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Medien im Ukraine-Krieg
Amherd will russische Staatssender sperren lassen

Angestellte des russischen Propagandasenders RT (Russia Today) in Moskau. Die EU hat die Verbreitung des RT-Programms verboten. Über ein Verbot in der Schweiz entscheidet der Bundesrat.  
Foto: Yuri Kadobnov / AFP
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«Der Westen wirkt isoliert»: Das schreibt RT (Russia Today) auf seiner Website in einem Kommentar zu den Sanktionen gegen Russland. Ein von der russischen Armee beschossenes Einkaufszentrum in Kiew bezeichnet RT als «legitimes militärisches Ziel». Dort seien Waffen gelagert worden. 

RT ist ein vom russischen Staat gegründetes und finanziertes Auslandsfernsehprogramm. Kritiker betrachten den Sender als Propagandakanal, der gezielt Desinformation und Verschwörungstheorien verbreitet. Dasselbe wird Sputnik (SNA) vorgeworfen, einem Radiosender und Nachrichtenportal.  

Im Rahmen der Sanktionen gegen Russland hat die EU Anfang März die Verbreitung von RT und Sputnik verboten. «Aussergewöhnliche Zeiten verlangen nach aussergewöhnlichen Massnahmen», sagte EU-Kommissionsvize Vera Jourova dazu. «Wir alle stehen für die Redefreiheit, aber sie darf nicht zur Verbreitung von Kriegspropaganda missbraucht werden.» 

Sieht das der Bundesrat auch so? Er hat entschieden, dass die Schweiz die EU-Sanktionen grundsätzlich übernimmt, wobei Ausnahmen möglich bleiben. Bisher sind RT und Sputnik in der Schweiz nicht gesperrt worden. Doch im Rahmen des nächsten Sanktionspakets steht nun eine Sperrung zur Diskussion, wie Recherchen zeigen.  

«Die Übernahme der EU-Massnahmen im Medienbereich wird verwaltungsintern derzeit geprüft», schreibt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auf Anfrage. Der Bundesrat werde zu gegebener Zeit darüber entscheiden. Das federführende Departement von Wirtschaftsminister Guy Parmelin spricht sich gegen ein Verbot von RT und Sputnik aus. Aus Sicht des WBF wäre das unverhältnismässig und ein unüblicher Eingriff in die Medienlandschaft und die Meinungsäusserungsfreiheit.  

Die Schweiz als Propaganda-Hub?

Das Verteidigungsdepartement von Viola Amherd dagegen befürwortet ein Verbot. Bei RT und Sputnik gehe es nicht um Meinungsfreiheit und -vielfalt, zumal das keine klassischen Medien mit kritischer Haltung und redaktioneller Unabhängigkeit seien, argumentierte das Departement in der verwaltungsinternen Konsultation. «Das sind erwiesenermassen vom Kreml gesteuerte und finanzierte Propagandainstrumente», schrieb das VBS.  

Die Sender spielten eine direkte unterstützende und manipulierende Rolle für die russische Regierung im Ukraine-Krieg. Die Schweiz dürfe nicht unter dem Label der Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit Desinformationskampagnen Russlands zulassen und zu einem Propaganda-Hub dieser Instrumente werden. «Nach konsequenter Übernahme der EU-Sanktionen durch die Schweiz wäre das Abseitsstehen in dieser wichtigen Frage unverständlich.» 

Von sich aus tätig geworden sind die drei grössten Fernmeldedienstanbieter Swisscom, Sunrise UPC und Salt: Sie verbreiten die TV-Programme von Russia Today nicht mehr. Per Streaming im Internet sind die Programme aber noch zu empfangen. 

Übernimmt die Schweiz die EU-Sanktionen in diesem Punkt, würden die Domainnamen der fraglichen Websites gesperrt, wie das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) auf Anfrage schreibt. Das Bakom geht davon aus, dass die Betreiber in der Folge die Domainnamen wechseln würden. Die Liste mit den zu sperrenden Namen müsste deshalb laufend angepasst werden. Ein weiteres Problem: Sperren können via VPN umgangen werden. RT verbreitet sogar Anleitungen, wie seine Angebote weiterhin konsumiert werden können.  

Gute Argumente statt Verbote

Über Probleme von Netzsperren wurde in der Schweiz zuletzt im Zusammenhang mit nicht bewilligten Onlinegeldspielen gestritten. Im Abstimmungskampf zum Geldspielgesetz warnten die Gegner vor einem Präzedenzfall. Die Befürworter argumentierten, es gehe lediglich darum, das Bewilligungssystem auch im Internet durchzusetzen. Doch der Fall RT und Sputnik ist anders gelagert: Für Medien gibt es kein Bewilligungssystem. Wer bestimmt, was Information ist und was Propaganda? Nach welchen Kriterien? Wo ist die rote Linie? 

Das Sperren von Inhalten sei aus demokratischer Sicht grundsätzlich suspekt, schrieb der Sozialwissenschaftler Marko Kovic, der sich mit Verschwörungstheorien befasst, jüngst in einem Beitrag in der «Medienwoche». In einer offenen Gesellschaft dürfe die freie Rede nur sorgfältig begründet und in Ausnahmefällen eingeschränkt werden. Ausserdem sei es rein praktisch nicht möglich, Desinformation auf diese Weise aus der Welt zu schaffen.  

Das beste Mittel gegen schlechte Argumente sind aus Kovics Sicht gute Argumente: Die öffentliche Debatte müsse widerstandsfähiger gegen Desinformation werden. Ein weiterer Ansatz wäre die Regulierung von Social-Media-Plattformen. Die Art und Weise, wie die Plattformen gegenwärtig operierten, begünstige tendenziell die Verbreitung von Desinformation, erklärt Kovic. Die Plattformbetreiber müssten in die Pflicht genommen werden, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.