
Jahr für Jahr sterben zahlreiche Flüchtlinge bei dem Versuch, über das Mittelmeer in die Europäische Union zu gelangen. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen in 2023 bislang mehr als 2000 Menschen ums Leben, als sie versuchten, von Nordafrika aus die Küsten von Italien oder Malta zu erreichen.
Am Mittwochmorgen starb ein fünf Monate altes Baby, das ins Wasser stürzte, als eine Gruppe von Bootsflüchtlingen ans Ufer gebracht wurde.
Die rechtsgerichtete italienische Regierung hatte Lampedusa kürzlich 45 Millionen Euro bereitgestellt, um die Situation besser bewältigen zu können. Gleichzeitig fordert Ministerpräsidentin Giorgia Meloni Hilfe von der Europäischen Union. Meloni war vor einem Jahr mit dem Versprechen gewählt worden, der massiven Einwanderung ein Ende zu setzen.
Seit Jahresbeginn sind fast 124'000 Migranten an Italiens Küsten angekommen – 65'000 waren es im Vorjahreszeitraum.
AFP/SDA/aru
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