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Er will den Sport revolutionieren
Anabolika, Epo, Aufputsch­mittel: An seinen Spielen ist alles erlaubt

Denkt anders: Der 38-jährige Jurist und Unternehmer Aron D’Souza.
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Der Mann mit den bubenhaften Gesichtszügen und dem leisen Tonfall arbeitet gerade an der grössten Sportrevolution. Es ist zugleich das wohl umstrittenste Projekt im Weltsport. «Enhanced Games» heisst es, also verbesserte Spiele, und soll der Gegenentwurf zu den Olympischen Spielen werden. Vor allem deren Funktionäre mag Aron D’Souza ganz und gar nicht.

Der 38-Jährige lancierte seine Mission nämlich wie folgt: «Ich habe mein Leben damit verbracht, Korruption und das Böse zu bekämpfen. Heute freue ich mich, meinen nächsten Kampf ankündigen zu können: gegen das Internationale Olympische Komitee.» Und dafür geht der Jurist, der in Oxford studierte, in Melbourne doktorierte und als Unternehmer viele Millionen verdiente, auf maximale Konfrontation. 

Ausgewählt hat er sich dafür IOK-Präsident Thomas Bach. Dieser führt auf der Enhanced-Website die «Halle der Schande» an, weil er «zu den Feinden der Wissenschaft» zähle. Aufgeführt sind auch zahlreiche Anti-Doping-Kämpfer. Denn D’Souza will Spiele, an denen Athleten und Athletinnen schlucken und spritzen können, was auch immer sie wollen. Doping, also illegale Mittel oder Methoden, existiert in seiner Welt nicht. 

Das seltsame Tattoo

Obschon in den Medien zuletzt sehr aktiv, ist er für diese Redaktion nicht zu sprechen. Er sagt zweimal für ein Gespräch zu und wieder ab, weshalb letztlich seine rechte Hand zugeschaltet ist: Brett Fraser. Der Mann von den Cayman-Inseln partizipierte als Schwimmer dreimal an Olympischen Spielen – sauber, wie er sagt.

Fraser, auf dessen rechtem Bizeps ausgerechnet die fünf olympischen Ringe tätowiert sind, macht rasch klar: Beim Projekt handelt es sich weder um einen Gag noch um irgendwelche PR. Fraser wie D’Souza meinen ernst, was sie sagen und wollen.

Für die Cayman-Inseln dreimal an Olympia: Brett Fraser.

Es hat ihnen viel Kritik eingebracht in den Medien – sie betonen lieber, enorm positives Feedback von Athleten und möglichen Sponsoren erhalten zu haben. Sobald solche Aussagen allerdings mit Fakten gefüllt werden sollen, schweigt Fraser im Gespräch beziehungsweise bittet um Geduld. In ein paar Wochen könne man grosse und überraschende Neuigkeiten vermelden. 

Immerhin so viel ist er bereit zu sagen: Mehrere Hundert Athleten hätten ihr Interesse kundgetan, ebenso zahlreiche TV-Sender oder Sponsoren. Überprüfbar sind diese Aussagen nicht. Dafür anderes: D’Souza behauptet in diesem Interview, IOK-Präsident Thomas Bach lebe in einem Palast und jette im Privatflieger um die Welt. Er will damit sagen: Da lebt einer auf Kosten der Athleten in Saus und Braus.

Der peinliche Lapsus

Anruf darum bei Christian Klaue, dem Kommunikationschef des IOK. Klaue muss schmunzeln, wenn er die Aussagen hört. Richtig ist: Das IOK besitzt seit vielen Jahren eine Wohnung im Luxushotel Beau-Rivage Palace in Lausanne. In dieser Wohnung lebt Bach. Und Privatjet fliege er nur in Ausnahmefällen, er nutze primär Linienflüge (aber da natürlich nicht die Holzklasse).

Zu den Auffälligkeiten zählt auch: Auf der Enhanced-Website ist ein Video aufgeschaltet, in dem ein Athlet – dessen Gesicht man nie sehen kann – behauptet, er sei der schnellste Mensch der Welt. Denn er habe die 100 m schon in 9,49 Sekunden gesprintet, sei also schneller als Weltrekordhalter Usain Bolt (Bestzeit 9,58). Die Olympischen Spiele aber würden ihn hassen, weil er ein «verbesserter Athlet» sei. 

Nur: Beim Video handelt es sich um gestelltes Material für PR-Zwecke, das für wenig Geld von jedem erworben werden kann.

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Brett Fraser sagt dazu: Man behaupte keineswegs, der Athlet im Bild sei der «wahre Sprinter». Dies sei bloss eine Interpretation des Journalisten – und dafür könnten sie vonseiten der Enhanced Games nun wirklich nichts. Darum mag er auch keinen Reputationsschaden erkennen, wenn sein Chef offensichtliche Fake News über den IOK-Präsidenten verbreitet und auf der Enhanced-Website im Minimum irreführendes Videomaterial präsentiert wird. 

Den grössten Fehlstart aber begeht Jurist D’Souza ausgerechnet auf seinem Kerngebiet: dem Recht. Dem «Spiegel» sagte er: «Unsere Idee ist: dass Athleten leistungssteigernde Mittel nur unter ärztlicher Kontrolle konsumieren.» Auch sagt er in diesem Interview: «Wir wollen nur Athleten zulassen, die in einer ärztlichen Bescheinigung aufschlüsseln, welcher Arzt welche Therapie an ihnen vorgenommen hat.» 

Anruf bei Matthias Kamber, dem früheren Chef von Antidoping Schweiz. Der Berner sagt erst einmal: «Dieses Projekt wird nie abheben.» Dann sagt er: «Wenn man also doch irgendeine Form von Kontrolle will, wie stellt man sicher, dass nicht betrogen wird?» Seine Frage ist fundamental. D’Souza will gerade darum eine Dopingfreigabe, weil zurzeit ohnehin breit gedopt werde, bloss versteckt.

Teilnahme brächte Gefängnisstrafen

Er will also die Heuchelei des aktuellen Sportsystems bekämpfen und behauptet in einem Gedankengang, der nur schwer verständlich ist: Dank der Dopingregeln könne das IOK die Athleten klein halten und seine Macht entfalten, weil das IOK indirekt die Welt-Anti-Doping-Agentur lenke.

Ernst König, der Nachfolger von Matthias Kamber, bringt ein zweites, ebenfalls folgenschwereres Argument ein: In zahlreichen Ländern ist sowohl Eigendoping wie das Abgeben/Applizieren von verbotenen Substanzen oder Verfahren strafrechtlich verboten. Es drohte sowohl Arzt wie Athlet eine Haftstrafe, wären sie in die Enhanced Games involviert. Darauf angesprochen, weicht Fraser aus, sagt in vielen Worten nichts zur Frage. 

Berechtigte Argumente

Dabei hätten er und D’Souza sehr wohl Argumente, warum man Olympische Spiele fundamental hinterfragen kann: Korrupte Funktionäre, überzogene Budgets im Milliardenbereich oder Stadien, die vergammeln, sind ebenso Stichworte wie ein Kampf gegen Doper, der wohl nur einen Bruchteil der Betrüger erwischt. Auch darum sind viele potenzielle Sportfreunde von dieser Welt angeekelt, haben sich abgewandt oder behaupten, es seien ja ohnehin alle Spitzenkräfte gedopt (was unbewiesen ist).

Solange D’Souza und Fraser wesentliche Aspekte nur mangelhaft durchdacht haben, wirkt das Projekt aber in Teilen unseriös. Ob es abhebt, wird der Dezember 2024 zeigen: Dann sollen diese ersten Enhanced Games stattfinden.