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Ambühls Abschied nach 1322 Spielen
So emotional sagt der Mann mit der Zahnlücke Adieu

Andres Ambuehl vom HC Davos verabschiedet sich von den Fans nach dem Playoff-Halbfinalspiel gegen die ZSC Lions in Davos.
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In Kürze:
  • Andres Ambühl hält mit 337 Länderspielen, 19 WM-Teilnahmen sowie 141 WM-Partien mehrere Weltrekorde.
  • Nationaltrainer Patrick Fischer erwägt eine letzte WM-Nominierung des bald 42-jährigen Davoser Stürmers.
  • Seine Karriere prägte eine aussergewöhnliche Spielfreude.

Als in Davos um 22.06 Uhr die Sirene im Eisstadion ertönte, war alles vorbei. Das Spiel, das die ZSC Lions gegen den HCD 6:4 gewannen. Die Halbfinalserie, die mit 4:2 Siegen an die Zürcher ging. Aber auch eine der grössten Karrieren der Schweizer Eishockey-Historie.

Andres Ambühl stand in diesem Moment hinter dem Zürcher Tor. Sein Trainer Josh Holden hatte ihn in den letzten 75 Sekunden nicht mehr vom Eis genommen. Es gibt im Eishockey auch viele kuriose Traditionen, diese hier ist eine der schönen: Wenn irgendwie möglich, soll ein Spieler sein Karriereende nicht auf der Bank, sondern aktiv in einem Einsatz auf dem Spielfeld erleben.

Für ein fast schon kitschiges Finale hatte Ambühl bereits fünf Minuten zuvor gesorgt, als er einen Weitschuss zum 3:6 ablenkte. Das Tor kam zu spät, um noch irgendetwas am Ausgang der Partie zu ändern. Er habe bereits zehn Minuten vor Schluss gespürt: «Das wird das letzte Mal sein.» Und dennoch freute sich Ambühl über den Treffer: «Ich konnte damit den Fans zum Abschluss etwas Kleines zurückgeben.»

Sein letztes Spiel, sein letztes Tor. Und danach war die Karriere zu Ende. Zumindest jene in der Meisterschaft.

Als Andres Ambühl anfing, hörte Adolf Ogi auf

Eine Schweizer Eishockeymeisterschaft ohne Andres Ambühl war fast schon unvorstellbar geworden. Als er sein Debüt in der Nationalliga A gab, hatte Adolf Ogi gerade seinen Rücktritt aus dem Bundesrat gegeben – so lange ist das schon her. Heute ist er mit 1322 Partien nicht nur ein Rekordmann in der Schweiz. Er hält gar Weltrekorde mit 337 Länderspielen, 19 WM-Teilnahmen und 141 WM-Partien.

Und wer weiss, vielleicht kommen heuer noch weitere Einsätze an der Weltmeisterschaft dazu – Nationaltrainer Patrick Fischer hat explizit nicht ausgeschlossen, Ambühl nach Dänemark mitzunehmen. Es droht, dass die Schweiz dieses Jahr aus diversen Gründen im Extremfall überhaupt keine Verstärkungen aus der NHL erhalten wird, dies würde Ambühls WM-Chancen erhöhen. «Wenn ich ein Aufgebot erhalte, dann mache ich gerne mit», sagt Ambühl. Seinen definitiven Rücktritt wird er so oder so nur wenige Monate vor seinem 42. Geburtstag im September geben.

Patrick Geering von den ZSC Lions verabschiedet Andres Ambuehl vom HC Davos nach dem Playoff-Halbfinalspiel in Davos am 10. April 2025.

Für Ambühls Rekordwerte gibt es zwei Gründe: Konstanz und eine einmalige Spielfreude. Ambühl war kaum je ernsthaft verletzt und verpasste nur eine WM – und dies auch nur wegen einer Schnittwunde, die ihm ein Schlittschuh eines Teamkollegen in einem Playoff-Spiel zugefügt hatte.

Die pure Freude am Eishockey

Ambühl ist ein Phänomen: Er achtete nie präzise auf die Ernährung, er galt nie als Trainingsweltmeister. Wegen all der WM-Teilnahmen verpasste er stets Teile des Sommertrainings. Er war ein Spieler, der immer auf seinen Körper hörte, mit Gelassenheit an die Sache heranzugehen schien und seine ganz eigene Vorbereitung pflegte.

Nationalcoach Patrick Fischer, der in Davos auch Teamkollege war, beschrieb es einst so: «Büeli ist keiner, der viel Aufwand ins Einlaufen investiert. Er bereitet sich lieber mental vor, sitzt in der Garderobe und wartet, bis das Spiel beginnt.»

Was ihn wirklich ausmacht, ist die pure Freude an seinem Sport – schon als Jugendlicher verbrachte er jede freie Minute auf dem Eis, oft bis spätabends allein. Er war kein Produkt von Hightech-Trainings, sondern von harter Arbeit als Kind: Ambühl wuchs auf einem abgelegenen Bauernhof in Davos auf, er lernte früh, was Anpacken bedeutet. Die täglichen Märsche auf die Alp, die Arbeit mit den Tieren bis spätabends – all dies war wie ein frühes Konditionstraining.

Die von Bodenständigkeit geprägte Erziehung durch seine Eltern haben Ambühl geprägt. Dazu passt diese Episode: Als er längst Profi und Nationalspieler war, schrieb seine Mutter in der Zeitschrift «Bündner Bauer» eine Kolumne über ihr Leben und die Familie und erwähnte dabei zwar «einen Sohn und drei Töchter», nicht aber, wer dieser Sohn ist. Auch für Andres Ambühl eine Selbstverständlichkeit: «Weil das keine Rolle spielt. Ich bin nicht besser als eine Schwester, die zum Beispiel eine gute Lehrerin ist.»

Sein Eishockey veränderte sich kaum

Auch wenn er in der letzten Saison ein wenig an Tempo einbüsste: Die Stärken Ambühls blieben bis zuletzt dieselben, seine Langlebigkeit als Profi war nicht wie bei anderen Spielern auf einer grossen Umstellung des Spiels begründet. Geschwindigkeit und Intensität prägten Ambühls Eishockey bis am Ende.

Dass er viel mehr ist als nur ein «Maskottchen» für die Schweiz oder ein Spieler für die Stimmung in der Garderobe, zeigte seine Rolle an der letzten WM: Fischer beorderte ihn in die erste Powerplay-Formation, die sonst nur aus den NHL-Grössen Josi, Fiala, Niederreiter und Hischier bestand.

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Ambühl ist nicht nur in Davos Kultfigur – er wurde achtmal zum beliebtesten Spieler der Liga gewählt, ein neunter Triumph würde nach seiner letzten Saison nicht überraschen. Einmalig auch sein letztes Spiel beim HC Ajoie einen Tag nach seiner Rücktrittsankündigung im Februar. Nach dem Spiel musste er für eine Standing Ovation zurück aufs Eis – die Fans des Tabellenletzten wussten, dass Ambühl nie mehr in ihrem Stadion spielen wird.

Wenn er nächsten September nicht nur seinen 42. Geburtstag feiert, sondern auch die neue Saison beginnt: Wird ihm etwas fehlen? Ambühl weiss: «Die nächsten Tage werden komisch. Es kann hübsch werden, es kann nun eine Herausforderung werden.»

Aber, und da blitzte bei Andres Ambühl das Lächeln und die Zahnlücke bereits wieder auf: «Es geht weiter. Es ging ja auch bis jetzt immer weiter.» Und wenn er im September nach über 30 Jahren erstmals nicht Teil einer Mannschaft sein wird, dann werde ihm schon wieder etwas Gutes einfallen: «Dann trinke ich halt ein Bier statt ein Isostar.»